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Das ist es: Alle die andern beschäftigen sich mit ›Gott‹. Ich wage zu sagen: Ich – bin – das, was wir Gott nennen – selbst. Wer das versteht, aber auch nur der, weiß, was ich meine, wenn ich von ›meinem Ernste‹ spreche.
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Meine Wendung zum Dualismus (wenn ich es so brottrocken ausdrücken will) datiert nicht etwa vom August 1908, sie hatte sich mir schon lange vorher verraten. Ein äußeres Merkwort bedeutete für mich auf diesem Felde eine gelegentliche Auslassung Heinrich Frickes, etwa im Vorfrühling 1907, über sich, Goethes Farbenlehre und den Dualismus. Daß ein so tiefer Mensch überall Zweiheit sah, mit derselben Kraft, mit der ich überall Einheit fühlte, konnte ich nicht mehr vergessen. Aber ich kam doch auch noch auf ganz andern Wegen zu der Formulierung der Welt als Gottes ›Du‹.
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Ich habe einmal in meinem Leben auf einen Stein gebissen. Seitdem bitte ich jedes Brot vorher: enthalte keinen Stein!
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An M. a Jetzt fangen wieder diese großen herrlichen Vormittage an, an deren spätem Ende ich, an allen Fibern zitternd, den Mittagstisch aufsuche, um unwillig und abwesend mein Essen beizunehmen, das mich langsam wieder dem Gesetz der Schwere unterwirft. Du kannst Dir keinen Begriff von diesem inneren Brennen und Verzehrtwerden machen, dessen ich oft kaum gewahr bin, so daß ich jeden Augenblick und bei jeder Berührung durch irgend etwas, einen Anblick, eine Zeitungsnachricht, eine Melodie, in Tränen ausbrechen möchte.
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Man wird mich einst in manchem meiner Sätze zu einem Eklektiker degradieren wollen, aber wenn ich auch in nichts Bisheriges überschritten haben sollte: Eklektiker war ich nie. Nie zeichnete ich etwas auf, wozu ich nicht durch meine ganze Natur und Entwickelung gekommen wäre und vieles fand ich und finde ich zu meinem Erstaunen wieder, was ich für mich allein zuvor besaß.
Da lese ich soeben am 7. August 1908 von Schleiermacher: ›Darum lebt das ganze Universum, das Göttliche, in jeder Individualität, als jede Individualität‹. Ist dies nicht mein Gedanke? und habe ich Schleiermacher je zuvor näher kennen gelernt?
1909
Der Mensch ist mein Fach und hier will ich bis zum Äußersten gehen. Wenn Ihr aber sagt: Dagegen wendet der Politiker dies ein und dagegen der Historiker dies und dagegen der Nationalökonom dies, so erwidere ich: Laßt auch sie ihr Fach bis zum Äußersten treiben. Ihr Fach ist der Mensch in irgend einer sozialen Form, das meine der Mensch an sich, der Mensch als inkommensurables Wesen.
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Bei hunderten mag es fesselnder und lohnender sein, den Bedürfnissen nachzuspüren, woraus ihre Werke entsprungen sind, als diesen Werken selber. Bei mir mag man sich mehr an das halten, was ich schreibe.
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Mein Hauptorgan ist das Auge. Alles geht bei mir durch das Auge ein.
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Ich weiß mich merkwürdig frei von jeder ›romantischen Sehnsucht‹, ich fühle im Durchschnitt meines Wesens brüderlich zum Leben als etwas, dem ich nichts hinzuzufügen brauche und das mir nichts hinzuzufügen braucht. Darum vermag ich mich auch rein an ihm zu freuen, wo es Freude erweckt, darum wendet sich mein Schmerz über das Leid der Welt gleich bis in seinen Grund zurück.
Kein Anders -Sein wollend, sondern das Sein in seinem Kern und Wesen anklagend und in Frage stellend.
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An Steiner
Glück in medias res.
Ich war sozusagen bis 4 Uhr morgens gegangen und glaubte kaum noch, daß es nun noch wesentlich heller für mich werden könnte. Ich sah überall das Licht Gottes hervordringen, aber ..
Da zeigen Sie mir mit einem Male und gerade im rechten letzten Augenblick ein 5 Uhr, 6 Uhr, 7 Uhr – einen neuen Tag.
