Heli Ihlefeld - Ein unsichtbares Band, genannt Familie

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Ein Buch für alle, die versuchen über die Vergangenheit die Gegenwart zu verstehen und zu gestalten.
In ihrem neusten Buch setzt sich Heli Ihlefeld mit der Geschichte der eigenen Familie auseinander und setzt deren persönliche Erfahrungsberichte in den Kontext der von Umbrüchen geprägten Zeit des ersten und zweiten Weltkriegs in Deutschland.
Hierbei dienen die originalen Erfahrungsberichte des Großvaters und des Onkels als Quelle und werden durch einen fiktiven Dialog der Autorin mit ihren Verwandten in Verbindung gebracht.
Dieser Dialog zeigt die Zweifel, Ängste und Traumata, die die eigene Familiengeschichte mit sich bringt, die Fragen, die man sich nie zu stellen getraut hat oder einfach nicht dazu kam und auch die privaten Erinnerungen an Menschen, deren Leben für Aussenstehende in der Rückschau als Politikum verstanden wird.
So werden die historischen Erinnerungen der Angehörigen und die eigenen, zum Teil durch die Traumata einer Kindheit inmitten des 2. Weltkrieges lückenhaften Erinnerungen der Autorin selbst durch ihren Blick auf die Ereignisse mehr als 70 Jahre später und den Fragen, die diese Rückschau mit sich bringt durch ein Band verbunden.
Sie macht aus den schriftlichen Hinterlassenschaften der Verwandten ein zeitgeschichtliches Dokument, dessen Inhalt eindrucksvoll zeigt, wie das Leben in der Zeit bis 1945 durch politische Umschwünge, Krieg und wirtschaftliche Unsicherheiten und Katastrophen wie der Inflation geprägt war. Die Forderungen und Fragen der bis heute folgenden Generationen werden dabei nicht unterschlagen.

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Ein unsichtbares Band genannt Familie Ein DreiGenerationenDialog 1 - фото 1

Ein unsichtbares Band, genannt Familie.

Ein Drei-Generationen-Dialog

1. Auflage, erschienen 8-2021

Umschlaggestaltung: Romeon Verlag

Text: Heli Ihlefeld

Layout: Romeon Verlag

ISBN (E-Book): 978-3-96229-798-5

www.romeon-verlag.de

Copyright © Romeon Verlag, Jüchen

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der Übersetzung, sind vorbehalten. Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages darf das Werk, auch nicht Teile daraus, weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schadenersatz.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

EIN UNSICHTBARES BAND, GENANNT FAMILIE

Ein Drei-Generationen-Dialog

INHALT

Vorwort

Mein Großvater Otto Rüter

Der Beginn eines (scheinbar) geradlinigen Lebenswegs

Die Liebe oder die schöne Kunstläuferin

Zum ersten Mal „nicht tauglich“

Aufwärts geht’s

Der Erste Weltkrieg – alles wird anders

Onkel Hans und die Wieselbriefe

Stimmungsbericht aus der „Waffenschmiede“

Drei-Generationen-Dialog

Eine verlorene Kindheit

Ein unsichtbares Band, das man Familie nennt

Ein bewegtes Leben: Heli Ihlefeld

Für...

die fünf Enkel von Onkel Hans, Andreas, Annabelle, Hans-Martin, Franziska und Julia

meine beiden Brüder Andreas und Hermann und deren Kinder Henrik, Dodo und Moritz,

meine Kinder Katharina und Sebastian und meinen Enkel Antek

und für alle Kinder und Kindeskinder

VORWORT

„Die Wieselbriefe von Hans müssen veröffentlicht werden!“ Diese Worte meiner Mutter sind in meinem Gedächtnis haften geblieben. Als ich 60 Jahre später die auf hauchdünnem Durchschlagpapier getippten und nummerierten Briefe im Nachlass meiner Patentante Elli, zusammen mit 40 handgeschriebenen Seiten Lebenserinnerungen meines Großvaters fand, nahm ich den Auftrag an.

Mit diesem Fund wurde mir klar, was drei Generationen innerhalb kürzester Zeit an Schicksalsschlägen und Schrecken zugemutet worden war. Aus der dritten Generation stamme ich, ein Kriegskind, das seine Kindheit verloren hat.

