Sie entblößte grinsend ihre Raubtierzähne und machte eine einladende Handbewegung in Richtung Tribüne.
„Leider hast du gerade meinen allerneusten Fang verpasst. Denn wie du ja gesehen hast, ist das erste Bieterverfahren offiziell bereits beendet und der Käufer steht genau vor dir. Aber vielleicht findest du Gefallen an einer meiner anderen ‚Hostien‘?“
Die alte Hexe wollte voranschreiten und gab Ravanna mit einem Nicken zu verstehen, dass sie mitkommen sollte. Doch diese blieb an Ort und Stelle stehen und spähte zu jenem vernarbten Hünen und von ihm wiederum vor sich auf den Waldboden und die dort verteilten Überreste von dessen Kontrahenten.
„Ja“, sagte sie mit leicht angewiderter Stimme, „das habe ich mitbekommen. Und wie ich vorhin schon sagte, bin ich wirklich … beeindruckt von so viel Kraft und Kampfgeist“, log sie und sah zur Tribüne hoch und auf den nackten Mann mit der Eisenkette um den Hals, welcher sie mit einem entsetzten Blick anschaute.
Dann drehte sie sich dem Vernarbten zu und sagte mit fester Stimme:
„Doch ich bin ebenfalls an dem Menschen interessiert!“
Jetzt ging ein Raunen durch die Menge und Mera schüttelte vehement mit dem Kopf, während der Hüne Ravanna mit ernst gewordener Miene bedachte.
„Ich kaufe im Übrigen nicht für mich. Sondern für meinen Meister. Und ihr alle wisst, wen ich damit meine. Er wird vermutlich nicht begeistert sein, wenn ich ihm statt diesem Jüngling dort einen der abgemagerten Elfen mitbringe.“
„Der Mensch gehört mir!“, fiel der Muskelprotz Ravanna nun mit regelrecht erboster Stimme ins Wort und starrte sie dabei aus blitzenden Augen an.
„Ich habe ihn, wie es die hiesigen Regeln des Bietens verlangen, ersteigert und bin somit sein rechtmäßiger Besitzer!“
Ravanna lächelte wieder süffisant.
„Ja, aber natürlich, das ist vollkommen richtig. Ich würde auch nie gegen die geltenden Regeln verstoßen.“
Sie blickte den Hünen aus großen Augen an und tat so, als würde sie sich tatsächlich ängstigen.
„Doch ich denke, meinen Herrn und Meister wird das mal wieder wenig interessieren. Ich mache mir schon jetzt große Sorgen, dass er sich anschließend selbst um diese Angelegenheit kümmern wird. Und wie das jedes Mal ausgeht, weiß ich leider.“
Sie streckte eine Hand zu dem Hünen vor ihr aus und berührte mit ihren schlanken, langen Fingern seinen Oberarm, während sie weiter säuselte:
„Es ist nur so schade, dass es ausgerechnet einen so starken und gut gebauten Kerl wie dich erwischt. Ein echter Jammer, wenn man mich fragt!“
Dabei bedachte sie das Narbengesicht mit einem sehnsuchtsvollen, verführerischen Blick aus ihren großen, blauen Augen und fuhr sich lasziv mit einer Hand über die Kette um ihren filigranen Hals, bis hinunter zu ihren üppigen Brüsten.
Der Hüne wirkte einen Moment lang verwirrt. Doch dann legte sich seine Stirn in überlegende, wenn auch skeptische Falten. Dies fiel auch Ravanna auf und sie nutzte seine kurzzeitige Irritation, um ihre Absichten noch klarer zu machen. Sie trat sehr nah an ihn heran und flüsterte ihm ins Ohr:
„Ich könnte dir jetzt anbieten, dass du mit meinem guten Gefährten Bo um den Jüngling kämpfst. Aber ich denke, wenn ich einfach den doppelten Preis zahle, wäre das vermutlich die bessere Alternative für dich.“
Der Kerl zögerte einen Augenblick. Dann schaute er sich zu Christopher um, betrachtete ihn noch einmal eindringlich, bevor er sich wieder Ravanna zuwandte. Er bedeutete ihr, mit ihm ein paar Schritte zur Seite zu gehen, damit sie außer Hörweite von Mera und der sie noch immer beobachtenden Menge ungestört verhandeln konnten.
„Du sagst also, du willst mir das Doppelte zahlen, was ich an Mera zu zahlen habe?“
„Ja. Ganz richtig.“
„Das ist ja schön und gut. Aber ich hatte bereits meine Pläne mit dem Menschensohn. Wenn du verstehst, was ich meine. Und ich weiß nicht, ob ich diese Pläne wirklich einfach so aufgeben möchte.“
Er sah die schöne, junge Halbhexe nun mit lüstern aufleuchtendem Blick an.
