Deswegen hat der Auer Max sein Glas gehoben, die beiden angeschaut und gesagt: »Hiermit habt ihr beide meinen Segen. In meiner Eigenschaft als hauptberuflicher Neffe ernenne ich euch zu was auch immer ihr sein wollt. Bis dass die Nachspeise uns scheidet. Amen. Können wir jetzt weiteressen?«
»Wohin die ganzen Bullen wohl gerannt sind?« Der Manfred schaute unsicher zur Tür, und Friedl fragte: »Wann denn?«
Max sprach mit vollem Mund: »Vor einer Viertelstunde. Die sind vor dem Bücherladen aus den Autos und dann um die Ecke in die Bahnhofstraße verschwunden. Warum?«
Friedl kratzte sich am Ohr: »Da ist doch der Imbiss vom Bergmeier. Weißt schon, der, der nebenbei noch den Taxidienst macht. Der hat öfters Probleme mit der Polizei. Und mir ist der auch noch Geld schuldig. Also, nicht direkt mir. Der Otti hat ihm vor einem Jahr 5.000 Euro geliehen, zu 10 Prozent Zinsen, die haben wir bis heute nicht. Obwohl es dem Bergmeier gutgeht. Der hat den Imbiss, sein Taxi und ein paar alte Mädels am Laufen. Bahnhofshühner, so hat der Otti die genannt. Alte Legehennen, bei denen das MHD schon lange abgelaufen ist. Aber der Otti hat gemeint, da gibt’s immer ein paar Tschuschen, die bumsen alles, was noch einen Puls hat. Egal, der Chili wollte sich eigentlich drum kümmern. Das hat er mir auf der Beerdigung versprochen. Aber dann hab ich ihn gebeten, dass er die Urnen austauscht. Weil ich meinen Otti ja viel lieber hier daheim habe. Dass ein Mann im Haus ist, verstehst? Und dann ist das Problem mit dem Bergmeier irgendwie … untergegangen? Ich weiß auch nicht mehr.«
Max und Manfred schauten sich sprachlos an, und die Friedl lächelte maliziös: »Und jetzt hab ich gleich zwei Männer hier sitzen. Wer hätte das gedacht?«
»Wie zum Teufel tauscht man eine Urne aus?« Max schenkte sich, dem Manni und der Friedl nach.
Die meinte mit Unschuldsmiene: »Das? Das war ganz einfach. Ich hab mir ja beim Bestatter die Urne ausgesucht. Dann hab ich gesagt: ›Ach, wissen S’, ich nehm gleich noch so eine, die stelle ich daheim ins Bücherregal, weil die gar so schön ausschauen und glänzen‹. In die zweite Urne haben wir dann hier drinnen ein paar Hände voll Kaminasche getan, der Chili und ich. Und noch paar kleine Knöpfe, weil der Chili gesagt hat, wenn sie einen verbrennen, dann bleibt immer ein bissel übrig. Keiner geht ganz, hat er gemeint. Ein paar Zähne oder so bleiben immer unter dem Rost liegen. Und kurz vor der Feier, schon in der Aussegnungshalle, da hat der Chili eine Flasche Jägermeister fallen gelassen. Die wollte er dem Otti mit ins Urnengrab legen, hat er zum Pfarrer gesagt. Weil der Otti doch so gerne Jägermeister mit Cola getrunken hat, ned wahr? Ja, und in dem ganzen Durcheinander, es sind ja alle aufgesprungen und haben den pappigen Schnaps vom Boden der Aussegnungshalle gewischt, mit Taschentüchern, Schals und so, da hat der Chili schnell die Urnen vertauscht.«
Manfred sagte: »Und der Pfarrer, hat der nix gemerkt?«
»Der? Der hat irgendwas von seinem hohen Blutdruck gemurmelt und ist nach hinten und hat ein großes Glas Messwein getrunken. Das war dann aber doch noch eine sehr schöne Feier, wir haben alle geweint, obwohl es gestunken hat wie in einer Trinkhalle. Und der angetrunkene Pfarrer hat ein paar lustige Sprüche rausgelassen. Ja, was wollte ich denn eigentlich sagen? Ach so, und mit dem ganzen Urnenstress, da hat der Chili wohl dann vergessen, vom Bergmeier das Geld einzutreiben. Ich ruf den Chili gleich morgen mal an und erinnere ihn dran. Hoffentlich ham s’ mir den Bergmeier jetzt nicht vor der Nase weg verhaftet, weil, sonst seh ich mein Geld nie wieder.«
Wer mehr Vögel(n) will,
muss freundlich sein
»Ist noch was von den Vögeln in der Küche?« Max schielte auf die Platte in der Tischmitte, auf der nur noch eine traurige Soßenlache zu sehen war.
»Das heißt Vögel, mein Lieber, Vögel.« Die Friedl nahm die Platte hoch und stand auf.
