Ein de facto-Regime endet, wenn es die Herrschaft über das Territorium wieder verliert oder sich im Laufe der Zeit zu einem Staat im Rechtssinne entwickelt.
III. Völkerrechtliche Rechte und Pflichten
Als beschränktes Völkerrechtssubjekt hat das stabilisierte de facto-Regime einen Mindestbestand an völkerrechtlichen Rechten und Pflichten. Es genießt den Schutz des → universellen Gewaltverbotesund des → Interventionsverbots, ist aber auch seinerseits daran gebunden. Es ist kein der Okkupation unterliegendes staatenloses Gebiet. Für Unrechtstatbestände trifft es die → völkerrechtliche Verantwortlichkeit. Die Aufnahme in → Internationale Organisationenbleibt ihm regelmäßig verwehrt. Das stabilisierte de facto-Regime muss die grundlegenden, zum Völkergewohnheitsrecht zählenden Menschenrechte ( → Menschenrechte, allg.) achten. Es kann Verträge insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet abschließen, ohne dass damit die Anerkennung als Staat durch den Vertragspartner verbunden wäre. Unterhalb der Ebene diplomatischer Beziehungen ( → Diplomatenrecht) findet zwischen de facto-Regimen und Staaten bisweilen ein Austausch von (ggf. ständigen) Vertretern statt. Die Geltung von Hoheitsakten des de facto-Regimes vor Behörden und Gerichten anderer Staaten gilt jedenfalls für die Registrierung von Geburten, Eheschließungen und Todesfällen.
D› Diplomatenrecht (Michael Rafii)
Diplomatenrecht (Michael Rafii)
I. Allgemeines
II. Der Status der diplomatischen Mission
1. Begriff und Mitgliederbestand der diplomatischen Mission
2. Aufgaben der diplomatischen Mission
3. Errichtung der diplomatischen Mission und Ernennung der Diplomaten
4. Beendigung der diplomatischen Mission und der Tätigkeit eines Diplomaten
III. Der Schutz der diplomatischen Mission
1.Der Schutz der Räumlichkeiten der Mission
a) Der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Mission
b) Ausnahmen von dem Grundsatz
2. Das Recht auf freien Verkehr
3. Persönliche Vorrechte und Immunitäten der Diplomaten
a) Vorrechte des Diplomaten
b) Immunitäten des Diplomaten
c) Der Schutz von Mitgliedern der Mission ohne diplomatischen Status
IV. Spezialmissionen
V. Diplomatische Beziehungen zwischen Staaten und Internationalen Organisationen
Lit.:
W. Bolewski , Diplomatischer Kurier – Völkerrechtliches Instrument und Gefahren seines Missbrauchs, AVR 43 (2005), 537; W.-M. Choi , Diplomatic and Consular Law in the Internet Age, SYBIL 10 (2006), 117; B. Faßbender , Diplomatische Immunität und Staatennachfolge, NStZ 1998, 144; M. Herdegen , The Abuse of Diplomatic Privileges and Countermeasures not Covered by the Vienna Convention on Diplomatic Relations, ZaöRV 46 (1986), 734; W. Lang , Das Wiener Übereinkommen über die Vertretung von Staaten in ihren Beziehungen zu internationalen Organisationen universellen Charakters, ZaöRV 37 (1977), 43; K. Karalus , Die diplomatische Vertretung der Europäischen Union, 2009; I. Klepper , Diplomatisches Asyl, 2009; M. Quarch , Die völkerrechtliche Immunität der Sondermissionen, 1991; U. Seidenberger , Die diplomatischen und konsularischen Immunitäten und Privilegien, 1994; J. Wolf , Die völkerrechtliche Immunität des ad hoc- Diplomaten, EuGRZ 1983, 401.
Der Aufbau und die Aufrechterhaltung von diplomatischen Beziehungen zwischen Staaten sind von elementarer Bedeutung für ihr friedliches Zusammenleben. Ein wesentlicher Beitrag zu ihrer Förderung wird durch die wechselseitige Entsendung von Repräsentanten im Rahmen von diplomatischen Missionen geleistet, deren Aufgaben vor allem in der Unterhaltung einer ständigen Kommunikation zwischen Entsende- und Empfangsstaat, der Information des Entsendestaates über die politischen Verhältnisse im Empfangsstaat sowie im Schutz der Staatsangehörigen des Entsendestaates im Empfangsstaat liegen (s. auch unter II.2.). Die Erfüllung dieser Aufgaben hilft, Lösungswege bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Staaten aufzuzeigen und bereits im Vorfeld Konfliktpotentiale zu verringern.
