Martha Adler
Das Leiden einer Mutter
Vermisst im 2. Weltkrieg - mit 18 Jahren in den Krieg
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Martha Adler Das Leiden einer Mutter Vermisst im 2. Weltkrieg - mit 18 Jahren in den Krieg Dieses ebook wurde erstellt bei
Das Jahr 1944
Das Jahr 1945
Fliegeralarme ab 31. März 1944
Zweites Heft. Vom 18. Oktober 1945 - Neujahrstag 1949
Dezember 1945 Erster Jahrestag der Vermissten-Mitteilung
Das Jahr 1947
Das Jahr 1948
Das Jahr 1949
Staatliche Information vom 30.5.2012
Impressum neobooks
Das Jahr 1944
November 1944
Erlbach, den 14. November 1944
Mein lieber Helmut!
Heute kam Post von Werner Tröger (Neffe von Martha). Er ist gefangen in Rimini Italien und befindet sich zur Zeit in Algier. Er ist an der linken Schulter und am Unterschenkel verwundet, aber er lebt. Gott sei dank, so sind auch diese Wochen des Bangens vorüber. Vielleicht kommt von Günter (Matthes) auch bald Nachricht.
14. November 1944
Mein lieber Helmut!
Heute hat Vater einen Brief von dir zurückerhalten. Neue Anschrift abwarten steht darauf. Was hat das zu bedeuten? Gestern erhielten wir deinen Kartenbrief vom 9. Oktober 1944 wo du schreibst, dass du deine Feuertaufe erhalten hast. In diesen schweren Oktober - Tagen war unser ganzes Denken bei dir. - Gestern, Sonntag den 12., November 1944, war der Volkssturm auf dem Marktplatz angetreten. Nun ist Vater auch Sonntags - Soldat. Ziegner, Harald und Wunzam, Hans haben am 12. November aus englischer Gefangenschaft geschrieben. Das war eine kurze Ausbildungszeit, denn sie wurden schon am 8. August geschnappt. Nennt man das nun Pech oder Glück? Rolf, Tauscher - Günter, Stöhr, Klaus sind da und warten auf ihre Einberufung. Tauscher, Ede und dein Gopplasgrüner Klavierkamerad Übel hatten Musterung. Diese kleinen Kerle haben eine Hörnermusik zum Stein erweichen gemacht. Bleibe gesund und sei herzlich gegrüßt von deinen Eltern.
Erlbach, den 22. November 1944
Mein lieber Helmut!
Acht Tage sind wieder vergangen seit ich dir die letzte Post sandte. Es war am 15. November 1944. Ich schreibe dir heute trotzdem wieder, weil in der Zwischenzeit weder etwas zurück noch Post von dir kam. Was wird los sein. Frau Süßmann hat auch keine Post wie sie uns gestern schrieb. Ihre letzte war vom 18. Oktober, wie auch deine letzte. Nun sollst du aber nicht auch so lange auf Post warten, deshalb sende ich dir diese Zeilen. Wir wünschen und hoffen, dass du alles Schwere gut überstehst und doch noch einmal gesund zu den Deinen heimkommst. Herzliche Grüße deine Eltern. Solltest du öfter keine Zeit zum Schreiben haben, so genügt schon ein leeres Couvert, dann wissen wir wenigstens du lebst. Deine Mutter.
Erlbach, den 28. November 1944
Mein lieber Helmut!
Schon wieder sind 6 Tage vergangen ohne dass Post von dir kommt. Dass Ihr im Rückzug seid, ist uns ja bekannt. Vergebens warten wir auf die grünen Marken für Weihnachtpäckchen. Gerne würden wir darauf verzichten wenn Ihr wieder glücklich im Land wäret und zu einem kurzen Urlaub daheim. Ich habe das schon so kommen sehen als ich die Lametta und Lichter sandte. Hast du die Lichter, Armmuffchen und Schal erhalten? Gebrauchen könntest du die Sachen sicher gut. Aber, aber! Gestern waren wir zur Silberhochzeit bei Matthes. Anwesend waren Friebels, einschließlich Dieter, Gertrud, Paula, Christine mit Renate. Von Günther ist noch keine Nachricht da. Seine letzte Unterkunft war Jaffy. Dann kam der Treuebruch der Rumänen und seit dieser Zeit fehlt von Günther jede Nachricht. (Günter Matthes war der Neffe von Martha Adler und Sohn des Lehrers Erich Matthes und Elsa geb. Adler aus Landwüst. Günter Matthes blieb vermisst.) Christine fuhr mit Tochter um 5 Uhr wieder weg. Die Zwickauer ½ 7 Uhr. Dieter kommt heute wieder an die Front. Wir waren abends noch bis 11 Uhr drüben. Da haben wir norwegische Bilder angesehen die Graubner Alfons heimgeschickt hat. Es war eine ruhige Feier, so ganz im Ernst dieses furchtbaren Krieges mit seinen schrecklichen Begleiterscheinungen. Und nun wünschen wir dir alles Gute vor allem komme gesund durch all das Furchtbare und sei herzlich gegrüßt von deinen Eltern.
