Nikolai Wsewolodowitsch hatte übrigens gar nicht gelächelt, sondern hörte im Gegenteil mit finsterer Miene und etwas ungeduldig zu.
»Wie beliebt? Ich glaube, Sie sagten: ›Ganz egal‹?« plapperte Peter Stepanowitsch weiter (Nikolai Wsewolodowitsch hatte überhaupt nichts gesagt). »Gewiß, gewiß; ich versichere Ihnen, daß ich durchaus nicht beabsichtige, Sie durch meine Kameradschaft zu kompromittieren. Aber wissen Sie, Sie sind heute furchtbar empfindlich; ich komme in aller Aufrichtigkeit und Heiterkeit zu Ihnen, und Sie legen jedes Wort von mir auf die Goldwage. Ich versichere Ihnen, daß ich heute von keinem kitzligen Gegenstande zu reden anfangen werde; mein Wort darauf; und ich bin im voraus mit allen Ihren Bedingungen einverstanden!«
Nikolai Wsewolodowitsch schwieg hartnäckig.
»Nun? Wie steht's? Haben Sie etwas gesagt? Ich sehe, ich sehe, daß ich wieder, wie es scheint, Unsinn geredet habe. Sie haben keine Bedingungen gestellt und werden keine stellen; ich glaube es, ich glaube es; nun, beruhigen Sie sich nur; ich weiß ja schon allein, daß es sich nicht der Mühe lohnt, mir Bedingungen zu stellen, nicht wahr? Ich nehme Ihnen die Antworten vorweg, und natürlich aus mangelnder Begabung; die ist für mich charakteristisch ... Sie lachen? Nun, worüber?«
»Es ist nichts,« antwortete Nikolai Wsewolodowitsch endlich lächelnd. »Es fällt mir soeben ein, daß ich Sie tatsächlich einmal unbegabt genannt habe; aber Sie waren damals nicht zugegen, also muß man es Ihnen hinterbracht haben ... Ich möchte Sie bitten, möglichst schnell zur Sache zu kommen.«
»Aber ich bin ja bei der Sache; ich sage das ja gerade anläßlich des Sonntags!« erwiderte Peter Stepanowitsch. »Nun, was bin ich nach Ihrer Ansicht am Sonntag gewesen? Ich war der Typus der hastigen, mittelmäßigen Unbegabtheit und bemächtigte mich auf die unbegabteste Weise mit Gewalt des Gespräches. Aber Sie haben mir alles verziehen, weil ich erstens so naiv bin (das scheint jetzt hier die feststehende Meinung aller zu sein), und zweitens weil ich ein hübsches Geschichtchen erzählt und damit allen aus der Verlegenheit geholfen habe, nicht wahr, nicht wahr?«
»Das heißt, Sie haben absichtlich in dieser Weise erzählt, um bei den Hörern einen Zweifel bestehen zu lassen und bei ihnen den Glauben zu erwecken, daß wir beide unter einer Decke steckten, während doch in Wirklichkeit keine Abmachung zwischen uns bestand und ich Sie nicht um Ihre Beihilfe gebeten hatte.«
»Ganz richtig, ganz richtig!« fiel Peter Stepanowitsch ein, wie wenn er höchst entzückt wäre. »Genau so habe ich gehandelt, damit Sie dieses ganze Manöver merken sollten; in der Hauptsache habe ich ja diese Farce Ihretwegen vorgebracht, weil ich Sie fangen und kompromittieren wollte ... Die Hauptsache war mir, zu erfahren, bis zu welchem Grade Sie sich fürchten.«
»Ich möchte wohl wissen, warum Sie jetzt so offenherzig sind!«
»Werden Sie nicht ärgerlich, werden Sie nicht ärgerlich, funkeln Sie nicht so mit den Augen! ... Übrigens tun Sie das gar nicht. Also Sie möchten gern wissen, warum ich so offenherzig bin? Nun, weil jetzt alles sich geändert hat, beendet, vergangen, mit Sand verschüttet ist. Ich habe auf einmal meine Meinung über Sie geändert. Die alte Methode ist vollständig abgetan; ich werde Sie jetzt nie mehr auf die alte, sondern von nun an auf die neue Weise kompromittieren.«
»Sie haben Ihre Taktik geändert?«
»Taktik kann man das nicht nennen. Sie haben jetzt in allen Dingen Ihren freien Willen; Sie können nach Belieben Ja und Nein sagen. Das ist meine neue Taktik Ihnen gegenüber. Von ›unserer‹ Angelegenheit aber werde ich keinen Ton sagen, ehe Sie mich nicht selbst dazu auffordern. Sie lachen? Möge es Ihnen wohl bekommen; ich lache auch selbst. Aber jetzt meine ich es ernst, ganz ernst, obwohl jemand, der so hastet, gewiß unbegabt ist, nicht wahr? Aber ganz egal; mag ich auch unbegabt sein, aber ich meine es ernst, ganz ernst.«
Er sprach wirklich ernst, in einem ganz anderen Tone und in einer besonderen Erregung, so daß Nikolai Wsewolodowitsch ihn mit lebhaftem Interesse anblickte.
