Gabriela, einer guten Freundin von mir, erzählte ich, dass es momentan schwierig für mich war. Sie hatte selber Erfahrungen mit Ängsten und ermutigte mich auch im Frühling dazu, eine Psychologin aufzusuchen. Ihre Mutter bot mir sogar an, mich manchmal zu begleiten, wenn ich die Kinder von der Krippe holen musste, und kümmerte sich auch das eine oder andere Mal um sie. Ich war sehr froh und dankbar für diese Hilfe. Ich fühlte mich natürlich schwach, weil ich diese Hilfe brauchte. Ich genoss die Gespräche mit ihr sehr, wir konnten bei uns im Garten viel lachen und uns auch über ihre Lebenserfahrungen mit ihren eigenen Kindern austauschen. Als es mir wieder einmal sehr schlecht ging, fuhr sie sogar die Strecke zur Krippe und wieder zurück und blieb auch bei uns, bis mein Mann abends zu Hause war. Gabriela wusste von einer Psychiatrischen Spitex, welche mir vielleicht helfen konnte. Im letzten Winter erlitt Gabriela einen persönlichen Schicksalsschlag und kämpfte zu dem damaligen Zeitpunkt noch immer damit. Ich konnte vielen Menschen nachfühlen, doch nie wirklich verstehen. Auf einmal sah das anders aus. Auf einem Spaziergang erzählte mir Gabriela, wie es ihr dabei ging, als sie Panik davor hatte, alleine einkaufen zu gehen oder alleine zu Hause zu sein. Sie hatte mir das auch früher schon erzählt, aber ich konnte es nie ganz verstehen. Jetzt konnte ich es. Ich konnte mich in ihren Erzählungen und Schilderungen wiederfinden. Und so erzählte sie mir von der Psychiatrischen Spitex. Im ersten Moment fand ich diese Idee völlig übertrieben und absolut nicht notwendig. Das alles würde sich wieder legen, dachte ich mir, und ich brauchte sicherlich keine solche Hilfe. Wie hätte sich denn das angehört? Ich brauchte doch keine Hilfe im Haushalt. Ich konnte staubsaugen, kochen, Windeln wechseln und putzen. Und wenn ich mir selber nicht erklären konnte, weshalb ich ständig erschöpft war und plötzlich Angst vor den unmöglichsten Dingen hatte, konnte mir auch niemand anders helfen. Dennoch vereinbarte ich einen ersten Termin mit dieser Stiftung, in diesem Moment mehr, um Gabriela einen Gefallen zu tun und mir hinterher nicht sagen zu müssen, hätte ich es doch wenigstens versucht. Ich war jedoch überzeugt, dass es nichts für mich war.
Im Nachhinein war ich natürlich froh, dass ich diesen Termin wahrgenommen hatte. Ich versuchte, meine aktuelle Situation zu beschreiben, und wir vereinbarten gleich zwei weitere Termine. Gemeinsam mit der Psychiatrischen Spitex konnte ich dann sogar die beiden Male den Weg in die Krippe fahren. Ich saß dabei auch selber hinter dem Steuer und es ging ohne Probleme, weil ich die Sicherheit hatte, dass, wenn es nicht ginge, jemand da war, der hätte übernehmen können. Das Ziel bei einer Psychiatrischen Spitex war nicht, dass sie für einen Sachen erledigten, sondern, dass sie alles gemeinsam mit einem machten und einen unterstützen und motivierten. Die Spitex riet mir, meinen Hausarzt aufzusuchen, der mir allenfalls ein Medikament verschreiben konnte. Bei mir schlugen bereits wieder die Alarmglocken, Medikamente! Ich wusste mittlerweile, dass ich Hilfe brauchte. Was ich mir noch viel mehr erhoffte, das war eine Erklärung für das Ganze.
Mein Vater kam vorbei und fuhr mich zum Hausarzt. Ich kannte diesen eigentlich kaum, hatte ihn damals nur aufgesucht, als ich von Zürich umgezogen war, damit ich im Notfall einen Arzt in der Nähe hätte. Denn wie schon erwähnt, ging ich nur ganz selten zum Arzt. Nicht, weil ich nicht wollte, sondern, weil ich auch nicht musste, da ich zum Glück immer gesund war.
Auch hier versuchte ich wieder, alles zu erzählen. Langsam hatte ich das Gefühl, ich bildete mir mein ganzes Leben nur ein. Dass alles gar nicht war, wie es mir schien, und ich einfach nur weg müsste. Weit weg von diesem Leben und leider auch den Menschen um mich herum. So, dass einfach niemand unter meinen komischen Ängsten leiden müsste und mir auch niemand helfen müsste. Ich war im Moment auf tägliche Hilfe angewiesen, eine schlimme Tatsache für mich in dieser Zeit. Mein Hausarzt meinte, dass ich tatsächlich unter Panikattacken leiden könnte und, dass es Anzeichen für eine Postpartale Depression, umgangssprachlich auch oft als Postnatale Depression bezeichnet, gab. Ich war schockiert. Ich wusste, dass es diese Diagnose oder Krankheit gab und dass sehr viele Mütter darunter litten. Meine Tante hatte auch schon von dieser Krankheit gesprochen beziehungsweise angedeutet, dass sich bei mir Symptome dafür abzeichnen würden. Meine Tante arbeitet in einer leitenden Funktion in einem Spital und kennt sich damit sehr gut aus. Meiner Meinung nach musste man aber nicht immer gleich eine Diagnose stellen. Es war bestimmt nur eine strenge Zeit für mich, das war alles. Es war in diesem Moment also nur eine erste Diagnose. Wie sich später herausstellte, auch nicht die letzte und schon gar nicht die Enddiagnose.
Das alles jetzt von meinem Arzt zu hören zu bekommen, der mir so direkt gegenüber saß, war nicht sehr ermutigend. Der Hausarzt verschrieb mir etwas für die Magenschmerzen und das pflanzliche Lavendelölpräparat Laitea. Ich war froh, dass es etwas Pflanzliches war. Ob es mir auch in diesem Falle half, wusste ich nicht. Pflanzliche Sachen hatten durchaus Heilkräfte, das wusste ich. Es würde, wenn man es über längere Zeit abends einnahm, Ängste lindern und Sorgen mildern. Naja, wie aber sollte eine solche Kapsel, auch wenn sie mit Lavendel gefüllt sein mag, mir meine Ängste und Sorgen nehmen können? Etwas skeptisch war ich trotzdem. Wusste denn die Kapsel etwas über meine Sorgen? Wenn ja, durfte sie mich gerne endlich aufklären. Dennoch war es zumindest kein Antidepressivum, welches er mir als erstes vorgeschlagen hatte. Ich würde niemals Antidepressiva nehmen, wehrte ich mich sofort. Ich hatte eigentlich keine Ahnung, was Antidepressiva waren. Ich konnte mir nur die vielen Nebenwirkungen, welche er aufzählte, speichern. Und wie der Name schon verriet, irgendetwas, in dem das Wort depressiv oder Depression vorkommt, wollte ich auf keinen Fall nehmen.
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