Im Jahr 2011 exportierten die VAE Waren im Wert von rund 1,03 Mrd. Euro nach Deutschland. Im Jahre 2012 sank dieser Wert – auch in Folge des „Arabischen Frühlings“ – auf rund 778,2 Mio. Euro. Die deutschen Exporte in die VAE erreichten 2012 rund 9,8 Mrd. Euro, wobei sie im Jahr 2002 noch bei lediglich etwa 3,07 Mrd. Euro lagen und sich innerhalb eines Jahrzehnts somit mehr als verdreifachten. Der Schwerpunkt der deutschen Lieferungen liegt deutlich im Bereich der Investitionsgüter, wobei elektrotechnische Ausstattungen, Maschinen, Pkws, Nutzfahrzeuge, Kfz-Teile und vollständige Fabrikationsanlagen eine herausragende Rolle spielen. Eine Folge des schwachen Dollars und damit auch schwachen Dirhams jedoch zeigte sich in dem 2007 rückläufigen Exportwachstum. Doch dies scheint sich soweit wieder erholt zu haben: im Jahr 2012 wurde ein 30-prozentiges Wachstum im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet.
Das Land ist dabei, einen eigenständigen Industriesektor, eine Tourismus- und auch eine Nahrungsmittelwirtschaft aufzubauen, da sich die VAE in Zukunft von ausländischen Importen und Produkten unabhängiger aufstellen wollen. Derzeit wird ein Großteil der Waren eingeführt, die inländische Produktion kann die steigenden Ansprüche der Bevölkerung nur geringfügig erfüllen.
Insbesondere für Baumaterialien, Baumaschinen, elektrotechnische Einrichtungen und Nutzfahrzeuge bieten sich daher weiterhin enorme Absatzmöglichkeiten. Gleiches gilt für die Innenausstattungen von Hotels mit Küchen, Aufzügen, anderen Transporteinrichtungen und verschiedenen Heimtextilien.
In der metallverarbeitenden Industrie, der Textilindustrie, der Chemieindustrie und der holzverarbeitenden Industrie sehen die Verhältnisse nicht viel anders aus. Auch Ersatzteile und Wartungseinrichtungen müssen importiert werden. Zumeist kommen auch die Teile für Kraftwerke und Meerwasserentsalzungsanlagen aus dem Ausland.
Aber nicht nur für Industrie- oder Konsumgüter sind die Marktpotenziale in den VAE enorm, sondern auch für Dienstleistungen verschiedenster Art. Überall ist ein hoher Beratungs- und Planungsbedarf gefragt. Ausländische Planungsunternehmen entwerfen ganze Stadtteile, Wasserverteilungssysteme, Kraftwerksanlagen usw. und Versorgungsbetriebe können nur mit einem guten ausländischen Management zufriedenstellend funktionieren, da dieses nicht aus der relativ kleinen, lokalen Bevölkerungsbasis rekrutiert werden kann. Daher versuchen die VAE, die Position lokaler Firmen zu stärken und sie mehr an einheimischen Projekten zu beteiligen.
Ingenieur- und Architektendienste sind notwendig zur Errichtung gewerblicher Gebäude, von anspruchsvollen Villen und Freizeitanlagen. Benötigt werden Designer, Fachärzte, Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Labordienste für verschiedene medizinische und technische Zwecke, Finanzberater und tausende unterschiedliche Dienstleister im Tourismusgewerbe. Sie alle tragen indirekt dazu bei, dass auch die Nachfrage nach Gütern steigt.
In den VAE wird der Hohe Rat, dessen Mitglieder die Regenten der einzelnen Emirate sind, vom Regenten von Abu Dhabi geführt. Der Hohe Rat hat die höchste Autorität im Staat und ernennt den Premierminister, welcher traditionell der Regent von Dubai ist. Die Emirate können eigene Gesetze verabschieden, sofern diese nicht gegen bestehende Bundesgesetze verstoßen. Die Sharia (das islamische Recht), die kein in sich geschlossenes Rechtssystem ist, sondern sich im Wesentlichen auf historisch überlieferte Rechtsquellen (d.h. auf den Koran und die Sunna, die Überlieferungen des Propheten Muhammad) stützt, wird grundsätzlich nur noch in Familien- und Erbrechtsangelegenheiten angewandt. Auf allen anderen Rechtsgebieten gelten nahezu ausnahmslos Bundes- oder Emiratsgesetze. Deren Wurzeln sind auf das ägyptische Recht zurückzuführen, welches seinerseits auf dem französischen Recht beruht.
