»Das letzte Mal, als wir telefoniert haben, waren sie gerade für die Firma meines Vaters in Großbritannien unterwegs und wollten sich mit meiner Halbschwester Amanda treffen. Sie lebt in London.« Noah hatte Amanda zuletzt vor ein paar Jahren zu Weihnachten gesehen. Sie war dreiunddreißig – fünf Jahre älter als er – und mit einem Museumskurator verheiratet. Sein Dad liebte es, mit seiner Tochter aus erster und kurzer Ehe anzugeben. Obwohl er sich von Amandas Mutter hatte scheiden lassen, waren ihre Familien dennoch stets eng verbunden geblieben. »Außerdem vermieten meine Eltern ihr Haus in Cherry Grove praktisch den ganzen Sommer lang.« Die Gäste zahlten ein Vermögen, um die Sommermonate dort zu verbringen.
»Vielleicht sollte ich dankbar sein, dass ich sie nicht kennenlernen muss?«, fragte Will mit hochgezogener Augenbraue.
»Ha! Das ist mal sicher.«
Will zwinkerte. Das sorgte dafür, dass Noahs Stimmung sich kurzzeitig hob. Ganz so, als ob dieses Wochenende wirklich so verlaufen könnte, wie er es sich vorgestellt hatte. Wenigstens steckten sie zusammen in dieser Geschichte und war das nicht genau das, was er sich gewünscht hatte? Jemanden, mit dem er Zeit verbringen konnte, wenn auch nur für kurze Dauer?
»Übrigens, du siehst gut aus«, sagte Will ernst. »Und für deine Haare würde ich definitiv töten.«
Noah strich sich abwesend eine Strähne hinters Ohr, die immer wieder vom Wind zerzaust wurde. Sein Haar war von Natur aus lockig und wenn sie ein bisschen länger waren, fühlten sie sich immer wie ein Schild an, der ihn vor der Außenwelt schützte. »Danke. Ähm, bist du schon im Escort–Modus?«
»Weil ich gesagt habe, dass ich deine Haare mag?« Will schnaubte. »Schätze, du musst lernen, wie man Komplimente annimmt. Ich meine, du ziehst dich besser an als jeder, mit dem ich sonst Zeit verbringe, und irgendwie haben deine Augen eine Farbe, die ich noch nie gesehen habe. Und hier auf dem Wasser fällt das besonders auf.«
An diesem Punkt hätte Noah normalerweise das Gefühl gehabt, dass der Typ ziemlich dick aufträgt. Aber Will klang so aufrichtig, dass er es sich erlaubte, sich zu entspannen und seine Verteidigung ein wenig zu senken. Man hatte ihm schon früher Komplimente über seine Kleidung gemacht. Auch seine Augen waren ein oder zwei Mal erwähnt worden. Er wusste, dass sie eine ungewöhnliche blaugraue Schattierung aufwiesen. Aber in erster Linie zog er sich so an, um seine Narben zu verstecken. Daher fühlte es sich wirklich nett an, etwas anderes zu hören zu bekommen.
»Tja, danke«, murmelte er. Seine Wangen wurden warm.
»Sehr gern geschehen«, sagte Will mit einem ansteckenden Lächeln. Noah stellte fest, dass er zurückgrinste.
»So. Wer wird denn dieses Wochenende noch da sein?«, fragte Will nach einer Weile. Als er sich näher beugte, entschied Noah, dass er es mochte, wie dieser Mann roch – nach Seife, Sauberkeit und auch ein wenig nach Salzwasser, was wohl damit zu tun hatte, dass sie auf einer Fähre über den Atlantik schipperten.
Noah dachte einen Moment über die Frage nach. »Die übliche Mischung. Ein paar Jungs, die einfach gern feiern, und andere, die eher oberflächlich sind und sich einen Kerl fürs Wochenende suchen werden.«
»Und du machst so was nie?«, fragte Will mit so tiefer Stimme, dass Noah schauderte.
»Ich…« Noah schüttelte kurz den Kopf, als das elende Gefühl aus seiner Magenkuhle aufstieg, das ihn auf so vielen dieser verfluchten Partys begleitet hatte. »Es ist wie beim Sport, wenn man als Letzter ausgesucht wird, weißt du? Und nach einer Weile will man nicht mehr derjenige sein, der immer erst infrage kommt, wenn die erste Runde Sex schon durch ist.«
Will stieß ihn mit der Schulter an. »Danke, dass du dich meinen Fragen stellst. Es hilft mir, meine Arbeit besser zu erledigen.«
Noah erstarrte und wünschte beinahe, er würde nicht immer wieder daran erinnert werden, dass Will nur hier war, weil er ihn dafür bezahlt hatte.
Will spürte sofort, dass seine Stimmung sich verändert hatte. »Ich verspreche dir, dass ich auch als Freund für dich da sein werde. Ich meine, nun, da ich dich ein bisschen besser kennengelernt habe. Ich hoffe, du glaubst mir.«
Noah nickte und zwang sich zu einem breiten Lächeln. »Ich möchte mich einfach nur wohl in meiner Haut fühlen und eine schöne Zeit verbringen. Glaubst du, das kriegen wir hin?«
Ihre Blicke trafen sich für einen langen Moment. »Definitiv.«
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