„Bei meiner schwarzen Seele … ich kann wirklich nicht zetern. Was ich sehe, gefällt selbst meinen alten, schwächlichen Augen sehr!“
Sie grinste lüstern und Christopher wich ihrem begehrlichen Blick aus, der immer wieder an jenen empfindsamen Teil seines Körpers zurückkehrte, der es ihr anscheinend besonders angetan hatte. Er war mehr als nur angewidert und hätte er gekonnt, wie er wollte, so wäre er auf der Stelle von hier verschwunden. Doch das war unmöglich und so konnte er nur hoffen, dass Mera nicht auch noch auf die Idee kam, ihn dort anzufassen.
„Für diesen Jüngling aus der Menschenwelt kriege ich jeden nur erdenklichen Preis, den ich nennen will! Das wird einer meiner besten Verkäufe werden. Er ist nicht nur schön wie ein Gemälde und dazu auch noch jung und kräftig, sondern so gut wie unversehrt und offensichtlich noch vollkommen unschuldig! Du hättest mir keinen Besseren einfangen können, Hogard!“
Sie leckte sich genüsslich über die eingefallenen Mundwinkel und rümpfte im nächsten Moment die Nase.
„Aber wenn wir ihn weiterhin in diesem elendigen Loch lassen, wird ihn trotzdem niemand kaufen wollen, weil er bestialisch stinken wird. Also, los, Hogard, bring ihn hoch zu den anderen und sorge dafür, dass man ihn ein wenig herrichtet. Morgen soll doch schließlich sein großer Tag werden!“
Dann schnalzte sie wieder mit der Zunge und machte anschließend den Weg frei für den Oger, der Christopher sofort danach unsanft Richtung Ausgang schubste, während er ihn dabei an seinen Fesseln festhielt. Selbst wenn er es auch nur versucht hätte, Christopher hätte gegen die ungeheure Kraft dieses Muskelprotzes nicht die geringste Chance gehabt und so ließ er sich widerstandslos von diesem auf den Weg heraus aus diesem stinkenden Verlies dirigieren. Immer weiter dem Licht entgegen, bis sie aus dem großen Erdloch heraus stiegen, in welchem er sich zuvor so unerträglich lange Zeit hatte aufhalten müssen. Als er oben angekommen war und die warmen Sonnenstrahlen des helllichten Tages sein Gesicht berührten, musste er für einen kurzen Moment die Augen schließen und die würzig frische Brise tief in seine Lungen saugen. So dankbar war er über jene angenehme, nach Wald duftende Luft. Als er seine Lider wieder öffnete, brach ihm allerdings erneut purer Angstschweiß aus. Denn etwas derartig Verstörendes, wie jene Szenerie, die sich ihm nun offenbarte, hatte er noch nie zuvor gesehen …
„Ein menschliches „Souvenir“: Ravanna“
„Verflucht noch mal, kommst du jetzt endlich mit, du vermaledeiter, ungezogener, müffelnder und alles voll haarender Dämon von einem Hund … Hund von einem Dämon … Dämonenhund … oder wie auch immer Ash deinesgleichen getauft hat … oder willst du vielleicht, dass ich dich bei deinem schwachsinnigen Namen nenne?“
Ravanna zog verzweifelt an dem langen Fell des tiefschwarzen Hundedämons und versuchte auf diese Weise, die Kreatur zum Aufstehen zu bewegen. Doch der große, dunkeläugige Dämon in Hundegestalt war von den Anstrengungen der Hexe alles andere als beeindruckt. Er saß schwerfällig auf dem Waldboden, vor sich ein übergroßer Homunkulus Knochen, den er seit einigen Tagen sein eigen nannte und dementsprechend aufmerksam hütete. Jedes Mal, wenn Ravanna versuchte, ihm den Knochen wegzunehmen, legte er ohne jede Hast eine seiner großen, schweren Tatzen darauf und blickte die zierliche Hexe aus fast schon treu wirkenden Augen an. Doch das täuschte. Sobald sie versuchte, den vermeintlichen Leckerbissen flugs wegzuziehen, gab er Ravanna einen leichtfüßigen Schubs und sie fiel immer wieder hintenüber. Auch wenn Ravanna als eine mehr oder minder angesehene Hexe über die ein oder andere Zauberkraft verfügen mochte, eine gewisse körperliche Stärke dem Hundedämon gegenüber fehlte ihr dann leider doch. Dabei war sie alles andere als ein hilfloses Geschöpf in den Wäldern ihrer ursprünglichen Heimat, dem Sukkura Forest. Im Gegenteil. Es hatte Zeiten gegeben, da war sie fast so gefürchtet gewesen wie … wie … ja, wie eine Hexe eben gefürchtet sein konnte, die über alle wichtigen Attribute dieser dunklen Spezies verfügte. Basta.
