Ziel ist die semantische Elaboration der beiden Obstsorten „Zitrone“ und „Orange“ sowie der Tätigkeiten „schneiden“ und „auspressen“ über die konkrete Erfahrung. Hierzu hat der Therapeut je eine Zitrone, eine Orange sowie ein Messer und eine Saftpresse mitgebracht.
■ Therapeut: „Schau mal, was ich hier mitgebracht habe. Das ist eine Zitrone und das ist eine Orange. Kennst du die schon?“
■ Kind: „Nein.“
■ Therapeut: „Schau sie dir mal ganz genau an. Wie sehen die denn aus?“
■ Kind: „Die hier wie ein Ball (Orange) und die hier wie ein Ei (Zitrone).“
■ Therapeut: „Genau! Die Orange ist rund und die Zitrone hat eine Form wie ein Ei – sie ist oval. Fass doch mal an, wie die sich anfühlen!“
Der Therapeut gibt noch weitere Anregungen und Unterstützungen zur semantischen Elaboration der Obstsorten, z. B.: Wie riecht / schmeckt das?, Was kennst du, was so ähnlich ist?
■ Therapeut: „Und was können wir jetzt mit unserem Obst machen?“
■ Kind: „So durchmachen damit.“ (Zeigt auf das Messer.)
■ Therapeut: „Gute Idee, wir schneiden das Obst durch. Hast du schon einmal mit so einem Messer geschnitten? Dann kommen, wir schneiden zusammen!“
Gemeinsam schneiden sie das Obst durch und pressen es aus. Der Therapeut begleitet die Handlungen des Kindes sprachlich.
Vor allem jüngere Kinder sowie Kinder mit kognitiven Einschränkungen benötigen die konkrete Erfahrung mit den Dingen, um multisensorische Konzepte und damit facettenreiche Wortbedeutungen aufbauen zu können. Nachdem das Kind hinreichend konkrete Erfahrungen machen konnte, werden auf einer abstrakteren Stufe (Grohnfeldt 1993) semantische Merkmale versprachlicht, herausgearbeitet, ergänzt oder erweitert (Glück 2003; Kannengieser 2015). Wichtige semantische Merkmale können auf Symbolkarten visualisiert und den einzelnen Wörtern zugeordnet werden.
Ziel ist die Erarbeitung folgender semantischer Merkmale zu den Obstsorten „Zitrone, Orange, Apfel, Kirsche“:
■ „schmeckt süß“,
■ „schmeckt sauer“,
■ „hat eine Schale“,
■ „hat einen Kern“.
Gemeinsam wird überlegt, welche Eigenschaften die vier Obstsorten aufweisen. Zu jedem semantischen Merkmal wird eine Symbolkarte erstellt (z. B. die Abbildung eines Kerns für „hat einen Kern“, eine Person, die das Gesicht verzieht, für „schmeckt sauer“). In einem weiteren Schritt soll das Kind jeder Obstsorte die richtige Kombination von Merkmalskarten zuordnen.
Viele Kinder profitieren davon, wenn die erarbeiteten semantischen Merkmale schriftlich fixiert werden, z. B. in Form eines „Wörterbuchs“, in das Abbildungen von allen in der Therapie bearbeiteten Wörtern eingeklebt und mit ihren charakteristischen semantischen Merkmalen versehen werden. Bei Vorschulkindern kann dies anhand von Symbolen geschehen, bei Schulkindern werden die wichtigen Merkmale in Schriftform festgehalten.
semantische Unterschiede und Gemeinsamkeiten Semantische Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Kategorievertretern werden thematisiert. So wird dem Kind aufgezeigt, anhand welcher Kriterien Unterschiede und sich semantisch ähnliche Begriffe voneinander abgrenzen lassen.
Gemeinsamkeiten semantisches Sortieren und Kategorisieren Schließlich werden im Rahmen der semantischen Elaboration auch Übungen zum semantischen Sortieren und Kategorisieren durchgeführt. So können semantische Relationen zwischen den Wörtern verdeutlicht werden, die Organisation und Strukturierung des mentalen Lexikons wird unterstützt (Glück 2003; Kannengieser 2015).
