Luca Mercedes
Roman
© dead soft verlag, Mettingen 2021
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Cover: Irene Repp
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1. Auflage
ISBN 978-3-96089-464-3
ISBN 978-3-96089-465-0 (epub)
Christopher Ezkiel gehört zu den Sanctiniern, die aufgrund ihrer Religion nicht an die Existenz der Unterwelt mit Dämonen, Hexen und Formwandlern glauben. Doch nach einem blutigen Massaker auf dem Hof seiner Eltern wird er genau von diesen Wesen entführt, um auf einer der schmutzigsten Auktionen der Dunkelwelt versteigert zu werden.
So landet er als Lustknabe bei Ash Phalidos, einem Halbdämon mit schwieriger Vergangenheit. Denn auf dem gut aussehenden mysteriösen Gestaltwandler liegt ein Fluch und der verbietet ihm, sich zu verlieben. Leider ist auch ein Halbdämon wie Ash gegen Gefühle machtlos …
„Beute: Christopher“
Christopher Ezkiels Atem ging angestrengt und flach.
Er bemühte sich vergeblich, den feuchtwarmen Dunst, der ihn wie eine Art dicke Nebeldecke umgab, nicht allzu tief in seine Lungen zu inhalieren, da er befürchtete, sich ansonsten gleich ein weiteres Mal zu erbrechen. Es roch an diesem Ort einfach zu widerwärtig, als dass er es hätte in passende Worte fassen können. Eine derart ekelerregende und Brechreiz auslösende Geruchs-Mischung aus Fäkalien, stinkenden Abwässern, wie er es nur aus den Armenvierteln größerer Städte kannte, gepaart mit einem guten Schuss Verwesung in unerträglich hitzig verbrauchter Luft reichte als korrekte Beschreibung nicht einmal annähernd aus für den Gestank, dem seine Nase hier ausgesetzt war. Er spürte erneut, wie sein Magen angesichts dieser Umstände zu rebellieren begann. Er krampfte heftig, doch Christopher riss sich mit übermenschlicher Kraft zusammen, um sich nicht auch noch selbst vollzukotzen. Ihm war bewusst, dass das seine ohnehin unangenehme Situation gerade nicht besser machen würde, wenn er auch noch nach eigenem Erbrochenem roch. Er hob seinen Kopf an und hechelte flach und oberflächlich den starken Brechreiz weg, so weit es ihm auf diese Weise möglich war. Er musste noch ein paarmal würgen, doch dann spürte er erleichtert, wie die stärkste Welle des Unwohlseins ein wenig abflaute. Er schluckte umständlich und hatte dabei das unangenehme Gefühl, den widerwärtigen Geruch dieses Ortes direkt auf seiner Zungenspitze schmecken zu können. Als hätte sein Körper den Gestank bereits mit jeder einzelnen Pore wie ein Schwamm in sich aufgesogen und wenn er nur lange genug hier verweilte, würde er letztendlich von innen und außen nur so durchtränkt sein von jener bestialisch riechenden Luft, die ihm den Atem nahm. Er schloss seine Augen und schickte ein stummes Gebet in die Finsternis, die ihn hier umgab. Er war sich zwar nicht mehr sicher, ob es überhaupt noch irgendeinen Sinn machte, einen Gott anzubeten, der all das zugelassen hatte, was ihm und seiner Familie in dieser kürzlich zurückliegenden Zeit widerfahren war. Doch sein Glaube war alles, was ihm geblieben war.
Christopher kauerte auf dem feuchten Lehmboden voller Dreck und Exkrementen, an eine raue Steinwand gelehnt und versuchte, in der Dunkelheit dieses Lochs, in das man ihn geworfen hatte, irgendetwas zu erkennen, was ihm in seiner Not hätte weiterhelfen können. Seine Arme waren jedoch so fest hinter dem Rücken gefesselt, dass es unmöglich schien, die Stricke auch nur ein klitzekleines Stück auseinander zu zerren, um sie wenigstens ein bisschen zu lockern. So sehr er sich auch anstrengte, es war vergeblich. Er war zur Unbeweglichkeit gezwungen, zumindest was den oberen Teil seines Körpers anging. Lediglich seine Beine und Füße konnte er benutzen. Es stellte sich dabei nur die Frage, wofür. Denn hier drinnen war es nicht nur stockdunkel, sondern zu allem Übel auch noch klaustrophobisch eng und ein aufrechtes Stehen war absolut nicht möglich. Zumindest nicht mit einer normalen Körpergröße. Wenn man ein Zwerg war, ja, dann vielleicht. Aber nicht, wenn man wie Christopher ein hochgewachsener junger Mann von athletischer Statur war. Das hatte er bereits schmerzhaft erfahren müssen, als man ihn vor einer gefühlten Ewigkeit in dieses abartige Verlies aus Schlamm und Unrat gestoßen hatte und er sich in der Düsternis verzweifelt zu orientieren versuchte. Dabei hatte er sich seinen Schädel an der niedrigen Decke so hart angeschlagen, dass er noch immer unter heftigsten Kopfschmerzen litt. Und so hatte er keine Ahnung, wo genau er sich befand und zu welchem Zweck.
