Glykämischer Index (GI) und glykämische Last
Der GI gibt an, wie sich die Kurve des Blutzuckeranstiegs eines Lebensmittels im Vergleich zu einem Referenzlebensmittel verhält. Als Referenz dienen üblicherweise 50 g Kohlenhydrate in Form von Glukose oder Weißbrot (JENKINS et al., 2002). Je komplexer die aufgenommenen Kohlenhydrate sind, desto niedriger ist der glykämische Index. Der GI kann neben einzelnen Lebensmitteln auch für ganze Mahlzeiten oder die gesamte Ernährung angegeben werden (WILLETT et al. 2002). Die glykämische Last (GL) ist das Produkt aus dem GI und der Menge an Kohlenhydraten pro Portion oder pro 100 g und spiegelt letztendlich die gesamte glykämische Belastung einer Mahlzeit wider. Es fällt auf, dass auch Lebensmittel mit einem hohen glykämischen Index, wie zum Beispiel Karotten oder Wassermelonen, bei realistischen Verzehrmengen eine nur geringe glykämische Last aufweisen.
Tab. 2-4: Glykämischer Index und glykämische Last ausgewählter Nahrungsmittel (HAHN, STRÖHLE und WOLTERS 2006).
[34] Vorkommen: Ballaststoffe kommen nur in pflanzlichen Lebensmitteln vor und lassen sich in wasserlösliche und wasserunlösliche differenzieren.
Tab. 2-5: Nicht lösliche und lösliche Ballaststoffe und ihre Vorkommen in pflanzlichen Lebensmitteln (modifiziert nach ELMADFA und LEITZMANN 2015, S. 205; LEITZMANN et al. 2009, S. 40).
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Ballaststoffe |
Vorkommen |
nicht lösliche Ballaststoffe |
Zellulose, Hemizellulose, Lignin |
pflanzliche Zellwand |
lösliche Ballaststoffe |
Pektin, β-Glucan |
pflanzliche Zellwand z. B. in Apfel, Möhre, Quitte, Zitronenschale |
Carubin |
Johannisbrotkernmehl (Carob) |
Leinsamenschleim |
Leinsamen |
Flosine-Schleimpolysaccharide |
Flohsamen |
Guar (Guarkernmehl) |
Guarbohne |
Gummi arabicum |
Akazien |
Carrageen, Furcelleran, Agar |
Rotalgen |
Inulin/Oligofruktose |
Zichorien, Topinambur, Chicorée, Löwenzahn |
Alginate |
Braunalgen |
Versorgung bei Veganern: Mit einer veganen Ernährungsweise werden durchschnittlich mehr als 50 % der aufgenommenen Energie über Kohlenhydrate zugeführt. In großen europäischen Kohortenstudien wurden Werte zwischen 51 und 58 Energieprozent ermittelt (APPLEBY et al. 1999; CLARYS et al. 2014; DAVEY et al. 2003; WALDMANN et al. 2003), während die Adventisten aus den USA und Kanada mit 62 % auch bei den Kohlenhydraten einen höheren Wert erreichten (RIZZO et al. 2013). Neben dem Kohlenhydratanteil ist insbesondere auch die Qualität der Kohlenhydrate von ernährungsphysiologischer Bedeutung. Eine wünschenswerte Ballaststoffzufuhr von mindestens 30 g/Tag wird durch eine vegane Ernährung üblicherweise deutlich überschritten. Ballaststoffe wirken protektiv gegen diverse Erkrankungen und haben einen positiven Einfluss auf das Lipidprofil (vgl. Kap. 3). Je mehr Ballaststoffe aufgenommen werden, desto geringer ist z. B. das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dieser Zusammenhang wurde auch noch für Mengen > 60 g/Tag nachgewiesen (THREAPLETON et al. 2013).
Tab. 2-6: Durchschnittliche Ballaststoffaufnahme von Veganern.