Bei Sortierübungen sollte grundsätzlich beachtet werden, dass es oftmals nicht nur eine einzige Art des Sortierens gibt. So kann das rote Feuerwehrauto sowohl zum Spielzeug sortiert werden, als auch zu allen roten Dingen, zu allen Dingen aus Plastik oder zu allen Fahrzeugen. Entscheidend ist somit nicht in erster Linie das „richtige“ Sortieren, sondern die Erkenntnis des Kindes, dass Dinge aufgrund von unterschiedlichen Eigenschaften einander zugeordnet oder voneinander abgegrenzt werden können (Motsch et al. 2016).
Welches Material (Realgenstände, Spielgegenstände, Bildkarten) nach welchen Kriterien sortiert wird, hängt vom Entwicklungsstand des Kindes sowie den Zielen der Therapie ab.
Semantische Sortierübungen sind:
■ Realgegenstände nach Farbe / Form / Material etc. sortieren,
■ Spielgegenstände nach „Fahrzeugen“ und „Nahrungsmitteln“ sortieren und anschließend Oberbegriffe für die beiden Kategorien suchen sowie
■ Bildkarten nach Reptilien / Amphibien und Säugetieren sortieren.
Wichtige semantische Relationen zwischen Einträgen können thematisiert und visuell dargestellt werden. So kann bspw. die für Nomen typische Gliederung in Begriffshierarchien verdeutlicht werden, indem die daraus entstehende „Bäumchenstruktur“ mit Bild- oder Schriftkarten nachgelegt wird (Siegmüller / Kauschke 2006; Reber / Schönauer-Schneider 2014; Glück / Elsing 2014a).
phonologische Elaborationstherapie Die phonologische Elaborationstherapie zielt auf die Ausdifferenzierung und Vernetzung der Wortforminformationen (bzw. synonym: der phonologischen Repräsentationen oder Lexeme).
optimierte Präsentation der Zielwörter Um lexikalisch gestörten Kindern das Einspeichern der phonologischen Wortformen zu erleichtern, ist eine optimierte Präsentation der Zielwörter zentral. Im professionellen Sprachmodell des Therapeuten bzw. der Lehrkraft wird dies berücksichtigt, indem diese(r) mit einem leicht verlangsamten Sprechtempo spricht und das Zielwort mit einer kurzen Pause vor dem Wort und anschließender besonders deutlicher Artikulation prägnant aus dem Sprachstrom hervorhebt. Eine möglichst hochfrequente Präsentation des Zielwortes ermöglicht es dem lexikalisch gestörten Kind, eine erste lexikalische Repräsentation aufzubauen ( Kap. 2).
Aufmerksamkeit auf Lautstrukturen richten Vor allem auditiv sehr unaufmerksame Kinder benötigen Unterstützung, um sich von der Semantik eines Wortes zu lösen und sich seiner Klanggestalt zuzuwenden. Um die Kinder auf die Lautstrukturen von Wörtern aufmerksam zu machen, haben sich Übungen zur Identifikation eines Signalwortes in einer Wortreihe oder zur Wort / Nicht-Wort-Unterscheidung bewährt, wie sie von Siegmüller / Kauschke (2006) vorgeschlagen werden ( Kap. 4.3.1).
Durchgliederung von Wortformen Im Rahmen der eigentlichen phonologischen Elaboration werden unterschiedliche Übungen zur Durchgliederung von Wortformen durchgeführt. Bei der Konzeption von Übungen sollte der Entwicklungsstand der phonologischen Bewusstheit des Kindes berücksichtigt werden (Beitrag 5).
Übungsformate im Vorschulalter sind:
■ Reimentscheidungen treffen („Reimen sich Fisch und Tisch?“),
■ eigene Reime finden („Was reimt sich auf Fisch?“),
■ Wörter in Silben segmentieren und zu den Silben klatschen, klopfen, hüpfen etc. („Wie kannst du klatschen zu E-le-fant?“) und
■ Q „Schneckensprache“: Wort langsam und gedehnt sprechen.
Übungsformate im Schulalter sind:
■ Anlaute bestimmen („Was hörst du am Anfang bei Fisch?“),
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