Aufgrund seiner großen Bedeutung für die Pflege der zwischenstaatlichen Beziehungen gehört das Diplomatenrecht seit der Antike, zunächst rudimentär in der Form von Vorschriften über den Schutz von Gesandten, zum festen Bestand der Völkerrechtsordnung ( → Völkerrechtsgeschichte). In der Folge entwickelte sich das Diplomatenrecht vorrangig durch bilaterale völkerrechtliche Verträge weiter. Mit dem Abschluss des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WÜD) von 1961 (Sart. II, Nr. 325) gelang es erstmals, die grundlegenden Vorschriften über den Status diplomatischer Missionen und ihren Schutz in einem multilateralen völkerrechtlichen Vertrag zu kodifizieren. Das WÜD wurde mittlerweile von über 180 Staaten ratifiziert und zählt aufgrund dieses hohen Ratifikationsstandes nach der Ansicht von weiten Teilen der Völkerrechtslehre zum → Völkergewohnheitsrecht. Die Regelungen des WÜD werden durch Normen des Völkergewohnheitsrechts ergänzt, soweit sich aus den bilateralen Verträgen eine hinreichend verfestigte Staatenpraxis und entsprechende Rechtsüberzeugung ergibt (s. auch Abs. 5 der Präambel zum WÜD). Abzugrenzen sind die Regelungen des Diplomatenrechts von denjenigen des → Konsularrechts.
Die herausgehobene Stellung des Diplomatenrechts in der Völkerrechtsordnung wurde auch vom → IGHin seiner Entscheidung zum Teheraner Geiselfall (Urt. v. 24.5.1980, ICJ Rep. 1980, 3 Rn. 86 f. – Case Concerning U.S. Diplomatic and Consular Staff in Tehran) betont. Darin entschied das Gericht, das Diplomatenrecht bilde ein in sich geschlossenes System ( → self-contained régime), daher seien die im WÜD vorgesehenen Reaktionsmöglichkeiten auf eine Verletzung der diplomatenrechtlichen Vorschriften grundsätzlich abschließend. Auf allgemeine völkerrechtliche Reaktionsmöglichkeiten ( → Gegenmaßnahmen) kann nicht zurückgegriffen werden. Über Ausnahmen von diesem Grundsatz bei einem extremen Missbrauch der diplomatischen Vorrechte wird in der völkerrechtlichen Lehre kontrovers diskutiert (s. insb. unter III.1.b.).
II. Der Status der diplomatischen Mission
Das WÜD enthält an verschiedenen Stellen Regelungen über die Zusammensetzung einer diplomatischen Mission sowie über die Voraussetzungen, unter denen eine diplomatische Mission errichtet und beendet werden kann. Zu beachten ist aber, dass das Völkerrecht keinen Anspruch auf die Unterhaltung einer diplomatischen Mission in einem anderen Staat gewährt. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen erfolgt vielmehr freiwillig im Einvernehmen der beteiligten Staaten auf der Grundlage der Gegenseitigkeit, Art. 2 WÜD.
1. Begriff und Mitgliederbestand der diplomatischen Mission
Unter einer diplomatischen Mission versteht man in der Regel eine Gruppe von Personen, die diplomatische Funktionen für den Entsendestaat im Empfangsstaat wahrnimmt. In Ausnahmefällen kann es sich allerdings auch nur um eine einzelne Person handeln. Zu den Mitgliedern einer Mission zählen der Missionschef und das Personal der Mission, Art. 1 lit. b WÜD, nicht dagegen z. B. die Familienangehörigen der Diplomaten. Das Personal der Mission besteht aus den Mitgliedern des diplomatischen Personals auf der einen Seite und dem Verwaltungs- und technischen Personal sowie dem dienstlichen Hauspersonal auf der anderen Seite, Art. 1 lit. c WÜD. Die Unterscheidung zwischen Missionsmitgliedern mit diplomatischer Funktion und Mitarbeitern, die mit anderen Aufgaben betraut sind, ist von wesentlicher Bedeutung, da das WÜD für die Mitglieder mit diplomatischem Status einen deutlich größeren Umfang an Vorrechten und Immunitäten vorsieht (s. unten, III.3.).
Читать дальше