„Es gibt für jemanden wie mich schlussendlich nicht oft eine solche Gelegenheit. Du konntest dich ja eben mit eigenen Augen von der übrigen, Ware überzeugen, die hier angeboten wird. Ein solches Prachtexemplar wie der da oben auf der Tribüne kommt an einem Ort wie diesem nicht oft unter den Hammer. Da sieht man auch schon mal vom Geschlecht des Angebotenen ab. Obwohl mir natürlich ein durch und durch weibliches Wesen, wie du es ohne jeglichen Zweifel bist, hundertmal lieber wäre. Doch man nimmt, was man kriegen kann.“
Seine Blicke glitten bei diesen Worten noch einmal genüsslich über Ravannas schlanke Gestalt, hingen eine ganze Weile wie hypnotisiert auf ihren üppigen Brüsten fest, bevor er ergänzte: „Aber ich kann dich durchaus auch verstehen. Du bist deinem Meister untergeben und musst tun, was er von dir erwartet und verlangt.“
Ravanna sah dem Hünen fest in die Augen. Dabei rollte sie innerlich genervt mit ebendiesen und schickte einen stummen Fluch gen Himmel. Für sie war längst klar, dass sie den großen Lüstling da vor sich bereits am Haken hatte. Jetzt kam es nur noch auf eine für sie halbwegs akzeptable Einigung zwischen ihnen an.
„Dennoch habe ich den Menschen rechtmäßig ersteigert und er gehört demnach mir.“ Er lächelte sie hämisch an.
„Aber ich bin unter gewissen Voraussetzungen durchaus an einem Geschäft mit dir interessiert, Ravanna. Ich habe immerhin schon viel von dir gehört. Von dir und deinen speziellen Künsten.“
Seine Augen wanderten erneut begierig über ihren Körper.
„Du sagst, du zahlst mir das Doppelte an Gold. Gut, abgemacht. Aber das ist mir noch nicht genug. Von dem Jüngling da hätte ich immerhin eine ganze Zeit lang etwas gehabt und das ist auch mit dem doppelten an Gold längst nicht abgegolten. Das musst du selbst doch auch zugeben. Also“, er sah sie verlangend an und lächelte über sein gesamtes vernarbtes Gesicht, „Ist es nur angebracht, dass du mir diesen Verlust irgendwie bezahlst. Und ich denke dabei ganz konkret an deine hier in dieser Gegend selbst nach all der vergangenen Zeit noch immer so hochgelobten Fähigkeiten bestimmter, körperlicher Zusammenkünfte.“
Seine Augen blitzten sie begehrlich an und Ravanna atmete innerlich auf. Sie hatte den narbengesichtigen Hünen um den Finger gewickelt. Die Angelegenheit war so gut wie besiegelt. Ihrem ihr hier noch immer vorauseilenden Ruf aus längst vergangenen Zeiten sei Dank. So sehr sie diese verlorenen Jahre ansonsten gerne aus ihrem Gedächtnis verbannt hätte – für dieses Geschäft war ihr ihr wildes und ungezügeltes Vorleben doch noch einmal zugutegekommen. Ravanna gab sich dennoch gelassen und betont geduldig vor dem Kerl. Sie tat so, als würde sie nun doch lieber noch einmal darüber nachdenken wollen. Schürzte die vollen Lippen und legte die Stirn in kleine, nachdenkliche Falten.
„Wenn ich’s mir recht überlege …“
Ihre rechte Hand glitt wie zufällig über ihren zarten Hals und sie lenkte die Aufmerksamkeit des Kerls mit dieser Geste gezielt dorthin, wo ihre Halsschlagader unter ihren schlanken Fingern vibrierte. Sie rieb immer wieder über genau diese empfindsame Stelle und sah den Hünen dabei mit laszivem Blick und halb geöffneten Lippen an.
„Wenn ich daran denke, was mein Meister wohl zu so viel Gold sagen wird, wo ich selbst doch zu meinen eigenen Zeiten gut und gerne das Dreifache verlangen konnte … für eine einzige Nacht, versteht sich.“
Sie schüttelte den Kopf, während sie sich dabei in ihre gelockten, ebenholzfarbenen Haare griff, um sie in einem Schwung gekonnt über die zarte Schulter zu werfen. „Nein, er wird alles andere als begeistert sein, wenn ich so unverhältnismäßig viel für den sterblichen Burschen da bezahlen würde! Das Gold, was du für den Jüngling an Mera löhnen musst, das kann ich dir geben. Sicher. Abgemacht. Mehr aber auch nicht. Eine zusätzliche Nacht mit mir ist einfach zu teuer für dich und mein Meister hat mir strengstens verboten, mich unter Wert zu verkaufen. Das würde nämlich meinem Ruf schaden. Und du kennst diesen Ruf ja offenbar sehr gut, also wirst du mich verstehen!“
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