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Praxistipp:
Keine Verstärkung erfahren die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Übrigen in Bezug auf im Nachgang zum Aktienerwerb bzw. der Unternehmensübernahme erfolgende Änderungen auf Betriebsebene. Auch insoweit gilt die Trennungstheorie:[23] Das WpÜG enthält eine abschließende arbeitsrechtliche Regelung dieses Vorgangs. Weiterreichende betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrechte, z.B. § 111 BetrVG, finden nur dann Anwendung, wenn deren tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen,[24] was bei einem reinen Aktien- oder Kontrollerwerb nicht der Fall ist.
c) Erwerb von Konzernen (durch Konzernobergesellschaften)
22
Eine Mitbestimmungslücke selbst hinsichtlich der Informationspflichten der Arbeitnehmervertretungen, die nach einer teilweise vertretenen Ansicht durch eine analoge Anwendung von § 109a BetrVG geschlossen werden soll,[25] ergibt sich, wenn das Übernahmeobjekt nicht ein Einzelunternehmen, sondern ein Konzern (vermittelt durch den Erwerb der Konzernobergesellschaft) ist. Dies wird von der h.M. allerdings zu Recht abgelehnt.[26]
d) Anteilserwerb bzw. -veräußerung durch Umwandlungen nach dem UmwG
23
Die Veräußerung bzw. den Erwerb verhindern oder verzögern kann der zuständige Betriebsrat[27] auch dann nicht, wenn der Share Deal im Wege einer Umwandlung nach dem UmwG erfolgt.[28] Hier sind die Informationspflichten – obgleich außerhalb des WpÜG nicht aufsichtsrechtlich flankiert – allerdings in anderer Weise strenger ausgestaltet:
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Während die Nichtinformation des Wirtschaftsausschusses gemäß § 106 BetrVG bzw. – im Rahmen des § 109a BetrVG – des Betriebsrats bei einem reinen Anteilskauf „lediglich“ als mit einem Bußgeld bewehrte Ordnungswidrigkeit zu qualifizieren ist (§ 121 BetrVG), |
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stellt die Nichtzuleitung bzw. nicht rechtzeitige Zuleitung des Entwurfs des Umwandlungsvertrags bzw. -plans nach §§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3, 194 Abs. 2 UmwG ein echtes Eintragungs- und damit Wirksamkeitshindernis für die geplante Umwandlung dar.[29] Hier ist die korrekte Beteiligung des richtigen Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für die umwandlungsrechtliche Maßnahme. |
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Betriebsratsmitglieder sind als solche aber nicht befugt, den Umwandlungsbeschluss anzufechten.[30] Anfechtungsrechte können nur durch Aktienerwerb und ein dadurch bewirktes Teilnahme-, Frage- und Rederecht in der Hauptversammlung „erkauft“ werden, die nach § 13 Abs. 1 UmwG (ggf. i.V.m. § 125 bzw. § 193 UmwG) über die geplante Umwandlung beschließen soll. |
24
Praxistipp:
Soweit die Informationsvorgaben des UmwG eingehalten werden, besteht für dahingehende Überlegungen allerdings kein Anlass, weshalb eine ordnungsgemäße Information auch als Deeskalationsinstrument geschätzt werden sollte.[31]
25
Eine weitergehende Arbeitnehmerbeteiligung ist im Zusammenhang mit übertragenden Umwandlungen lediglich bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen nach dem MgVG in Bezug auf die Unternehmensmitbestimmung (§ 22 MgVG)[32] bzw. bei Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) durch Verschmelzung (Art. 2 Abs. 1 SE-VO) nach dem SEBG (abgesichert durch Art. 12 Abs. 2 SE-VO)[33] bzw. einer Europäischen Genossenschaft (SCE) durch Verschmelzung denkbar.[34]
26
Soweit die Betriebsstruktur im Zusammenhang mit derartigen Maßnahmen nicht geändert wird, handelt es sich allerdings nicht um eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG, sodass dem Betriebsrat insoweit keine Beteiligungsrechte nach den §§ 111 ff. BetrVG zustehen.[35]
e) (Begrenzte) Mitbestimmung durch Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat
27
Relevant kann zwar die Beschlussfassung eines mitbestimmten Aufsichtsrats in Bezug auf Unternehmensumstrukturierungen werden.[36] Auch hier besteht aber letztlich keine Blockademöglichkeit für die Arbeitnehmerseite:
