V. Verstoß gegen Verfahrensvorschriften in EU-Sanktionsmaßnahmen ( Abs 5)
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§ 19 Abs 5bezieht sich auf verschiedene Verstöße gegen Verfahrensvorschriften von EU-Sanktionsmaßnahmen. § 19 Abs 5wurde durch die AWG-Novelle neu eingeführt und ersetzt Regelungen, die vorher in verschiedenen Absätzen von § 70 AWV aF enthalten waren. Bislang waren Verstöße gegen Sanktionsverordnung für jedes Land gesondert bußgeldbewehrt. § 19 Abs 5fasst die maßgeblichen Verstöße abstrakt zusammen.[30] Die sanktionierbaren Tathandlungen sind in Nr 1-4 bezeichnet und müssen zudem auch in den maßgebenden Rechtsakten des Unionsrechts vorgesehen sein. Der genaue Umfang der Tathandlungen ergibt sich jedoch erst aus der jeweiligen Ausgestaltung der entsprechenden Ge- und Verbote der maßgeblichen Vorschriften des Unionsrechts.[31] Anders als bei Abs 4 bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmtheit der Norm, da der Gesetzgeber die Art der zu ahndenden Zuwiderhandlungen im Gesetz bestimmt hat und sich Einzelheiten aus dem ohnehin vorrangig zu beachtenden EU-Rechtsakten ergeben.
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Ahndbar macht sich nach Nr 1, wer eine Information nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt. Informationspflichten finden sich beispielsweise in Art 4 Abs 1 VO (EG) Nr 2580/2001 (Terrorismus-VO), Art 5 Abs 1 lit a VO (EG) Nr 881/2002 (Al-Qaida-VO) oder in Art 40 Abs 1 lit a VO (EU) Nr 267/2012 (Iran-Embargo-VO). Voraussetzung hierfür ist, dass in der Sanktionsmaßnahme Pflichten über den Inhalt der zu erteilenden Information und über Fristen geregelt sind.
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Nach Nr 2 macht sich ahndbar, wer eine Vorabanmeldung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig abgibt. Vorabanmeldepflichtigen können in Sanktionsverordnungen enthalten sein, zB in Art 2c der VO (EU) Nr 36/2012 (Syrien). Vorabanmeldepflichtennach Art 182 Abs 1 oder 182d Abs 3 ZK werden hiervon nicht erfasst,[32] da es sich beim Zollkodex nicht um eine wirtschaftliche Sanktionsmaßnahme nach Art 19 Abs 5 handelt.
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Nach Nr 3macht sich ahndbar, wer eine Aufzeichnung von Transaktionen nicht, nicht für die vorgeschriebene Zeit aufbewahrt oder nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt. Derartige Aufbewahrungspflichten finden sich bspw in Art 30 Abs 6 lit 10 VO (EU) Nr 267/2012 (Iran-Embargo-VO).
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Nach Nr 4 wird sanktioniert, wer eine zuständige Stelle oder Behörde nicht oder nicht rechtzeitig unterrichtet. Unterrichtungspflichten finden sich beispielsweise in Art 30 Abs 3 lit a S 2 oder Art 30 Abs 6 lit c VO (EU) Nr 267/2012 (Iran-Embargo-VO).
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Die Zuwiderhandlung gegen unmittelbar geltende Rechtsakte ist als Ordnungswidrigkeit unmittelbar nach Inkrafttreten der jeweiligen Embargomaßnahme und Veröffentlichung im Amtsblatt der EU ahndbar. Im BAnz muss die Embargomaßnahme nicht mehr veröffentlicht werden. Eine § 18 Abs 11entsprechende Übergangsregelungfehlt bei § 19. Einer analogen Anwendung steht entgegen, dass es sich beim Fehlen einer entsprechenden Vorschrift in § 19nicht um eine unbeabsichtigte Regelungslücke handelt. Ein rechtspolitisches Bedürfnis für eine Sanktionsfreistellung innerhalb einer kurzen Übergangsfrist ist jedoch nicht zu leugnen. Insoweit ist fraglich, ob die Ungleichbehandlung von Straf- und Bußgeldvorschriften mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist. Jedenfalls wird es geboten sein, bei unmittelbar nach Inkrafttreten stattfindenden Zuwiderhandlungen unter den Voraussetzungen des § 18 Abs 11von einer Ahndung nach § 47 Abs 1 OWiG aus Opportunitätsgründen abzusehen.
VI. Subjektiver Tatbestand
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Die Ordnungswidrigkeiten nach § 19 Abs 1sind nur fahrlässig begehbar, bei vorsätzlichem Handeln liegt eine Straftat nach § 18vor. Zuwiderhandlungen nach Abs 2hingegen sind nur im Fall eines vorsätzlichen Verstoßes ahndbar. Im Übrigen ist nach den Abs 3-6sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Verhalten sanktioniert.