Die Auswirkungen bundesstaatlicher Regelungen sind in den VAE nicht besonders spürbar. Es fehlt die Macht zur Durchsetzung. Jedes Emirat und damit auch die jeweiligen Regenten-Familien verfügen über ein großes Maß an Autonomie. Jedes Emirat hat seinen eigenen öffentlichen Dienst. In Abu Dhabi und Dubai bestehen große Behörden für Wirtschaft und öffentliche Arbeiten. Abu Dhabi verfügt sogar über einen nationalen Konsultativrat, der sich aus den Chefs der verschiedenen Behörden zusammensetzt. So ist jedes Emirat voll verantwortlich für die Bereiche Zivilluftfahrt, Rohöl/Naturgas, innere Sicherheit, Finanzen, Investitionen und Wirtschaftspolitik.
Der Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ im Dezember 2010 und die anschließenden politischen Umstürze in Tunesien, Ägypten und Libyen sowie der andauernde Bürgerkrieg in Syrien haben auch die Regenten der VAE für politische Unzufriedenheit sensibilisiert. Zwar ist es bislang nicht zu großflächigen Protesten oder Demonstrationen gekommen und auch die Regenten-Häuser der verschiedenen Emirate kooperieren weitgehend konfliktfrei miteinander, doch insbesondere die Proteste in Bahrain haben den Regenten der VAE vor Augen geführt, dass sie die politischen und wirtschaftlichen Forderungen und die gestiegenen Ansprüche ihrer Bevölkerung auch zukünftig erfüllen müssen, um ihre eigene Machtlegitimation zu konsolidieren. Bislang muss sich die politische Elite nur einer marginalen und zersplitterten Opposition stellen, die allerdings durch die Strahlkraft des „Arabischen Frühlings“ ihre politischen Forderungen nach mehr Liberalisierung und politischer Freiheit mutiger formulierte, doch ohne dabei nachhaltige Erfolge zu erringen. Die Emire sind weiterhin beliebt und gelten teilweise als Vorbilder für die gebürtigen Emiratis in Fragen der Mode oder des Lifestyles. Im Vergleich zu den anderen Golfstaaten zeigen sich die VAE daher sehr stabil, wenngleich die wirtschaftlichen Disparitäten zwischen den wohlhabenderen Emiraten wie Dubai und Abu Dhabi zu den anderen Emiraten zukünftig klug austariert werden müssen, um Unzufriedenheit zu vermeiden. Weiterhin hat sich das ölreiche Abu Dhabi als starke Führungskraft innerhalb der Föderation behauptet, da Dubai nach der Finanzkrise, die nur mit massiver Unterstützung Abu Dhabis überwunden werden konnte, an politischem Einfluss eingebüßt hat. Aufgrund des massiven Modernisierungskurses des letzten Jahrzehnts, die zunehmend als Kommerzialisierung und Verwestlichung wahrgenommen wird, hat jedoch eine intensive Debatte um Überfremdung und Bewahrung der eigenen Kultur und Tradition innerhalb der emiratischen Bevölkerung begonnen, der die Regenten mit einer verstärkten Konzentration auf Kultur- und Identitätspolitik begegnen.
Weiterhin zeigt sich, wie pragmatisch die VAE mit außenpolitischen Fragen umgehen: Obwohl Saudi-Arabien, das größte und politisch einflussreichste Land des GCC, traditionell eine gegen den Iran gerichtete Hegemonialpolitik verfolgt und auch die anderen arabischen Golfstaaten unter Druck setzt diesen Kurs zu unterstützen, unterhalten die VAE pragmatische Wirtschaftsbeziehungen zu Iran und betrachten auch die vorsichtigen Annäherungen zwischen den USA und der Administration im Iran um den neu gewählten Präsidenten Hassan Rohani mit vorsichtigem Wohlwollen. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Potenz ist es den VAE so möglich, sich in ihrer Außenpolitik, die vor allem an wirtschaftspolitischen Interessen ausgerichtet wird, vom saudischen Einfluss zu emanzipieren, wenngleich das Königreich – aufgrund seiner Größe und einer Bevölkerung von 28 Mio. Einwohnern bzw. seiner Reputation als Führungskraft des sunnitischen Islams und „Hüter der beiden Heiligen Stätten“ Mekka und Medina – ein wichtiger Partner der VAE bleiben wird.
Das zweitgrößte der sieben Emirate hat sich seit den 1970er Jahren zum wirtschaftlichen Schrittmacher der ganzen Golfregion entwickelt. Mit nur geringen Reserven an Erdöl ausgestattet, begann Dubai schon früh mit der Diversifizierung seiner Wirtschaft. Im Mittelpunkt standen dabei zunächst Handel, Logistik und damit verbundene Dienstleistungen, womit Dubai an seine Tradition als Hafenstadt und regionaler Umschlagplatz anknüpfte – nun aber ganz andere Dimensionen vor Augen hatte.
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