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Abb. 5: Biopsychosoziales Modell zur Entstehung von Aufmerksamkeitsstörungen (nach Döpfner et al. 2000)
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Evolutionspsychologische Theorien zur ADHS
Mit seinem Buch „Eine andere Art die Welt zu sehen“ (2006) lieferte der amerikanische Autor Thom Hartmann eine neue Sichtweise auf ADHS: ADHS-Betroffene werden von Hartmann als „Jäger“ und Nicht-ADHS-Betroffene als „Bauern “ bezeichnet, deren genetische Wurzeln bis in die Steinzeit zurückreichen und die beide jeweils überlebenswichtige Fähigkeiten und Funktionen für die frühen Gesellschaften hatten. Diese Theorie wird kontrovers diskutiert, bietet aber eine reizvolle Erklärung für die Häufigkeit des → klinischen und nicht-klinischen Phänomens ADHS in der Bevölkerung.
Zudem bietet Hartmann eine angenehm positive Sichtweise auf die ADHS, indem er Störungsmerkmale der ADHS in Wesenszüge umformuliert. Diese Wesenszüge könnten, seiner Ansicht nach, durch natürliche Anpassung (also im Laufe der Evolution) entstanden sein. Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen:
• leichte Ablenkbarkeit = ständige Überwachung der Umgebung
• handeln, ohne die Konsequenzen zu bedenken = Bereitschaft und Fähigkeit, Risiken und Gefahren auf sich zu nehmen
• Probleme, die Anweisungen anderer zu befolgen = Unabhängigkeit
Hartmann geht davon aus, dass sich ADHS als Merkmal in der Bevölkerung wie eine Gauß’sche Glockenkurve „normalverteilt“. Das heißt: Sehr wenige Menschen zeigen eine sehr starke bzw. sehr geringe Ausprägung von ADHS, während die meisten eine mittlere Ausprägung aufweisen.
Allergische Reaktionen als Ursache für ADHS
Seit den 1970er Jahren stehen bestimmte Stoffe bzw. Zusätze in der Ernährung (z.B. Farbstoffe, Phosphate, Zucker, Milch, Eier) im Verdacht, ADHS-typisches Verhalten auszulösen. Kontrollierte, empirische Studien konnten diesen Verdacht nicht bestätigen. Für die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen mit ADHS scheint also die Art und Weise der Ernährung keine Ursache für ADHS darzustellen. Einzelfallberichte legen jedoch nahe, dass es für manche der betroffenen Kinder bei einer Ernährungsumstellung zu Symptomveränderungen und -verbesserungen kommen kann. Es wurde herausgefunden, dass diese Befunde 25am deutlichsten bei jüngeren (Vorschul-)Kindern sind, die zusätzlich unter weiteren Allergien (z. B. Allergien auf Nahrungsmittel, Heuschnupfen) leiden. Somit scheint es in der Praxis ratsam, zu überprüfen, ob ein ADHS-Kind unter (Nahrungsmittel-)Allergien leidet.
Weitere Ursachen
Weitere korrelative Zusammenhänge finden sich zwischen mütterlichem Rauchen und Alkoholkonsum während der Schwangerschaft und späterer ADHS des Kindes. Ein Großteil entsprechender Studien zur Feststellung der Ursachen von ADHS ist jedoch rein korrelational, d.h., kausale Schlussfolgerungen können nur bedingt gezogen werden. So könnte es beispielsweise sein, dass ein übergeordneter dritter Faktor (z.B. der sozioökonomische Status) sowohl zu vermehrtem Rauchen während der Schwangerschaft als auch zu ADHS führt.
Weitere Zusammenhänge fanden sich zwischen einem niedrigen Geburtsgewicht und ADHS. Aber auch hier könnte argumentiert werden, dass z. B. mütterliches Rauchen während der Schwangerschaft sowohl zu einem niedrigen Geburtsgewicht als auch zu einer ADHS beim Kind führt. Werden alle Faktoren (Alkohol, Rauchen, Drogen, sozioökonomischer Status) berücksichtigt, zeigt sich, dass ein niedriges Geburtsgewicht nur bei sehr wenigen ADHS-Patienten als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer ADHS in Frage kommt (Mick et al. 2002). Fraglich bleibt weiterhin, ob die betroffenen Kinder nicht bereits im Mutterleib eine vermehrte Hyperaktivität zeigen und deshalb in der Folge ein geringeres Geburtsgewicht aufweisen als andere Kinder.
Literatur
Nigg, J.T. (2006): What causes ADHD?: Understanding what goes wrong and why.
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