VII. Rechtsfolgen ( Abs 6)
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Die Sanktionsdrohung beträgt in den Fällen des Abs 1, des Abs 3 Nr 1 lit aund des Abs 4 S 1 Nr 1Geldbuße bis zu 500 000 EUR. In allen anderen Fällen kann Geldbuße bis zu 30 000 EUR verhängt werden, was gegenüber der Vorgängerregelung in § 33 Abs 6 aF eine Erhöhung um 5 000 EUR darstellt. Sofern sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Begehung ahndbar ist, ermäßigt sich das Höchstmaß der Geldbuße nach § 17 Abs 2 OWiG um die Hälfte, so dass im Fall eines fahrlässigen Verstoßes nach Abs 3 Nr 1 lit abzw nach Abs 4 S 1 Nr 1die maximale Geldbuße 250 000 EUR, in den übrigen Fällen der Abs 3und 4sowie des Abs 5bis zu 15 000 EUR beträgt. Das Mindestmaß der Geldbuße beläuft sich nach § 17 Abs 1 OWiG auf 5 EUR. Die Bußgeldobergrenze kann nach § 17 Abs 4 S 2 OWiG auch überschritten werden, wenn dies zur Abschöpfung der Vorteile der Tat erforderlich ist. Bei der Bußgeldzumessung im eigentlichen Sinne sind nach § 17 Abs 3 OWiG die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der den Täter treffende Vorwurf sowie seine wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend.
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Im Fall vorsätzlicher Begehung verjähren alle Ordnungswidrigkeiten nach § 19 Abs 1–5gem § 31 Abs 2 Nr 1 OWiG in drei Jahren. Im Fall fahrlässiger Begehung beträgt die Verfolgungsverjährungsfrist nach § 31 Abs 2 Nr 2 OWiG zwei Jahre, mit Ausnahme der fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeiten nach Abs 3 Nr 1 lit aund Abs 4 S 1 Nr 1, bei denen die Verjährungsfrist ebenfalls drei Jahre beträgt.
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Der Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs 3ist wegen der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung subsidiär zu § 17 Abs 1–5oder § 18 Abs 2. Die Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs 4ist subsidiär zu § 18 Abs 1, 3–5, 7oder 8. Im Übrigen ist zwischen Ordnungswidrigkeiten nach § 19untereinander sowie mit anderen Ordnungswidrigkeiten Idealkonkurrenz möglich.[33] Zwischen Straftaten nach §§ 17, 18 AWGund Ordnungswidrigkeiten nach § 19 AWG, §§ 81 ff AWVist zudem Realkonkurrenz möglich, sofern es sich um unterschiedlichen Handlungen oder Unterlassungen handelt.[34] Anderenfalls tritt nach § 21 OWiG die Ordnungswidrigkeit hinter die Straftat zurück.
[1]
Krenzler/Herrmann/Niestedt/ Niestedt Kap 50 Rn 100.
[2]
Vgl Vorb § 17 Rn 11 f.
[3]
BT-Drucks 17/11127, 25.
[4]
AWR-Komm/ Morweiser § 19 Rn 3.
[5]
AWR-Komm/ Morweiser § 19 Rn 3.
[6]
Abrufbar unter www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/erstes-gesetz-zur-aenderung-des-aussenwirtschaftsgesetzes-gesetzentwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=4(zuletzt abgerufen 1.5.2020).
[7]
Rüsken/Stein/Thoms/ Prieß/Stein § 19 AWG, Rn 8.
[8]
AWR-Komm/ Morweiser § 19 Rn 23; aA Rüsken/Stein/Thoms/ Prieß/Stein § 19 AWG, Rn 8.
[9]
AA AWR-Komm/ Morweiser § 19 Rn 23.
[10]
AA Graf/Jäger/Wittig/ Cornelius § 19 Rn 10.
[11]
Leitner/Rosenau/ Ahlbrecht § 19 Rn 5.
[12]
Erbs/Kohlhaas/ Diemer § 33 AWG Rn 24; Rüsken/Stein/Thoms/ Prieß/Stein § 19 AWG Rn 9; Leitner/Rosenau/ Ahlbrecht § 19 Rn 5.
[13]
Kohlmann/ Ransiek Steuerstrafrecht § 370 AO Rn 247.
[14]
Kohlmann/ Ransiek Steuerstrafrecht § 370 AO Rn 248.
[15]
Rüsken/Stein/Thoms/ Prieß/Stein § 19 AWG Rn 8; Leitner/Rosenau/ Ahlbrecht § 19 Rn 5.
[16]
Graf/Jäger/Wittig/ Cornelius § 19 Rn 8.
[17]
Erbs/Kohlhaas/ Diemer § 33 AWG Rn 24; Rüsken/Stein/Thoms/ Prieß/Stein § 19 AWG Rn 9; Leitner/Rosenau/ Ahlbrecht § 19 Rn 5; AWR-Komm/ Morweiser § 19 Rn 25.
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