[35] Schlussfolgerung: Der Kohlenhydratanteil einer veganen Ernährung entspricht typischerweise mit mehr als 50 Energieprozent der Empfehlung. Die Ballaststoffaufnahme liegt deutlich über der Empfehlung von mindestens 30g/Tag.
Fette und essenzielle Fettsäuren
Funktion: Nahrungsfette nehmen mit durchschnittlich 9,3 kcal/g eine wichtige Funktion bei der Energieversorgung ein. Darüber hinaus wirken Lipide als strukturelle Bausteine der Zellmembranen, als Metabolite und Mediatoren. Je nach chemischer Struktur lassen sie sich in gesättigte (Saturated Fatty Acids, SAFA), einfach ungesättigte (Mono Unsaturated Fatty Acids, MUFA) und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Poly Unsaturated Fatty Acids, PUFA) einteilen. Diese unterscheiden sich wiederum nach Anzahl und Lage ihrer Doppelbindungen.
Abb. 2-2: Gruppierungen verschiedener Fettsäuren.
[36] Abb. 2-3: Stoffwechselwege der Fettsäuren.
Während die meisten Fettsäuren durch Enzyme im menschlichen Körper synthetisiert werden können, sind die beiden Fettsäuren Linolsäure (LA) und α-Linolensäure (ALA) essenziell und müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Wie die Abb. 2-3 und 2-4 zeigen, dienen sie als Ausgangssubstanzen für die langkettigen Fettsäuren Arachidonsäure (AA; 20:4 ω-6), Docosahexaensäure (DHA; 22:6 ω-3) und Eicosapentaensäure (EPA; 20:5 ω-3). Da ihre Synthese von der Anwesenheit essenzieller Fettsäuren (ALA und LA) abhängig ist, werden sie als semi-essenzielle Fettsäuren bezeichnet. Die Umwandlungsrate von ALA zu EPA beträgt bei Erwachsenen mit einer Mischkost etwa 5 %, die von EPA weiter zu DHA < 0,5 % (WILLIAMS und BURDGE 2006).
Abb. 2-4: Konkurrenz der Fettsäurefamilien.
[37] Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren AA und EPA dienen als Vorstufen für Prostaglandine und Leukotriene (vgl. Abb. 2-3). Hierbei handelt es sich um Mediatoren, die an Entzündungsprozessen beteiligt sind. Während aus AA die proinflammatorischen Botenstoffe gebildet werden, entstehen aus EPA antiinflammatorische Eicosanoide, die unter anderem antithrombotisch wirken und den Blutfluss verbessern. Eine geringe Aufnahme und niedrige Plasmakonzentrationen an EPA und DHA sind verbunden mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf- und entzündliche Erkrankungen sowie neurologische Störungen und psychische Erkrankungen (MUSKIET et al. 2004).
Bedarf: Aufgrund der beschriebenen gesundheitlichen Vorteile von EPA und DHA sind erhöhte Plasmakonzentrationen wünschenswert. Die ohnehin schon limitierte Umwandlung der essenziellen ALA zu EPA und DHA wird durch erhöhte Konzentrationen von LA und Trans-Fettsäuren weiter reduziert, da die Fettsäuren um die zuständigen Enzymsysteme konkurrieren (BRENNA 2002). Daraus ergibt sich die Empfehlung, ω-6-Fettsäuren und ω-3-Fettsäuren in einem Verhältnis von maximal 5:1 aufzunehmen. Es gilt, dass eine geringere Aufnahme an LA mit einer erhöhten endogenen Bildung von EPA verbunden ist und eine höhere Zufuhr an ALA die Synthese von DHA begünstigt (SANDERS 2009a).
Richtwerte für die Fettzufuhr (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018):
Gesamtfettzufuhr: 30 Energieprozent. Personen (15 bis unter 51 Jahre) mit erhöhtem Energiebedarf (PAL > 1,7) können höhere Prozentsätze benötigen.
SAFA ≤ 10 Energieprozent
MUFA 7 – 10 Energieprozent
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