Er wusste nur, dass die Menschen, die ihm jemals etwas bedeutet hatten, tot waren. Und dass er noch lebte. Doch was das Schlimmste war, er trug eine große Mitschuld daran, dass sie tot waren. Denn er hatte es nicht verhindern können. Er war nicht kräftig genug gewesen. Er hatte es versucht, sicher. Doch gegen die seltsamen Geschöpfe, die in das Haus seiner Eltern eingedrungen waren, hatte er nicht die geringste Chance gehabt.
Das war nun auch eines der Dinge, über die er nach all dem Grauen, was ihm bis jetzt widerfahren war, endgültige Gewissheit hatte. Dass es sie wirklich gab. Hexen. Kobolde. Formwandler. Seltsame Kreaturen, die er nicht mal namentlich benennen konnte.
All die Erzählungen der Leute, egal ob diese nun aus den eher kleinen Dörfern oder größeren Städten seines Heimatlandes Pranando entstammten, und die vielen abenteuerlich klingenden Geschichten der Wanderer samt den düsteren Legenden der Ältesten stimmten also tatsächlich. Waren nicht gelogen. Diese Menschen mochten vielleicht doch keine hinterwäldlerischen Heiden sein, die lediglich ihre Gruselgeschichten erzählen und damit Angst und Schrecken verbreiten wollten, wie seine streng gläubige Mutter ihnen so oft unterstellt hatte. Und nicht nur seine Mutter. Seine gesamte Familie hatte die warnenden Worte all derer, die sich ein ums andere Mal auf ihren idyllischen, aber weit abgelegenen Hof am äußersten Rand des Dunkelwaldes verirrt hatten, stets als Unfug abgetan. Unwahre Legenden. Wie konnte es schließlich an einem so wunderschönen Ort, wie ihrem Zuhause, an dem gottesfürchtige Menschen ein gottesfürchtiges Leben führten, von irgendwelchen angeblichen Dunkelwesen wimmeln? Zudem glaubten sie als praktizierende Sanctinier partout nicht an die Existenz dieser Teufelsscharen, die angeblich ihren so überaus fruchtbaren Wald bevölkern sollten. Im Gegenteil. Sie predigten für das Seelenheil all jener Ungläubigen, die sich ihren falschen Vorstellungen und gottlosen Fantasien über Dämonen und Hexen hingaben.
Seine Eltern hatten sich geirrt. Sie alle hatten sich geirrt.
Es gab diese Wesen.
Und sie hatten seinen Vater, seine Mutter, seine Großeltern, die Magd, den Knecht und dessen Frau ermordet. Selbst das Vieh wurde nicht von ihnen verschont an jenem furchtbaren Tag. Und von ihrem kleinen Bauernhaus war jetzt vermutlich nur noch Schutt und Asche übrig.
Christopher stiegen Tränen in die Augen, als sich seinem Unterbewusstsein wieder die Bilder des Massakers aufdrängten, doch er konnte nicht weinen. Er war noch immer viel zu entsetzt und traumatisiert von all dem Geschehenen, dass er es nicht vermochte, in diesem Augenblick Tränen der Verzweiflung über all das Grauen hervorzubringen. Er erinnerte sich an die letzten Momente in seinem Zuhause, bevor dort die Hölle losbrach. Und die einst friedliche Welt ihres einfachen Daseins in einem blutigen Gemetzel endete. Christopher und seine Mutter waren alleine gewesen, als die Eichentür ihres Bauernhauses mit einem lauten Krachen aufgestoßen wurde und zwei Dunkelwesen in die einfache Stube stürmten.
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