»Sie sagen, Sie hätten Ihre Meinung über mich geändert?« fragte er.
»Ja, ich habe meine Meinung über Sie in dem Augenblicke geändert, als Sie nach Schatows Tätlichkeit die Hände zurücknahmen. Aber genug davon, genug davon; fragen Sie, bitte, nichts weiter; mehr werde ich jetzt nicht sagen.«
Er sprang auf und gestikulierte mit den Händen, als wollte er weitere Fragen abwehren; da aber keine Fragen erfolgten und er noch nicht fortzugehen beabsichtigte, so beruhigte er sich einigermaßen und setzte sich wieder auf den Lehnstuhl.
»Apropos, beiläufig gesagt,« schwatzte er wieder los, »hier reden manche, Sie würden ihn töten, und bieten Wetten darauf an, so daß Lembke sogar daran gedacht hat, die Polizei in Bewegung zu setzen; aber Julija Michailowna hat ihn davon zurückgehalten ... Genug davon, genug davon; ich wollte Sie nur benachrichtigen. Noch einmal apropos: ich habe die beiden Lebjadkins noch gleich an demselben Tage hinübergeschafft, Sie wissen; haben Sie mein Briefchen mit ihrer Adresse erhalten?«
»Ja, ich habe es gleich damals erhalten.«
»Das habe ich nicht infolge mangelnder Begabung, sondern aus aufrichtiger Dienstfertigkeit getan. Wenn es unbegabt herausgekommen ist, so war es dafür doch gut gemeint.«
»Nun, das tut nichts; vielleicht war es sogar nötig ...« sagte Nikolai Wsewolodowitsch nachdenklich. »Aber ich möchte Sie bitten: schreiben Sie mir keine Briefe mehr!«
»Es ging nicht anders; ich habe ja auch nur den einen geschrieben.«
»Also weiß es Liputin?«
»Das ließ sich nicht vermeiden; aber Liputin wird, wie Sie selbst wissen, nicht wagen ... Apropos, wir müßten auch zu den Unsrigen gehen, ich will sagen zu denen, nicht zu den ›Unsrigen‹; nehmen Sie nur nicht wieder an dem Ausdruck Anstoß! Und beunruhigen Sie sich nicht; ich meine nicht jetzt gleich, sondern später einmal. Jetzt wird es gleich regnen. Ich werde sie vorher davon in Kenntnis setzen; sie werden sich versammeln, und dann können wir am Abend hingehen. Sie werden mit aufgesperrten Mäulern warten wie die jungen Dohlen im Neste, was wir ihnen für einen schönen Bissen bringen. Es ist ein hitziges Völkchen. Sie haben sich irgendwelche Büchelchen vorgesucht, und dann kommen sie zusammen, um darüber zu disputieren. Wirginski vertritt die allgemein menschliche Richtung; Liputin ist Fourierist, mit einer starken Neigung zum Polizeiwesen; ich sage Ihnen, in dieser einen Beziehung ist er ein wertvoller Mensch, aber in allen andern bedarf er strenger Behandlung; und dann ist da schließlich noch der mit den langen Ohren, der trägt sein eigenes System vor. Und wissen Sie, sie fühlen sich gekränkt, weil ich geringschätzig mit ihnen umgehe und sie mit Wasser begieße, he-he! Aber hingehen müssen wir unbedingt einmal.«
»Haben Sie mich da als eine Art Chef bezeichnet?« fragte Nikolai Wsewolodowitsch in möglichst lässigem Tone.
Peter Stepanowitsch blickte ihn schnell an.
»Apropos,« begann er, schnell auf ein anderes Thema übergehend, als ob er die Frage nicht gehört hätte, »ich bin zwei-, dreimal bei der hochverehrten Warwara Petrowna gewesen und bin ebenfalls genötigt gewesen, viel zu reden.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Nein, stellen Sie es sich nicht vor; ich habe ihr einfach gesagt, Sie würden keinen Mord begehen, na und andere solche süßen Sachen. Und denken Sie nur: sie wußte schon am andern Tage, daß ich Marja Timofejewna über den Fluß hinübergebracht hatte; haben Sie es ihr gesagt?«
»Das ist mir nicht eingefallen.«
»Das habe ich mir gedacht, daß Sie es nicht gewesen waren. Wer außer Ihnen könnte es aber gesagt haben? Das ist interessant.«
»Selbstverständlich Liputin.«
Читать дальше