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Ich werde noch manches veröffentlichen müssen, was einer früheren Entwickelungsstufe als meiner jetzigen angehört, denn ich darf niemanden über den Weg betrügen, den ich gegangen bin.
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Niemanden loslassen. Keine Beziehung fallen lassen!
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Immer bewußter sich konzentrieren lernen. Alles Flatternde und Flackernde in mir überwinden. An jeden guten Gedanken, jede gute Empfindung einen Stein hängen, sie verankern. Damit zusammenhängend: Seßhaft werden, Tempobändigung, Tempobeherrschung.
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Meine Zahlen: 13/14/15/16/17/18/19. Mein Alter – 42?
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Ich widerrufe alles Harte und Böse, was ich je in meinen Worten oder Briefen gesagt habe.
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O nur nicht immer wieder erlahmen, nur nicht immer wieder absinken. Züchte doch den Willen in dir, du ewiger Wanderer ohne Stab .
Man soll mich als einen malen, der ohne Stab einen Berg erklimmt. Der Dämon seiner eigenen Schwäche hindert ihn, sich einen Stab zu bilden, – aber am Steigen selbst kann er ihn nicht hindern, wie oft er auch wie tot daliegen mag.
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Was ich heute tue, tue ich nicht um meinetwillen, sondern um meiner Liebe zum Menschen willen.
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Einem Menschen wie mir genügt es nicht, Ein Mal das Richtige zu erkennen.
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Ich möchte gern auch noch zu äußerem Wirken gelangen. Ich möchte mein Berlin als geistiges Staatskunstwerk zum Ziel machen.
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In alles und jedes einfließen lassen einen höheren Geist!
1910
Ich träumte mir die Kraft eines Zukünftigen, – meine Zukunft und ließ, als ich vom Haus der lieben Freunde dankbar Abschied nahm, in jedem Zimmer eine Rose zurück, geschaffen durch den Willen meiner Liebe.
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O meine Hand, du seltsames Geschöpf, du warst mir immerdar ein Angelhaken der Meditation. Wenn ich in deine Schale blicke, meine ich ein Geistgebilde zu schauen.
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Bild meines Lebens.
Stiel : Weltliche Periode (Nietzsche) beendet durch innere Krankheit.
Schale : Öffnung durch Johanneisches.
Blut : Erfüllung.
1911
Ich darf wohl sagen: Die Entdeckung meines Mannesalters ist die Frau .
1912
Mit meinen Erkenntnissen ist es so, wie wenn endlich ein Stück Berglehne abbricht und zerbröckelnd in die Tiefe rutscht. Wie einen Bergrutsch fühlt man's in sich und frohlockt, daß das Massiv der Blindheit, die wir sind, wieder um etwas kleiner geworden ist.
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Ich kann ebensowenig Briefe schreiben, wie Gespräche führen. Beides verflacht mich und läßt mich in einem Zustand zurück, dessen Unerquicklichkeit ich niemandem wünsche.
1913
Sprich du zu mir, mein höher Du! Ich will mich ganz in dich verhören.
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Großer philosophischer Moment während des Vortrags vom 27. August 1913: ich sah einen Augenblick lang den Menschen (Steiner) als reinen, bewußten Willen , sich allein durch ein ungeheures göttliches Vorwärts- Wollen im Leben und als solches Leben behauptend.
1892
Wir leben doch alle auf dem Meeresgrund (dem Grund des Luftmeeres) – Vineta.
1895
Die Sterne lauter ganze Noten.
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Der Quellnixe wehendes Fontänenhaar.
1896
Der Zypressen grüne Obelisken.
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Der Duft der Dinge ist die Sehnsucht, die sie uns nach sich erwecken.
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Wer weiß, ob die Gedanken nicht auch einen ganz winzigen Lärm machen, der durch feinste Instrumente aufzufangen und empirisch (durch Vergleich und Experiment) zu enträtseln wäre.
1897
Rhythmisch bewegte Luft ist gewissermaßen farbige Luft. Wirkung der Glocken.
1904
Warum sind Hügel schöner als Berge? Weil sie den Begriff des Gebirges gegenüber der Ebene, diese beglückende Naturbrechung und Erhöhung des Niveaus mit lebendigerem Ausdruck offenbaren als die starren Felsberge, die mehr bloß Begriffliches sozusagen, weniger Gefühlswarmes an sich haben.
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