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„Pädagogik“
„Pädagogik“ bezeichnet die Lehre, Theorie und die Wissenschaft von der Erziehung und Bildung der Kinder und der Erwachsenen in unterschiedlichen pädagogischen Feldern wie Familie, Kindergarten, Schule, Freizeit und Beruf.
Pädagogik hat sich ursprünglich auf das Kind (von griechisch pais agein, wörtich: Führung des Knaben bzw. Kindes vom Haus zur Übungsstätte) beschränkt. Seit dem Vordringen der Pädagogik in viele Bereiche der Gesellschaft wurde sie auf die Erwachsenen ausgedehnt (dort auch als Andragogik oder Geragogik bezeichnet).
Der Terminus „Pädagogik“ wird umgangssprachlich synonym mit „Erziehungswissenschaft“ verwendet. Die Einführung und Durchsetzung von „Erziehungswissenschaft“ war mit der Intention verknüpft, den Übergang einer vorwiegend geisteswissenschaftlich ausgerichteten „Pädagogik“ zu einer erfahrungswissenschaftlichen (empirisch-analytischen) und damit – so die Absicht der Vertreter dieser Richtung – zu einer exakteren Disziplin werden zu lassen.
Sonderpädagogik Heilpädagogik Behindertenpädagogik, Inklusive Pädagogik u. a.
„Sonderpädagogik“ (auch als Behindertenpädagogik, Förderpädagogik, Heilpädagogik, Rehabilitationspädagogik und ferner als Rehabilitation, Normalisierung, Integration und zunehmend als inklusive Pädagogik bezeichnet) ist die Theorie und Praxis sowie Wissenschaft einer speziellen Pädagogik.
Der älteste Begriff ist „Heilpädagogik“. Orientiert am allgemeinpädagogischen Gedanken einer „heilenden Erziehung“, entwickelte sie sich spätestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Disziplin, wenn der Begriff „Heilpädagogik“ auch erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auftauchte.
Die genannten Bezeichnungen werden oft synonym verwendet. Dennoch muss angemerkt werden, dass Abweichungen in den Grundintentionen zu erkennen sind. So setzt beispielsweise die Heilpädagogik ihren Akzent auf das sinnerfüllte Leben der Betroffenen, die Sonderpädagogik stellt die spezifischen Aufgaben der betreuenden Institutionen in den Mittelpunkt und die Behindertenpädagogik reflektiert die sozialpsychologische und gesellschaftstheoretische Entstehung und Funktion von Behinderung. Gemeinsam benennen sie jedoch den Tatbestand des pädagogischen Bemühens, Menschen mit Behinderungen bei ihrem Hineinwachsen und Leben in der Gesellschaft zu unterstützen.
Direkt durchgesetzt hat sich keine der Bezeichnungen, wenn auch Sonderpädagogik seit den 1960er Jahren die am häufigsten benutzte war. In dieser Zeit etablierte sich auf der Basis des Gutachtens des Schulausschusses der KMK zur Ordnung des Sonderschulwesens ein differenziertes Sondersystem für alle Behinderungsarten (vgl. Gutachten zur Ordnung des Schulwesens 1960). Während sich damals die Sicht vorzugsweise auf die (Sonder-)Schule richtete und die Sonderpädagogik vorzugsweise eine (Sonder-)Schulpädagogik war, haben sich die Aufgaben dieser „speziellen Pädagogik“ und die Anforderungen an sie mehr und mehr erweitert und damit auch ihre Aufgabenfelder. Sie umfasst heute bewusst alle Altersstufen und Lebensbereiche.
Gegenwärtig orientiert man sich verstärkt an Begriffen wie Prävention, Inklusion und Rehabilitation oder auch inklusive Pädagogik (vereinzelt Inklusionspädagogik), u. a. auch deshalb, weil man sich vom Gedanken einer „Sonder“- beschulung mehr und mehr gelöst hat und die Inklusion des Kindes und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Einrichtungen in den Vordergrund stellt.
Inklusive Pädagogik
Biewer (2017, 204) definiert Inklusive Pädagogik als
„Theorien zur Bildung, Erziehung und Entwicklung, die Etikettierung und Klassifizierungen ablehnen, ihren Ausgang von den Rechten vulnerabler und marginalisierter Menschen nehmen, für deren Partizipation in allen Lebensbereichen plädieren und auf eine strukturelle Veränderung der regulären Institutionen zielen, um der Verschiedenheit der Voraussetzungen und Bedürfnisse aller Nutzer / innen gerecht zu werden“.
