Dieses Buch basiert auf dem 1980 erschienenen Bandes Gusti Adler »... aber vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen« Erinnerungen an Max Reinhardt.
Max Reinhardts Leben in und Beziehung zu Leopoldskron
stehen im Mittelpunkt der ausgewählten Texte.
Herausgeber: Leonhard M. Fiedler
Erste Auflage dieser Ausgabe 2021
© Korrektur Verlag Mattighofen∙Wien 2021
Edition Leopoldskron
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Satz und eBook Erstellung: Aumayer Druck & Verlag, Munderfing
Made in Austria
Cover: 1935 MAX REINHARDT auf Schloss Leopoldskron
© Archiv der Salzburger Festspiele/Photo Ellinger_Blatt 581
ISBN Printausgabe: 978-3-9519832-3-3
ISBN eBook: 978-3-9519832-4-0
Was für ein Glück für Salzburg, dass sich Max Reinhardt als zwanzigjähriger Schauspieler am neu eröffneten Landestheater in unsere Stadt verliebte. Es sei die glücklichste Zeit seines Lebens gewesen. Den Kauf von Schloss Leopoldskron 1918 und die Gründung der Salzburger Festspiele 1920 empfand er deshalb als Nachhausekommen. So erlebte es seine Privatsekretärin »Fräulein Gusti Adler« – eine Anrede auf die sie größten Wert legte.Die ehemalige Schulfreundin von Helene Thimig war zwanzig Jahre lang an Reinhardts Seite, wurde ihm so unentbehrlich, dass, so scherzte Thimig, »mir ab und zu nichts anderes übrigblieb als eifersüchtig zu sein«. Sie war seine ideale und idealistische Privatsekretärin, seine engste Mitarbeiterin. Sie übersetzte seine Texte, erledigte alles Behördliche, beantwortete böse Briefe der Banken, besorgte Kunstwerke, Möbel und Orangenbäume für Leopoldskron – das Reinhardt selbst seine schönste Inszenierung genannt hatte.
»Vergessen Sʼ die chinesischen Nachtigallen nicht!«, soll Reinhardt dem Fräulein Gusti nachgerufen haben, als sie für ihn bei Hagenbeck »exotisches Federvieh, seltene Zierenten, Reiher, Flamingos und Pelikane« bestellte. Und zudem hat sie noch bei allen Inszenierungen wie eine Regieassistentin mitgearbeitet. 1939 folgte sie Reinhardt ins amerikanische Exil. Nach dessen Tod 1943 arbeitete sie in der Dokumentationsabteilung von Warner Bros. in Hollywood und kümmerte sich um den Nachlass des großen Theatermachers. 1964 erschien ihr Buch Max Reinhardt – Sein Leben, 1980 … aber vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen.
Das Buch ist so aufregend, so außergewöhnlich, so anrührend wie Max Reinhardt selbst. Daher ein besonderes Dankeschön an Thomas Biebl, Vice President des Salzburg Global Seminar, Carl Aigner, verlegerischer Leiter von Artbook und Heiner Gann, Geschäftsführer vom Korrektur Verlag, zum 100-Jahr-Jubiläum der Festspiele diese Erinnerungen von Fräulein Gusti Adler an unseren Gründervater Max Reinhardt wieder aufzulegen.
»Seit ich am Theater bin, will ich Schauspieler und Zuschauer zusammenbringen, so dicht aneinandergedrängt wie nur möglich« – formulierte Max Reinhardt. Das gelang ihm auch mit unserem Gründungsstück, dem Jedermann. Fräulein Gusti Adler lässt uns durch dieses Buch teilhaben an der Strahlkraft des großen Magiers Max Reinhardt.
Als Salzburgerin und als Präsidentin der Salzburger Festspiele erfüllt mich große Dankbarkeit:
– Max Reinhardt erträumte die Festspiele »als eines der ersten Friedenswerke nach dem Ersten Weltkrieg« (O-Ton Reinhardt).
– Max Reinhardt erdachte die Festspiele als künstlerisches, politisches und ökonomisches Gesamtkunstwerk.
– Max Reinhardt pries die Festspiele als Leuchtturm deutscher Kultur auf österreichischem Boden mit einem, heute würde man sagen, Marketing-Geschick sondergleichen. Gerade die kräfteraubende Zeit der Pandemie hat gezeigt, wie wahr Reinhardts Diktum ist. Kunst ist Lebensmittel.
