»N-nein, Liputin nicht,« murmelte Peter Stepanowitsch mit finsterem Gesichte. »Ich weiß schon, wer. Das sieht Schatow ganz ähnlich ... Übrigens ist das dummes Zeug; lassen wir es! Aber es ist höchst wichtig ... Apropos, ich erwartete immer, daß Ihre Frau Mutter mir gegenüber plötzlich mit der Hauptfrage herausplatzen werde ... Ach ja, all diese Tage her war sie furchtbar mürrisch, und auf einmal, wie ich heute zu ihr komme, strahlte sie nur so. Wie hängt das zusammen?«
»Das kommt daher, daß ich ihr heute mein Wort gegeben habe, mich in fünf Tagen um Lisaweta Nikolajewnas Hand zu bewerben,« antwortete Nikolai Wsewolodowitsch mit überraschender Offenherzigkeit.
»Ah, nun ... ja, dann allerdings,« brachte Peter Stepanowitsch stammelnd heraus. »Es gehen in der Stadt Gerüchte von einer andern Verlobung; Sie wissen wohl? Es mag auch seine Richtigkeit haben. Aber Sie haben recht; sie würde auch noch vom Traualtar weglaufen; Sie brauchen sie nur zu rufen. Sie nehmen es doch nicht übel, daß ich so rede?«
»Nein, ich nehme es nicht übel.«
»Ich bemerke, daß es heute sehr schwer ist, Sie zu ärgern, und fange an, mich vor Ihnen zu fürchten. Ich bin sehr neugierig, in welcher Weise Sie sich morgen in der Öffentlichkeit zeigen werden. Sie haben gewiß schon viele schöne Streiche vorbereitet. Sie nehmen es mir nicht übel, daß ich das sage?«
Nikolai Wsewolodowitsch gab gar keine Antwort, wodurch Peter Stepanowitsch sich sehr verletzt fühlte.
»Apropos, haben Sie das von Lisaweta Nikolajewna Ihrer Mama im Ernst gesagt?« fragte er.
Nikolai Wsewolodowitsch blickte ihn unverwandt und kalt an.
»Ah, ich verstehe, nur zur Beruhigung, nun ja.«
»Und wenn ich es im Ernst gesagt hätte?« fragte Nikolai Wsewolodowitsch in festem Tone.
»Nun, dann mit Gott, wie man in solchen Fällen zu sagen pflegt; der Sache wird es nicht schaden (Sie sehen: ich habe nicht gesagt: ›unserer Sache‹; Sie können das Wörtchen ›unser‹ nicht leiden). Ich aber ... ich aber, nun, ich stehe zu Ihren Diensten; das wissen Sie selbst.«
»Meinen Sie?«
»Ich meine nichts, gar nichts,« beeilte sich Peter Stepanowitsch lachend zu erwidern; »denn ich weiß, daß Sie Ihre Angelegenheiten selbst im voraus überlegt und alles reiflich bedacht haben. Ich will nur sagen, daß ich Ihnen im Ernst zu Diensten stehe, immer und überall und in jedem Falle, das heißt in jedem, verstehen Sie auch wohl?«
Nikolai Wsewolodowitsch gähnte.
»Ich langweile Sie,« rief Peter Stepanowitsch, griff nach seinem ganz neuen Zylinderhute und sprang auf, als wenn er fortgehen wollte, blieb aber dabei doch noch da und redete im Stehen ununterbrochen weiter; manchmal machte er ein paar Schritte im Zimmer, und an lebhafteren Stellen des Gespräches schlug er sich mit dem Hute gegen das Knie. »Ich hatte gedacht. Sie noch mit Mitteilungen über Lembkes zu erheitern!« rief er in munterem Tone.