Erlbach, den 3. Dezember 1944
Vater geht ½ 9 Uhr zum Volkssturm nach dem Turnplatz. Unterwegs wird Vater von Todts Fritz (Ortsgruppenleiter der NSDAP) und Hilde rein gerufen. Fritz, der wieder sein altes Amt ausübt, überreicht Vater einen Brief von der Feldposteinheit 00620 mit dem Vater heimkommt. Nun lieber Helmut lüftet sich das Geheimnis deines Schweigens. Dieser Brief bringt uns die bitter schwere Nachricht, dass du lieber Helmut, vermisst bist. Dein Schwadronführer schreibt uns folgendes:
Im Felde, den 10. November 1944
Sehr geehrter Herr Adler!
Als Schwadronführer fällt mir die schwere Pflicht zu, Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Sohn mit dem 23. Oktober 1944 vermisst wird. Bei den schweren Kämpfen während der Absatzbewegungen in Nordfinnland im Raum von Kirkenes bekam die Schwadron den Auftrag, eine Höhe im Gegenangriff zu nehmen. Ihr Sohn hat diesen Angriff in vorderster Linie mitgemacht und ist seitdem vermisst. Von einigen Kameraden wurde er am 23. Oktober 1944 um 15.00 Uhr zuletzt gesehen.
Ihr Sohn war einer meiner besten Soldaten, der stets in treuester Pflichterfüllung die ihm gestellten Aufgaben und gegebenen Befehle ausführte. Sein frischer Schneid, sein Draufgängertum und seine männliche Sicherheit erwarben ihm schnell das Vertrauen seiner Kameraden und Vorgesetzten.
Die quälende Ungewissheit, die ich Ihnen auferlegen muss, macht mir das Herz schwer. Gott allein weiß den Weg Ihres Jungen. Er möge Ihnen die Kraft geben, Ihren Weg so zu gehen, wie ihn Ihr Sohn unter uns ging.
Alle Opfer aber, die Opfer der Soldaten und das Leid der Heimat wolle Gott dazu segnen, dass der Opferweg unseres Volkes zur Freiheit führt, zu dem Weg, für den unsere Besten ihr Leben einsetzten.
In aufrichtigem Mitgefühl grüßt Sie Ihr Ihnen sehr ergebener
gez.) Beckers Lt. u. Schwadronführer.
Ja, mein lieber Helmut,
das war der erste Adventsgruß 1944. Und noch dazu Tante Elsas Geburtstag. Dass irgend etwas mit dir nicht in Ordnung war, das habe ich gefühlt. Ich habe auch Ende Oktober bei Todts gesagt, dass Ihr hier oben in einer Mausefalle sitzt und nicht wieder herauskommt. Dass sich deine Soldatenlaufbahn so bald und so schlimm beendet, hätten wir nicht gedacht. Es wäre alles nicht so furchtbar, wenn wenigstens jährlich ein oder zweimal ein schriftlicher Austausch stattfinden könnte. Aber leider, leider. Dass du lieber Helmut noch am Leben bist, steht für mich felsenfest. Ich glaube an eine Gedankenübertragung, denn in den Wochen vor Ende Oktober bis Mitte November war mir das Leben so schwer und ich glaube bestimmt, dass du dir da so viele schwere Stunden gemacht hast, weil du nun nicht mehr heim schreiben kannst, und was noch schlimmer ist, du bekommst ja auch keine Post mehr von all deinen Lieben. Es ist schwer, bitter schwer, aber es ist noch nicht das Schwerste. Denke an deinen Kameraden Hans Süßmann. Frau Süßmann bekam am 5. Dezember 1944 die Nachricht, dass ihr Sohn Hans am 21. Oktober 1944 gefallen ist. Kopfschuss. Er war sofort tot, und wurde von seinen Kameraden beerdigt. Lieber Helmut musstest du diese schwere Pflicht mit erfüllen? Was wirst du in den Tagen vom 7. Oktober bis 23. Oktober alles Schweres erlebt haben. Vielleicht ist der Weg in die Gefangenschaft noch nicht einmal der schlechteste. Wollen wir Gott bitten, dass wir gesund bleiben, dass er uns stark macht alles zu ertragen, damit wir doch noch einmal uns alle wiederfinden. Mein lieber Helmut, bleibe gesund und stark und Gott sei mit Dir. Du gingst in Gottes Namen aus Deiner Eltern Haus so wird er dich auch weiterhin behüten und auch gesund durch alles Leid wieder heim führen. Dies ist unser aller Wunsch und vor allem der deiner Eltern.
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