Dass wir gespielt haben, möge er als Verantwortung gegenüber seinem Erbe sehen. Es hätte ihm gefallen.
Helga Rabl-Stadler
Präsidentin Salzburger Festspiele
Gusti Adler in Leopoldskron
»Inszenierung Leopoldskron« – so hat Gusti Adler ein Kapitel ihrer großen Max Reinhardt-Biographie überschrieben. In der Tat kann man die Ausgestaltung des 1918 von dem »Theatrarchen« erworbenen Salzburger barocken Schlosses als Reinhardts größte und umfangreichste Inszenierung ansehen. Zwei Jahrzehnte lang – von 1918 bis 1937 – entwarf, baute und belebte er dieses von seinen Vorbesitzern in verfallenden Zustand hinterlassene Gehäuse, bis zu seiner Vertreibung durch die Nationalsozialisten. In einem Brief aus dem amerikanischen Exil schreibt er: »Ich habe es lebendig gemacht, jeden Tisch, jeden Sessel, jedes Licht, jedes Bild gelebt. Ich habe gebaut, gezeichnet, geschmückt, gepflanzt und geträumt davon, wenn ich nicht da war. Ich habe es geliebt im Winter und im Sommer, im Frühjahr und im Herbst, allein und mit vielen. Ich habe es immer feiertäglich geliebt. Es waren meine schönsten, reifsten Jahre.«
Kaum jemand hat Reinhardt auf so umfassende Weise geholfen, seine Leopoldskroner Träume zu verwirklichen wie Gusti Adler. Sie war von Kind auf die engste Freundin von Reinhardts Lebensgefährtin Helene Thimig, deren Laufbahn als Schauspielerin sie aus großer Nähe verfolgte.
Sie selbst, 1890 geboren, entstammte einem allen Künsten aufgeschlossenen Elternhaus. Der Vater, Bruder des Sozialistenführers Victor Adler, war Redakteur bei verschiedenen Wiener Zeitungen. Er widmete sich daneben eigenen musikalischen Kompositionen. Die Mutter, Gründerin des »Radierclubs Wiener Künstlerinnen«, schuf zahlreiche Ansichten vorwiegend mit Motiven aus
Wien. Die um zwei Jahre ältere Schwester Marianne war Restauratorin am Kunsthistorischen Museum. Beide Schwestern ließen sich mit eigenen Arbeiten von der Gruppe um Gustav Klimt und der »Wiener Werkstätte« inspirieren. Zu ihren bevorzugten, von den Eltern geförderten Beschäftigungen gehörten regelmäßige Theaterbesuche. Bereits als Fünzehnjährige sah Gusti
Adler ein Wiener Gastspiel von Max Reinhardts berühmter ersten Inszenierung von Shakespeares »Sommernachtstraum«. Sie holte sich bei dieser Gelegenheit eine Fotographie von Gertrud Eysoldt als Puck, die sie bis an ihr Lebensende bewahrte. Auch schriftstellerisch betätigte sie sich schon früh. Lange bevor sie selbst für Reinhardt tätig wurde, weist sie in einem kritischen Zeitungsbericht aus dem Jahre 1913 über eine Aufführung der Verdischen »Aida« in der Arena von Verona auf Reinhardts Massenregie als positives Gegenbild hin: »Was für Wirkungen gelänge es Reinhardt aus den Massen hervorzuzaubern! Seine Regie hätte dem Festmarsch zu ungleich größerer Wirkung verholfen und trotzdem selbst die kleinsten theatralischen Anklänge vermieden.« (Wiener Allgemeine Zeitung, 18. September 1913).
In der Folge begleitete sie Helene Thimig, die am Königlichen Schauspielhaus engagiert war, nach Berlin. Von dort aus berichtete sie als Berliner Korrespondentin für das Wiener »Fremdenblatt« und andere Zeitungen über die verschiedenartigsten Kulturereignisse; gelegentlich wurde auch ein Gedicht oder eine Erzählung von ihr gedruckt, wie ihre Feuilletons jeweils unter Pseudonym. Bereits 1917, zwei Jahre, bevor sie selbst zu Reinhardt kam, berichtete
sie in aller Ausführlichkeit über die Probenarbeit des großen Regisseurs. Helene Thimig, die indessen – nicht nur als Schauspielerin – bei Reinhardt engagiert war, hatte ihr den Zugang zur Bühne des Deutschen Theaters verschafft.
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