448
Die gem. § 58 Abs. 1, § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 182 Abs. 1 BGB wahlweise[946] gegenüber dem einen oder dem anderen Vertragspartner zu erklärende Zustimmung muss schriftlich[947] erfolgen (§ 58 Abs. 1 VwVfG[948]). Liegt sie nicht bis zum Abschluss des Vertrages in der vorgeschriebenen Form vor (Einwilligung gem. § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 183 BGB), ist der Vertrag bis zur schriftlichen Erklärung der – entgegen dem Wortlaut des § 58 Abs. 1 VwVfG ex tunc wirkenden[949] – Genehmigung (§ 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 184 Abs. 1 BGB) schwebend unwirksam.[950]
449
Mitwirkungserfordernis (§ 58 Abs. 2 VwVfG).Das Erfordernis der Mitwirkung drittbetroffener Behörden gem. § 58 Abs. 2 VwVfG gilt unmittelbar nur für subordinationsrechtliche Verträge,[951] wird aber wegen des Schutzzwecks der Norm, nämlich der Sicherung der Kompetenzordnung, auf koordinationsrechtliche Verträge analog angewendet.[952] § 58 Abs. 2 VwVfG gilt nur für die Fälle, in denen nach einer Rechtsvorschrift, worunter Vorschriften aller Normebenen mit Ausnahme von Verwaltungsvorschriften zu verstehen sind,[953] die Genehmigung, die Zustimmung oder das Einverständnis der anderen Behörde maßgeblich ist. Es muss sich also um einen Willensakt handeln, der den Eintritt des Rechtserfolgs herbeiführen oder verhindern kann; schwächere Beteiligungsformen wie bloße Meinungsbekundungen oder Informationen genügen nicht.[954]
450
Der Vertragspartner muss vor Abschluss des Verwaltungsvertrages nicht gem. § 62 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG angehört werden.[955] Die Interessenlage beim Erlass eines belastenden Verwaltungsakts, für den § 28 Abs. 1 VwVfG unmittelbar gilt, unterscheidet sich prinzipiell von der Situation des konsensualen Abschlusses eines Verwaltungsvertrages. Die Anhörungspflicht gem. § 28 Abs. 1 VwVfG setzt das aus dem Rechtsstaatsprinzip fließende Gebot eines fairen Verfahrens um.[956] Danach darf der Einzelne nicht zum Objekt des staatlichen Verfahrens werden, sondern ihm muss die Gelegenheit gegeben werden, sich vor Erlass einer seine Rechte betreffenden hoheitlichen Maßnahme zu äußern und im Rahmen des Möglichen Einfluss auf sie zu nehmen.[957] Demgegenüber gibt es beim Abschluss eines Verwaltungsvertrages keine Notwendigkeit, ein durch Subordination ausgelöstes Ungleichverhältnis durch Anhörung zu kompensieren. Selbst wenn der private Vertragspartner kaum oder keinen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung des Vertrages nehmen kann, kann er sich einem seine Rechte oder Interessen nachteilig berührenden Vertrag durch Nichtannahme des Angebots entziehen.[958] Außerdem eröffnen das Andienen eines Verwaltungsvertrages und das, wenn auch begrenzte, Aushandeln seines Inhalts die Möglichkeit, eigene Interessen geltend zu machen und auf eine rechtliche oder tatsächliche Richtigstellung hinzuwirken, so dass eine Anhörung nach § 62 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG keinen zusätzlichen Schutz bietet.
c) Materiell-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen
451
Die Missachtung materiell-rechtlicher Wirksamkeitsvoraussetzungen kann entweder die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge haben (vgl. § 59 VwVfG) oder lediglich die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln nach sich ziehen (§ 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. §§ 305 ff. BGB).
