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Abb. 7:
Grundprinzip des Destinationslebenszyklus (Quelle: eigene Darstellung nach BUTLER 1980)
1 ErkundungErkundung: In einer ersten Phase wird eine Region nur von einer geringen Zahl von Touristen besucht, die eine Art Pionierfunktion übernehmen und das Gebiet wegen bestimmter Anziehungspunkte aufsuchen. In dieser ersten Phase verfügt das Zielgebiet nur über eine unzureichende, lediglich gering ausgebildete touristische Infrastruktur.
2 ErschließungErschließung: In einer zweiten Phase werden (oftmals motiviert durch die bereits vorhandene Nachfrage) mit der systematischen Schaffung touristischer Infrastruktur die Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung verbessert.
3 EntwicklungEntwicklung: Vergleichbar einer Phase des Take Off, setzt nun eine boomartige Entwicklung ein, die auch von einem verstärkten Engagement externer Investoren gekennzeichnet sein kann. Dabei machen sich gelegentlich auch Anzeichen einer Übernutzung der Ressourcen bemerkbar.
4 KonsolidierungKonsolidierung: Geringer werdende Zuwachsraten, d. h. eine rückläufige Entwicklungsdynamik und wenig neue Impulse, kennzeichnen die Konsolidierung.
5 StagnationStagnation: Sind trotz kleinerer Oszillationen der Nachfrage keine generellen Zuwächse mehr zu verzeichnen, ist die Tourismusregion in die Phase der Stagnation eingetreten. Häufig treten ökologische und soziale Probleme der touristischen Inwertsetzung jetzt stärker in den Vordergrund.
6 ErneuerungErneuerung oder NiedergangNiedergang: Während die Phasen 1 bis 5 empirisch an einer Reihe von Fallbeispielen nachvollzogen werden können, ist bislang noch relativ unklar, welche weitere Entwicklung touristisch intensiv erschlossene Regionen nunmehr nehmen können. Abgesehen von der prinzipiell denkbaren Stagnation auf hohem Niveau, ist eine weitere mögliche Option die Annahme eines Niedergangs und damit des Endes eines Entwicklungszyklus. Als weiteres Szenario sind aber auch die Antizipation des Niedergangs und ein aktives Gegensteuern hin zu einer Erneuerung (Rejuvenation), d. h. dem Einstieg in einen neuen Produkt-Lebenszyklus ohne vorherigen Niedergang, denkbar.
Der wirtschaftliche Ertrag nimmt idealtypisch von Phase 1 bis 4 kontinuierlich zu und bleibt auch in der Phase der Stagnation und sogar des Niedergangs noch auf hohem Niveau. Angesichts einer zufriedenstellenden Ertragslage werden Diversifizierungsanstrengungen zur Einleitung einer Produkterneuerung oftmals erst sehr spät (möglicherweise zu spät) eingeleitet.
Das DestinationslebenszyklusmodellDestinationslebenszyklusmodell von BUTLER hat gleichzeitig auch die Überlegungen zur Tragfähigkeit von Destinationen befördert. Wenn die (natürlichen) Grundlagen bzw. die Tragfähigkeit einer Destination als Y-Achse gedacht werden, kann anhand dieser Überlegungen – um zu vermeiden, dass durch ein Überschreiten der Tragfähigkeitsgrenze bzw. eine Übernutzung der Ressourcen eine Degradation (= Niedergang) ausgelöst wird – auch die Entwicklung entsprechend gesteuert werden.
Gleichzeitig wird die Position eines Produkts oder einer Destination im Lebenszyklus auch als relevante Basis für die Stimulierung von Innovationen zum Antizipieren von Stagnation oder dem Relaunch als Analysemodell eingesetzt (vgl. hierzu auch das Portfoliomodell in Kap 3.2.2).
Abb. 8:
Entwicklung der Zahl der Multiplexkinos in Deutschland von 1990 bis 2005 (Quelle: eigene Darstellung nach FFA div. Jg.)
Fast idealtypisch dem LebenszyklusmodellLebenszyklusmodell folgt die Entwicklung der MultiplexkinosMultiplexkinos in den 1990er Jahren (vgl. Abb. 8). Nachdem 1990 vom amerikanischen Kinokonzern UCI in Hürth bei Köln das erste Multiplexkino Deutschlands eröffnet worden war, ist die zweite Hälfte der 1990er Jahre von einem regelrechten Boom gekennzeichnet, bei dem knapp 150 Multiplexkinos eröffnet worden sind. Bereits nach fünf Boomjahren ist allerdings seit 2000 eine deutliche Marktsättigung zu erkennen, sodass die Zahl der Multiplexe bis heute auf diesem Niveau stagniert (genauer bei FREITAG & KAGERMEIER 2002).