Mein Großvater Otto Rüter, einfacher Handwerkerspross, durfte studieren, baute ein Stahlbauwerk in Hannover auf und Eisenbahnbrücken als Ingenieur in ganz Europa. Sein Lebenswerk ging durch den Ersten Weltkrieg für die Familie verloren. Sein ältester Sohn Hans, der Bruder meiner Mutter und mein Lieblingsonkel, machte den ganzen Russlandfeldzug bis zur Krim mit. Als Leiter einer Instandsetzungskompanie der Division, genannt „das Wiesel“. Seine 23 Briefe sind das Kernstück dieses Buches nummeriert von Onkel Hans wohl in dem Bewusstsein, dass sie durch die Zensur mussten. Er wollte wissen, ob sie alle ankamen. Und von 24 sind tatsächlich alle bis auf einen bei der Schwester meiner Mutter angekommen. Insgesamt hat er 14 Durchschläge verfassen können, die mit ein paar persönlichen handschriftlichen Bemerkungen ergänzt an die engste Familie und sehr gute Freunde geschickt worden sind. Was aus den übrigen geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

Hans Rüter ersparte ihnen nicht den unfassbaren Schrecken und die unfassbaren Grausamkeiten dieses verbrecherischen Krieges. Seine Liebe jedoch zu seiner Familie ist in diesen Briefen auch unübersehbar, wenn man sich in seinen trockenen, ironischen Stil eingelesen hat. Mir ist, als hätte er einen Auftrag verspürt, diesen unvergesslichen Krieg auf seine ganz besondere persönliche Art zu dokumentieren und der Nachwelt nahezubringen. Dass er die Zensur berücksichtigte, geht ebenfalls aus den Briefen hervor. Und er schaffte es. Beamte verstehen wohl keine Ironie.

Als ich ein junges Mädchen war, habe ich ihn wegen dieses trockenen Humors bewundert und geliebt. Und dieser hat auch auf mich abgefärbt ebenso übrigens, wie Opas Bedürfnis, seine Pflicht zu erfüllen. Die ganze Familie liebte auch Hans´ liebevollen Humor.

Onkel Hans war immer eine große Hilfe und Unterstützung für mich. Denn ich war ein einsames Kind und ein orientierungsloser junger Mensch.

Ich, Kind aus der dritten Generation, habe die Schrecken, die ich ebenso wie mein Bruder Andreas erleben musste, durch ein gütiges Trauma weitgehend vergessen dürfen. Nur ganz Weniges ist mir aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben. So muss ich heute sagen, dass ich meine Kindheit verloren habe.

Obwohl ich noch zur „Tätergeneration“ gehöre, frage ich mich nach wie vor: Bin ich Täter oder Opfer? Wer kann mir diese Frage beantworten? Ich gebe dem naziverfolgten Willy Brandt recht, wenn er in seinem Buch „Verbrecher und andere Deutsche“ im Vorwort schreibt: „Im Übrigen habe ich versucht, die Beseitigung der Ruinen - jener auf den Straßen und jener in den Hirnen - zu schildern. Nichts davon kann weggepredigt werden. Sie müssen weggeräumt werden, um neuem Leben Platz zu machen.“

Das Buch soll aber auch zeigen, was den Kindern und jungen Menschen von drei Generationen damals zugemutet wurde. Das ist heute auch wichtig angesichts der Tatsache, dass gegenwärtig in den Zeiten der Pandemie vor allem Kinder die Leidtragenden sind.

Mein großer Wunsch ist, dass diejenigen, denen Leid zugefügt wurde oder heute wird, es später besser machen. Aber Menschen sind keine Heiligen. Sie müssen erst verstehen können. Auf das „Bewusstmachen“, folgt die Vergebung und dann die Versöhnung.

Heli Ihlefeld

MEIN GROßVATER OTTO RÜTER

Ich kann mit den Toten sprechen. Sie sind lebendiger als wir. Ich höre ihnen zu. So hat mir mein Großvater auch seinen Lebenslauf übergeben. Eines Tages hielt ich ihn in meinen Händen.

Er erzählte mir darin von einer schlichten und herrlichen Kindheit. Von einer Kindheit, die ich durch den Zweiten Weltkrieg verloren hatte.

Der Krieg war zu Ende und ich ging in Hannover aufs Gymnasium. Wenn ich mittags nach Hause kam, saß Opa an seinem kleinen sechseckigen Marmortisch und legte Patiencen.

Ich erinnere mich an sein lachendes rundes Gesicht mit den klaren hellblauen Augen unter buschigen Augenbrauen. Die Ohrmuscheln standen ab von seinem kahlen Schädel.

Mein Großvater!

Wenn ich kam, blickte er von seiner Patience auf und freute sich. „Wie war’s in der Schule?“

Er legte erwartungsvoll seine rechte Hand ans Ohr und schob die Ohrmuschel etwas nach vorne, denn er war schwerhörig. – Übrigens ein Familienerbe.

Aber ich hatte keine Lust, ihm von der Schule zu erzählen. Ich ging nicht gerne zur Schule. Opa aber dachte als über 80-jähriger Mann nach einem langen arbeitsreichen, anstrengenden und auch schmerzensreichen Leben fast nur noch an seine Kindheit.

Ich lese in den 44 handgeschriebenen Seiten seines Lebenslaufes:

„Ich bin jetzt über 80 Jahre und gesundheitlich so in Form, dass ich spazieren gehen kann, gerne noch Zigarren rauche und abends noch ein Schöppchen Wein trinke.“

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