aa) Nichtigkeit des Vertrages (§ 59 VwVfG)
452
Die Vorschrift des § 59 VwVfG „ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Grundsätzen der unbedingten Vertragsverbindlichkeit und der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns“[959]. Sie regelt die Nichtigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge abschließend.[960] § 59 VwVfG zeigt, dass auch rechtswidrige Verwaltungsverträge wirksam und verbindlich sind, sofern keine Nichtigkeitsgründe gegeben sind.[961]
453
Bindungswirkung rechtswidriger Verträge.Von rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsverträgen geht insoweit eine stärkere Bindungswirkung aus als von rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakten als sie nicht nach Maßgabe des § 48 VwVfG aufgehoben werden können.[962] Die Bindungswirkung kann aber z.B. durch die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts (vgl. § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 346 Abs. 1 Alt. 1 BGB) oder durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages, durch Anpassung oder Kündigung des Vertrages nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 VwVfG oder durch Anfechtung von Willenserklärungen gem. § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 142 Abs. 1 BGB durchbrochen werden.[963]
454
Nichtigkeit nach § 59 Abs. 1 VwVfG.Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nach § 59 Abs. 1 VwVfG nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt. § 59 Abs. 1 BGB gilt sowohl für subordinationsrechtliche als auch für koordinationsrechtliche Verträge und nimmt Bezug sowohl auf diejenigen Vorschriften, die die Nichtigkeit von Willenserklärungen anordnen (z.B. §§ 105, 116 Satz 2 BGB), als auch auf diejenigen über die Nichtigkeit des Vertrages (z.B. §§ 125, 138, 142 Abs. 1 BGB).[964] Anknüpfungspunkt der Nichtigkeit sind nur die vertraglich getroffenen Vereinbarungen; ob ein an sich rechtmäßiger Vertrag fehlerhaft, also unter Missachtung der vertraglichen Bestimmungen „vollzogen“ wird, ist grundsätzlich nicht entscheidend.[965]
455
Die bedeutendste Nichtigkeitsnorm ist § 134 BGB, der die Nichtigkeit eines gegen ein gesetzliches Verbot verstoßenden Rechtsgeschäfts vorsieht. Ein Verbotsgesetz in diesem Sinne liegt vor, wenn es „sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg“[966]. Bei der entsprechenden Anwendung auf öffentlich-rechtliche Verträge gem. § 59 Abs. 1 VwVfG sind sowohl die fehlende Privatautonomie der gesetzesgebundenen Verwaltung als auch der ausdifferenzierte Katalog der Nichtigkeitsgründe des § 59 VwVfG zu berücksichtigen.[967] Deshalb führt nicht jedweder Verstoß gegen formelles oder materielles Recht und damit gegen die allgemeine Gesetzesgebundenheit der Verwaltung zur Nichtigkeit gem. § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB, sondern nur ein qualifizierter Rechtsverstoß.[968] Dazu muss die jeweilige Vorschrift den Vertragsinhalt eindeutig und unbedingt verbieten und müssen die hinter dieser Norm stehenden öffentlichen Belange von solchem Gewicht sein, dass der Grundsatz der Vertragsverbindlichkeit zurücktreten muss.[969]
Beispiel:
Eine von abgabenrechtlichen Vorschriften abweichende Vereinbarung zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner (gesetzesinkongruenter Abgabenvertrag) ist, wenn sie ohne gesetzliche Ermächtigung getroffen wurde, gem. § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig.[970]
456
Nicht nur nationale Vorschriften können ein Verbotsgesetz i.S.d. § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB enthalten, sondern auch unionsrechtliche Normen.[971]
457
Nichtigkeit nach § 59 Abs. 2 VwVfG.Der Katalog der Nichtigkeitsgründe des § 59 Abs. 2 VwVfG[972] gilt unmittelbar nur für subordinationsrechtliche Verträge i.S.d. § 54 Satz 2 VwVfG[973] und tritt ergänzend neben den Nichtigkeitsgrund des § 59 Abs. 1 VwVfG[974].
458
Teilnichtigkeit.Die Nichtigkeit nur eines Teils des Vertrages hat nach § 59 Abs. 3 VwVfG im Zweifel seine Gesamtnichtigkeit zur Folge.[975] Darin unterscheidet sich der Verwaltungsvertrag vom Verwaltungsakt, der gem. § 44 Abs. 4 VwVfG im Zweifel nur teilnichtig ist.[976] Ob gem. § 59 Abs. 3 VwVfG anzunehmen ist, dass der Verwaltungsvertrag auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre und er deshalb nur teilnichtig ist, hängt von der Teilbarkeit des Vertrages und dem aus Sicht eines objektiven Dritten zu mutmaßenden Willen der Vertragsparteien ab.[977]
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