»Jetzt nicht; ein andermal. Wie ist übrigens Julija Michailownas Befinden?«
»Was haben Sie doch alle für gute gesellschaftliche Manieren: das Befinden dieser Dame ist Ihnen genau so gleichgültig wie das einer grauen Katze; aber doch erkundigen Sie sich danach. Ich lobe das. Sie ist gesund und verehrt Sie abgöttisch und erwartet von Ihnen unglaublich Großartiges. Über den Vorfall vom Sonntag schweigt sie und ist überzeugt, daß Sie selbst durch Ihr bloßes Erscheinen über alle Gegnerschaft triumphieren werden. Wahrhaftig, sie hat die Vorstellung, daß Sie Gott weiß was vermögen. Übrigens sind Sie jetzt eine rätselhafte, romantische Persönlichkeit, mehr als je vorher, – eine außerordentlich vorteilhafte Position. Alle erwarten Sie in einer Spannung, die geradezu unglaublich ist. Schon als ich wegfuhr, herrschte eine fieberhafte Erregung, und jetzt ist es noch ärger geworden. Apropos, ich danke Ihnen noch einmal für den Brief. Vor dem Grafen K*** haben sie sämtlich Angst. Wissen Sie, man hält Sie, wie es scheint, für einen Spion! Ich sage dazu Ja; Sie nehmen es doch nicht übel?«
»Nein, es schadet nichts.«
»Es schadet nichts; es ist für die Folgezeit sogar notwendig. Die Leute haben hier ihre hergebrachten Ordnungen; ich bin dabei natürlich das belebende Element. An der Spitze steht Julija Michailowna, desgleichen Gaganow ... Sie lachen? Ja, ich habe da meine eigene Taktik: ich rede fortwährend Unsinn, und auf einmal sage ich ein verständiges Wort, gerade in dem Augenblicke, wo alle danach suchen. Dann umringen sie mich, und nun fange ich wieder an, Unsinn zu reden. Sie haben mich schon alle aufgegeben; ›er ist nicht ohne Fähigkeiten,‹ sagen sie, ›aber schrecklich naiv‹. Lembke fordert mich auf, in den Staatsdienst zu treten, damit ich mich bessere. Wissen Sie, ich behandle ihn schauderhaft, das heißt, ich kompromittiere ihn, so daß er die Augen vor Schreck aufreißt. Julija Michailowna stachelt mich dazu an. Ja, apropos, Gaganow ist auf Sie sehr wütend. Gestern in Duchowo hat er von Ihnen in einer ganz abscheulichen Weise zu mir gesprochen. Ich gab ihm sogleich vollständig recht, selbstverständlich nicht vollständig. Ich habe bei ihm einen ganzen Tag in Duchowo verlebt. Ein prachtvolles Gut, ein schönes Haus!«
»Also ist er jetzt in Duchowo?« rief Nikolai Wsewolodowitsch erregt; er machte eine lebhafte Bewegung nach vorn und sprang beinah auf.
»Nein, er hat mich heute morgen hierher gefahren; wir sind zusammen zurückgekehrt,« erwiderte Peter Stepanowitsch, wie wenn er Nikolai Wsewolodowitschs plötzliche Erregung gar nicht bemerkte. »Was ist das? Ich habe ein Buch hingeworfen,« sagte er und bückte sich, um ein Buch aufzuheben, das auf dem Tische gelegen hatte und von ihm heruntergestreift worden war. »Die Frauen, von Balzac, mit Illustrationen,« (er hatte das Buch aufgeschlagen); »das habe ich nicht gelesen. Lembke schreibt auch Romane.«
»Ja?« fragte Nikolai Wsewolodowitsch, wie wenn er sich dafür interessierte.
»Natürlich in russischer Sprache und im geheimen. Julija Michailowna weiß es und erlaubt es ihm. Er ist eine Schlafmütze; aber er weiß sich zu benehmen; diese Fähigkeit hat sich bei den Verwaltungsbeamten herausgebildet. Diese Strenge in den Formen, diese Konsequenz! Wenn wir nur etwas von der Art hätten!«
»Sie loben die Verwaltung?«
»Aber gewiß doch! Die ist ja noch das einzige, was in Rußland von Natur gewachsen ist, und was wir erreicht haben ... ich bin schon still, ich bin schon still!« unterbrach er sich plötzlich. »Ich werde von diesen bedenklichen Dingen keine Silbe mehr sagen. Aber nun leben Sie wohl; Sie sehen ganz grün aus.«
»Ich habe Fieber.«
»Das ist sehr glaublich; legen Sie sich doch ins Bett! Apropos: hier im Kreise gibt es Skopzen (Eine religiöse Sekte, deren Anhänger sich entmannten und auf den Messias warteten. Anmerkung des Übersetzers.), ein merkwürdiges Völkchen ... Aber davon ein andermal. Übrigens noch ein Geschichtchen: hier im Kreise steht ein Infanterieregiment. Freitagabend kneipte ich mit den Offizieren zusammen in B***zi. Da haben wir drei Freunde, vous comprenez? Es wurde über Atheismus gesprochen, und sie setzten natürlich Gott ab. Sie kreischten vor Vergnügen. Apropos, Schatow behauptet, wenn einmal in Rußland ein Aufstand ausbreche, so werde er unbedingt mit Atheismus beginnen. Vielleicht hat er recht. Aber da saß ein grauhaariger Hauptmann dabei, ein Mensch ohne Bildung; der schwieg immer und redete kein Wort; auf einmal stellte er sich mitten im Zimmer hin und sagte laut, aber, wissen Sie, wie wenn er zu sich selbst spräche: ›Wenn es keinen Gott gibt, wie kann ich dann Hauptmann sein?‹ Dann nahm er seine Mütze, breitete wie verständnislos die Arme auseinander und ging hinaus.«
»Da hat er einen ziemlich gesunden Gedanken ausgesprochen,« sagte Nikolai Wsewolodowitsch und gähnte zum drittenmal.
Читать дальше