»Wieso denn? Wenn ich mal den Karl Valentin zitieren darf: Der hat gesagt, ein Semmelknödel ist ein Semmelknödel. Sobald es aber mehrere sind, müsste es Semmelknödeln heißen, mit einem ›n‹ hinten dran. Also?« Max schaute den Manfred an. Der zuckte mit den Schultern, und die Friedl meinte: »Is’ ja auch wurscht. Aber: Wer noch mehr Vögel, oder wie du sagst, Vögeln will, der muss freundlich sein, sonst bleibt der Teller leer. Ich kann dir noch Nudeln und Soße bringen. Manfred, machst du mal die Luft aus den Weingläsern, ich komme gleich wieder.«
Jetzt schaute sich der Auer den Manni an, der ja eigentlich ziemlich harmlos aussieht, wie er sich so über den Tisch beugt. »Sag einmal, wieso haben sie dich wegen Körperverletzung eingelocht?«
Manfred stellte die Flasche auf den Tisch, stand auf und nahm eine Boxerstellung ein. Die Rechte am Kinn und die Linke schräg vor der Brust: »Ich war mal süddeutscher Meister im Mittelgewicht. Ist schon lange her, aber mein linker Leberhaken, der haut immer noch jeden von den Beinen. Schau mal.«
Er boxte ein paar Jabs und Finten in die Luft, dann ließ er die Linke sinken und schlug damit einen blitzschnellen Leberhaken.
Der Auer Max war beeindruckt und wollte was dazu sagen, aber just in dem Moment kam die Friedl mit einem Tablett ins Zimmer: »So, da hab ich eine wunderbare Nachspeise. Das ist ein Kirschentiramisu im Glas mit Amaretto. Alles molto erotico. Meine Spezialität.«
Wenn du jetzt denkst, ein Tiramisu, na ja, das ist ja nichts Besonderes, also, dann täuschst du dich. Dieses hier, das solltest du dir auch mal gönnen.
Für die drei Gläser (je 2 oder 3 dl) brauchst du 3 Esslöffel Amaretto, 1 dl starken Espresso, einen großen Löffel Zucker, 2 Eigelbe (das Eiweiß extra in ein Glas, das brauchst du nämlich noch). Dann Saft von 1 Orange, ein bissel von der Haut abreiben, 250 g Mascarpone, eine Prise Salz, 7 oder 8 Löffelbiskuits und ein wenig Kakaopulver zum Bestäuben. Alles klar?
Gut. Den Amaretto, ein bisschen Zucker und den Espresso verrühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Zur Seite stellen.
Eigelbe, Zucker und die Orangenschale mit dem elektrischen Schneebesen ungefähr 4 – 5 Minuten rühren, bis alles heller ist, dann den Mascarpone drunterziehen.
Die zwei Eiweiß ein bisschen salzen und steif schlagen. Zucker dazu, weiterschlagen. Den Eischnee jetzt sorgfältig und langsam in die Masse geben und durchziehen.
Löffelbiskuits halbieren, in die Gläser verteilen, jetzt die Hälfte der Masse drauf. Den Rest der Biskuits drüberlegen, restlichen Espresso und Rest der Masse drauf. Alufolie drüber und zwei Stunden im Kühlschrank fest werden lassen. Vor dem Servieren noch einen Schuss Amaretto drauf und mit Kakao bestäuben. Fertig.
Der Mörder ist wieder frei
Du ahnst es eh schon, es ist doch noch ein netter und lustiger Abend geworden. Und was soll ich dir sagen? Der Manfred hat natürlich bei der Friedl geschlafen, und der Max musste sich das Kopfkissen und die Bettdecke über die Ohren ziehen, damit er einschlafen konnte.
Am nächsten Morgen ist die Friedl mit einer Tasse Kaffee zum Max ins Zimmer gekommen, hat sich an die Bettkante gesetzt und sich die Haare aus der Stirn gestrichen: »Bub, der Manni bleibt hier bei uns, und du überlegst dir, wie er sich nützlich machen kann.«
Der Auer, noch ganz verschlafen: »Wie meist du das? Nützlich?«
»Frag doch nicht so blöd. Aus dem Nachlass vom Otti ist noch viel zu tun. Denk doch bloß mal an die Außenstände wie beim Bergmeier. Ich hab mir das kleine schwarze Buch vom Otti vorhin noch mal durchgesehen. Da gibt es bestimmt so um die 20- bis 30.000, die wir hier und da noch zu kriegen haben. Von denen meldet sich freiwillig keiner, weil die ja denken, der Otti ist im Paradies, da braucht der eh kein Geld mehr. Aber ich arme alte Frau muss ja auch schauen, wie ich durchkomme, mit zwei Männern im Haus. Du und der Manni, ihr holt mir das Geld. Mit dem Bergmeier fangt ihr an. Der sperrt jetzt um neun seinen Laden auf. Der Manni ist im Bad. Wenn ihr sowieso runter geht zum Bäcker, Brezen kaufen, dann schaut vorher beim Bergmeier vorbei. Auf ein Gespräch unter Männern, verstehst mich?«
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