Nachfolgend wird zunächst noch mit dem Begriff „Sonderpädagogik“ weitergearbeitet, da mit ihm gegenwärtig noch die größte Allgemeinverständlichkeit gewährleistet ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass – wie schon wiederholt in der Geschichte der Pädagogik, die sich mit Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf befasst – es zu begrifflichen Neuerungen kommt. Sonderpädagogik wird, so von Stechow 2016, klassisch als „Pädagogik für besondere Schulen“ gesehen. Das traf jedoch für die Hörgeschädigtenpädagogik niemals zu. Sie hat sich seit ihren Anfängen stets für „über die Lebensspanne“ zuständig gefühlt und weicht damit von ihrem Grundverständnis von der Mehrheit der anderen sonderpädagogischen Fachrichtungen ab ( Kap. 15).
Abbildung 1stellt die einzelnen sonderpädagogischen Teildisziplinen in der Form vor, wie sie aktuell noch an den meisten sonderpädagogischen Ausbildungsstätten (i. S. einer „Fachrichtung“) – allerdings mit großen Unterschieden (s. Schwerpunktheft „Studium der Sonderpädagogik in Zeiten der Inklusion“ 2018) – gelehrt werden. Die Bezeichnung der Teildisziplinen (Fachrichtungen) stimmt nicht immer mit der Bezeichnung der Sonderschularten überein: So studiert man in Bayern das Lehramt für Sonderpädagogik mit der vertieft studierten Fachrichtung Geistigbehindertenpädagogik, arbeitet aber am Förderzentrum bzw. an der Förderschule, Förderschwerpunkt geistige Entwicklung oder ist für Schüler mit Förderbedarf geistige Entwicklung in inklusiven Settings tätig, ebenso wie man das Lehramt für Sonderpädagogik mit der vertieft studierten Fachrichtung Verhaltensgestörtenpädagogik studiert, der Schüler aber am Förderzentrum bzw. der Förderschule, Förderschwerpunkt soziale und emotionale Entwicklung, lernt oder in inklusiven Einrichtungen betreut wird.
Ausbildung der Hörgeschädigtenpädagogen Gehörlosen- oder Schwerhörigenpädagogik bzw. Hörgeschädigtenpädagogik kann man an den Universitäten in Berlin (als Gebärdensprach- und Audiopädagogik), Hamburg (Pädagogik bei Beeinträchtigung des Hörens / Gebärdensprache), Köln (Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation) und München (Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik) sowie an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg (Hörgeschädigtenpädagogik) studieren. Mitunter sind Schwerpunktsetzungen für den schulischen Bereich (also einem Studium des Lehramts) oder dem vor-, neben- bzw. außer- oder nachschulischen Bereich möglich (z. B. in München und Köln). Des Weiteren studiert man in Berlin, Hamburg, Köln und Heidelberg zusätzlich eine weitere sonderpädagogische Fachrichtung (was eine gewisse Breite mit sich bringt), während man in München (noch) eine Fachrichtung (diese dafür vertieft) studiert, was wiederum zu einer höheren Spezialisierung führt.
Weitere sonderpädagogische Teildisziplinen Abbildung 1spiegelt nicht alle möglichen Teildisziplinen wider. So hat sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine Taubblindenpädagogik entwickelt, die sich Ende des 20. Jahrhunderts als Taubblinden-/Hörsehgeschädigtenpädagogik formierte. Einen eigenen Studiengang dafür gibt es in Deutschland nicht, allerdings ist ein Studienschwerpunkt Taubblindenpädagogik / Hörsehbehindertenpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg im Entstehen. In Einrichtungen für Taubblinde bzw. Hörsehgeschädigte tätige Lehrer studieren meist Gehörlosen- bzw. Schwerhörigen- oder Blinden- bzw. Sehgeschädigtenpädagogik oder beide Fachrichtungen, obwohl Taubblindheit bzw. Hörsehschädigung ein völlig eigenständiges Erscheinungsbild hat. Auch für eine Pädagogik bei Krankheit gibt es kein eigenständiges Studium.
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