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§ 32 MitbestG sieht zwar vor, dass Entscheidungen über die Auflösung oder Umwandlung einer Untergesellschaft nur zulässig sind, wenn ein entsprechender Beschluss der nach dem MitbestG mitbestimmten Obergesellschaft vorliegt. Insoweit besteht ein Informationsrecht; für den entsprechenden Beschluss ist jedoch nur die Mehrheit der Anteilseignervertreter erforderlich. |
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Ohne einen entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss handelt das Vertretungsorgan der Obergesellschaft gegenüber der Untergesellschaft allerdings ohne Vertretungsmacht (§ 180 Satz 1 BGB).[37] Konsequenz kann daher ggf. eine Anfechtbarkeit seines Beschlusses bei potenzieller Ergebniserheblichkeit sein.[38] |
2. Kein Widerspruchsrecht außerhalb (bestimmter) übertragender Umwandlungen nach dem UmwG
28
Weiterer Vorteil von rein gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen ist zudem, soweit ein reiner Anteilskauf und keine Abspaltung bzw. Ausgliederung oder Vermögensteilübertragung nach dem UmwG in Rede steht, dass dieser nicht durch die Arbeitnehmer des ge- bzw. verkauften Rechtsträgers in Form von (Massen-)Widersprüchen gemäß § 613a Abs. 6 BGB verhindert werden kann.
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Anders als in den Fällen einer Übertragung des Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Rechtsträger im Rahmen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs i.S.d. § 613a BGB besteht nämlich in den Fällen eines Anteilskaufs kein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 BGB. Ein entsprechender Share Deal kann daher aus arbeitsrechtlicher Sicht gegenüber einem Asset Deal, der mit einem Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang verbunden wäre, vorteilhaft sein. |
29
Beispiel:
Dies gilt z.B. dann,[39] wenn es dem Erwerber gerade auf einen Erwerb möglichst vieler oder bestimmter Arbeitsverhältnisse ankommt und/oder ein (noch so) hoher Kaufpreis die von dem Veräußerer zu tragenden Sozialplankosten im Fall eines Massenwiderspruchs nicht deckt.
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Dieselben Vorteile können allerdings ggf. dann trotz Betriebs- bzw. Betriebsteilübergangs i.S.d. § 613a BGB erreicht werden, wenn eine Übertragung im Wege einer Verschmelzung bzw. Aufspaltung oder Vermögensvollübertragung nach dem UmwG oder einer gesellschaftsrechtlichen Anwachsung (die nur bei Personengesellschaften möglich ist) außerhalb des UmwG erfolgt. Denn alle vorgenannten Maßnahmen sind mit einem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers mit der Folge verbunden, dass für die vom Übergang ihres Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer insoweit ebenfalls kein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB besteht.[40] Stattdessen besteht ein Recht zur außerordentlichen Kündigung, das in der Praxis allerdings äußerst selten zum Tragen kommt.[41] |
30
Praxistipp:
Am ehesten machen in der Praxis wichtige Know-how- und Leistungsträger von diesem Kündigungsrecht Gebrauch, sodass durch zusätzliche Maßnahmen (z.B. durch die Vereinbarung wirksamer nachvertraglicher Wettbewerbsverbote) abgesichert werden muss, dass diese Personengruppe sich nicht vom Unternehmen löst bzw. das außerordentliche Kündigungsrecht nutzt, um Konditionen nachzuverhandeln.
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Entsprechendes wird man – obwohl dies durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt ist – richtigerweise auch annehmen müssen, wenn Arbeitsverhältnisse im Rahmen einer Spaltung bzw. Verschmelzung nach dem UmwG übertragen werden, ohne dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a BGB eingreifen. Soweit in der Literatur für den Fall einer rein spaltungsrechtlichen Übertragung von Arbeitsverhältnissen teilweise ein Zustimmungserfordernis des Arbeitnehmers behauptet wird, fehlt hierfür eine rechtliche Grundlage.[42] |
3. Share Deal nach dem UmwG als Mittel zur Tarifänderung
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