Auf jeden Fall war sie eine dieser Hexen, die in der Blüte ihrer, natürlich erst kürzlich verlorenen, „Jugend“ so ungefähr alles ausprobiert und mitgenommen hatte, was die Unterwelt herzugeben vermochte. Und die letztendlich für sich resümiert hatte, dass wahlloses Töten, ständiges Unheil stiften und für Angst und Schrecken zu sorgen nicht zu ihrer dauerhaften Lebensgestaltung gehören sollten. Nicht, dass sie ein Unschuldsengel geworden wäre. Sicher nicht. Doch als gebürtige Halbhexe wohnte ihr auch eine gewisse Menschlichkeit inne, die sich auf Dauer nicht unterdrücken lassen wollte.
„Dir ist hoffentlich schon klar, dass das da absoluter Müll ist, den du zwischen deinen Pranken wie einen heiligen Schatz bewachst, oder?“
Sie versuchte noch einmal mit aller Kraft, dem Hundedämon den Knochen zwischen den Tatzen wegzuziehen, doch alles Bemühen in diese Richtung blieb erfolglos und so gab sie letztendlich entnervt auf und sank, ein wenig von der Anstrengung außer Atem, neben ihrem Begleiter und Gefährten in Gestalt eines übergroßen Hundes auf dem weichen Waldboden nieder.
Dann versuchte sie es mit Diplomatie.
„Wenn du dieses ekelhafte Ding endlich loslässt und dich dazu entschließt, mit mir den Rückweg anzutreten“, säuselte sie zunächst noch zuckersüß, „sind wir umso schneller wieder bei den anderen und du siehst auch deine geliebte Freundin wieder. Nicht, dass sie sich in der Zwischenzeit einen anderen aus dem Rudel gesucht hat. Das wäre doch wirklich zu schade.“
Sie sah den schwarzen Hundedämon an und lächelte. Doch seine Antwort war ein seliges Nagen und Schlecken an dem großen Knochen, während er sie dabei kaum noch beachtete.
Ravanna schwoll nun innerlich vollends der Kamm, doch sie sprach immer noch mit gedämpfter Stimme, während sie ihren Ärger unterdrückte. Eine gewisse Portion an Ironie konnte sie sich allerdings dann doch nicht verkneifen:
„Tja, na gut. Du musst es ja wissen. Deine Entscheidung.“
Dann änderte sich Ravannas Tonfall gänzlich und sie spähte verächtlich auf den schwarzhaarigen Vierbeiner.
„Ein hässlicher Kerl wie du wird zwar vermutlich nie wieder eine Gefährtin finden, die sich seiner annimmt. Vor allem nicht, wenn er sich zu allem Übel auch noch von einem ordinären Homunkulus Knochen täuschen lässt und diesen behandelt, als wäre er der Heilige Gral höchstpersönlich … aber das ist ja auch allein deine Sache, alter Freund.“
Dann tat sie so, als würde sie sich ihre Schlafstelle für die Nacht zurechtmachen wollen, während die dunkelbraunen Augen des Hundedämons einen kurzen Moment glutrot aufleuchteten. Ravanna presste ihre Lippen aufeinander, innerlich befriedigt, und nickte ihm dann zu.
„Ja, mein Freund, du hast ganz recht gehört. Ein Ho-mun-ku-lus Knochen!“
Betonte sie süffisant ihre beiden letzten Worte und drehte sich dann, ohne ein hämisches Lächeln zu verbergen, zur Seite.
„Ich wünsche dir aber weiterhin guten Appetit damit, mein Lieber!“
Dann tat sie so, als wolle sie sich tatsächlich schlafen legen, als sie im nächsten Augenblick auch schon die würgenden und ächzenden Laute ihres dämonischen Gefährten vernahm. Ruhig und voll heimlicher Schadenfreude, wartete sie nun nur noch geduldig auf das altbekannte Signal des Hundedämons zum allabendlichen Aufbruch. Er stieß sie mit seiner harten Schnauze an und Ravanna tat so, als blickte sie wie erstaunt in seine Richtung. Dann grinste sie in sein enttäuschtes Antlitz und strich ihm fast schon mitfühlend über die Flanke:
„Nun mach nicht so ein Gesicht, alter Freund! Wir finden schon einen richtigen Leckerbissen für dich, versprochen! Aber wir dürfen dabei nicht außer Acht lassen, warum wir überhaupt unterwegs sind. Und das ist sicher nicht deshalb, weil wir dir einen verfluchten Knochen suchen! Hast du verstanden?“
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