Grenzen des Modells des Destinationslebenszyklus liegen – wie am Beispiel der Multiplexkinos deutlich wird – darin, dass sich in der Anfangsphase weder die Höhe der, sich in der Reifephase einstellenden Nachfrage noch die Zeitspanne ableiten lassen. Ob ein Produkt in einer Destination nur einen kurzen touristischen Hype erfährt und dann nach kurzer Zeit wieder verschwindet, lässt sich mit diesem simplen Modell nicht prognostizieren. Hierzu sind differenzierte Ansätze, auch unter Einbeziehung von nachfrageseitigen Aspekten notwendig, wie sie im nächsten Abschnitt behandelt werden.
1.2.2.2 Nachfragebezogene Konzepte
Entsprechend dem Blickwinkel der Tourismusgeographie sowohl auf die Angebotsseite und deren räumliche Aspekte als auch die, mit den Angeboten im Wechselspiel stehende Nachfrageseite ist dieser Abschnitt einigen ausgewählten Konzepten und Ansätzen zur Analyse der Nachfrageseite gewidmet. Dabei werden behandelt
1 die Bedürfnispyramide nach MASLOW,
2 das Konzept der Lebensstile und
3 die Ansätze zur Erlebnisorientierung.
Die Bedürfnispyramide nach Maslow
Bedürfnispyramide nach MaslowAusgangspunkt des sozialpsychologischen Konzepts der Bedürfnispyramide von MASLOW (1943) ist, dass Bedürfnisse der Ausgangspunkt menschlichen Handelns sind. Dabei gibt es eine klare hierarchische Abfolge von (physiologischen) Grundbedürfnissen, Sicherheitsbedürfnissen, sozialen Bedürfnissen, Wertschätzungsbedürfnissen und Selbstverwirklichungsbedürfnisse (vgl. Abb. 9). Priorität haben die grundlegenden Bedürfnisse. Erst wenn die Subsistenz gesichert ist, wird versucht, höhere Bedürfnisse zu befriedigen.
Abb. 9:
Bedürfnispyramide nach MASLOW und Entsprechungen im Tourismus (Quelle: eigene Darstellung nach MASLOW 1943 & FREYER 2011a, S. 72)
Bei der Übertragung des Konzepts der Bedürfnispyramide auf den Tourismus ist es zwar prinzipiell möglich, auch Reisen zur Befriedigung von Grundbedürfnissen (z. B. Handelsreisen) oder zur Sicherstellung der Sicherheitsbedürfnisse (z. B. Kuraufenthalte zur Wiederherstellung bzw. Erhaltung der Arbeitskraft) anzusprechen. Größere Bedeutung erhält das Konzept aber bei den drei oberen Bedürfnisebenen. Grundprinzip von freizeittouristischen Aktivitäten ist, dass diese erst dann – sei es mit Blick auf die (ökonomische) Entwicklung der Gesellschaft oder der Situation eines Individuums – als Bedürfnisse realisiert werden, wenn die Grund- und Sicherheitsbedürfnisse befriedigt sind. Dabei können die drei oberen Stufen einerseits als Entwicklungspfad von gesellschaftlich verankerten Werten aber auch als individuelle Stufen verstanden werden. Das Reisen zum Pflegen von sozialen Kontakten (sei es zusammen mit anderen oder zum Besuch von Bezugspersonen) ist offensichtlich ein relevantes Reisemotiv. Da Reisen lange Zeit als Privileg von kleineren Gruppen galt und nur für einen – wenn auch im Zeitverlauf zunehmenden – Teil der Bevölkerung erschwinglich war, spielte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das über Reisen vermittelte Renommee oftmals eine Rolle bei der Auswahl von Reisezielen. Reisen in Destinationen mit einem hochwertigen Image als eine Form des demonstrativen Konsums, der dann in der Folge – sei es über den Versand von Postkarten oder das Zeigen von Urlaubsdias im Bekanntenkreis – auch entsprechend kommuniziert wurde, kann als Handeln zum Erlangen von Prestige oder Anerkennung interpretiert werden. Solche Verhaltensmuster spielen wohl auch heute noch eine Rolle beim Posten von Fotos auf Social-Media-Plattformen oder entsprechenden digitalen Reiseberichten.
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