Vor diesem Hintergrund hat der Stellenwert des strategischen Marketing wieder an Bedeutung gewonnen. Dabei ist insbesondere die langfristige Orientierung in der marktorientierten Führung zu betonen. Im Zentrum dieses Führungskonzepts muss der Auf- und Ausbau langfristig absicherbarer Wettbewerbsvorteile stehen, indem in die kritischen, kunden- und marktrelevanten Ressourcen einer Unternehmung investiert wird. Nur so können die aktuellen Herausforderungen, vor denen Unternehmungen nahezu sämtlicher Branchen stehen, bewältigt werden.
Das Anliegen des vorliegenden Bandes der Kohlhammer Edition Marketing ist somit aktueller denn je. Auch die 4. Auflage hat das strategische Marketing wieder aus einer konsequent wettbewerbsorientierten Perspektive aufgearbeitet. Dabei wurde die Grundkonzeption des Lehrbuchs beibehalten. Ausgehend von den Grundlagen einer wettbewerbsorientierten Marketingstrategie werden die Planungs- und Implementierungsprozesse der marktorientierten Führung gekennzeichnet. In diesem Sinne orientiert sich der Aufbau des Buches an den Prozesselementen der strategischen Führung und diskutiert, inwieweit die innerhalb dieser Prozesse einzusetzenden Instrumente, Konzepte und Modelle eine wettbewerbsorientierte Planung und Implementierung marktgerichteter Strategien unterstützen.
Neu in diesem Buch ist zum Beispiel das Kapitel 4.3 zum Service Business Development. Neben situativen spielen ebenfalls kontextuale Strategieoptionen im Marketing eine entscheidende Rolle. Die Generierung neuer Wertschöpfungspotentiale durch Dienstleistungen kann zur Schließung möglicher Wachstumslücken in Unternehmen beitragen. Insbesondere durch die Digitalisierung sind für Unternehmen in diesem Zusammenhang neue Strategieoptionen entstanden. Darüber hinaus wurden einige Teile gestrafft und alle Kapitel aktualisiert.
Die vorliegende 4. Auflage des Lehrbuchs »Strategischen Marketing« richtet sich – wie auch schon die Vorauflagen – an Studierende wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge sowohl auf Bachelor- als auch auf Masterniveau. Aber auch interessierte Praktiker, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Fragen der marktorientierten Führung auseinandersetzen, finden vielfältige Anregungen.
In die 4. Auflage sind zahlreiche Anregungen und Hinweise von Mitarbeitern, Kollegen, Studierenden und auch von Praktikern eingeflossen. Für diese Anregungen gilt ihnen allen unser Dank. Besonders zu Dank verpflichtet sind wir den aktuellen und auch einigen ehemaligen Mitarbeitern am Institut für Marketing und Dienstleistungsforschung der Universität Rostock.
Mein Kollege Christian Brock hat sich darüber hinaus so umfänglich in die Überarbeitung eingebracht, dass ich ihn gebeten habe, ab dieser Auflage als Mitautor für das Buch verantwortlich zu zeichnen.
Schließlich gilt unser besonderer Dank unserer Sekretärin, Frau Jutta Tesche, die uns allen auch in der Zeit, in der die 4. Auflage entstanden ist, den »Rücken freigehalten« hat.
Rostock, im März 2021 Martin Benkenstein und Christian Brock
Rostock, im März 2021 |
Martin Benkenstein und Christian Brock |
1 Grundlagen des strategischen Marketing
1.1 Abgrenzung des Aufgabenspektrums
Die Entwicklungslinien des Marketing sind seit den 1950er Jahren, als dieses Konzept der bewussten Führung einer Unternehmung vom Absatzmarkt her aufkam, vielfältig verlaufen. Neben einer Vertiefung und einer Verbreiterung des Marketing (Meffert, Bruhn 1976) haben insbesondere die mannigfaltigen Veränderungen der Aufgabenumwelt und vor allem deren diskontinuierliche Entwicklung den Stellenwert der strategischen Orientierung im Marketing verdeutlicht (Ansoff 1981; Köhler, Böhler 1984). Damit hat sich das Marketing immer mehr zu einem integrierten Konzept der marktorientierten Unternehmensführung entwickelt (Meffert 1989; Köhler 1993).
Abb. 1-1: Strategisches Marktteilnehmerdreieck
Betrachtet man die Entwicklungsverläufe im Einzelnen, so lassen sich grundsätzlich sechs verschiedene Phasen der Absatzmarktorientierung voneinander abgrenzen. Abbildung 1-1 verdeutlicht diese Entwicklung anhand des strategischen Dreiecks der Marktteilnehmer (Meffert 1986):
1. Die erste Phase der Absatzmarktorientierung ist dadurch gekennzeichnet, dass aufgrund von – wodurch auch immer verursachten – Mangelsituationen ein Verkäufermarkt vorherrscht: die Nachfrage ist in einer solchen Marktsituation größer als das Angebot. Unternehmungen streben deshalb vor allem nach Massenproduktion. Dominante Engpassfaktoren sind einerseits Finanzmittel und Produktionskapazitäten und andererseits die zugelieferten Mengen an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. Diese Engpassfaktoren dominieren die strategische Unternehmensplanung. Dem Marketing kommt hingegen ein untergeordneter Stellenwert zu. Aufgabe des Marketing ist vor allem die Distribution der in Massenfertigung erstellten Erzeugnisse.
2. In der zweiten Phase verändern sich die Marktbedingungen deshalb nachhaltig, weil erste Sättigungserscheinungen im Absatzmarkt auftreten: Der Verkäufermarkt entwickelt sich zu einem Käufermarkt. Entsprechend kann nicht mehr alles abgesetzt werden, was im Zuge der Massenproduktion hergestellt wird. Der Kunde wird zum dominanten Engpassfaktor, an dem sich die gesamte Unternehmenstätigkeit auszurichten hat (Nieschlag et al. 2002). Diese Orientierung an den Wünschen und Bedürfnissen der Verbraucher kennzeichnet die eigentliche »Geburtsstunde« des Marketing. Definitionen wie »Marketing soll durch die dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse die Unternehmensziele im gesamtwirtschaftlichen Güterversorgungsprozess verwirklichen« (Meffert et al. 2019), kennzeichnen diese Phase der Absatzmarktorientierung. Die kundenorientierten Instrumente des Marketing werden in dieser Phase erstmals systematisch entwickelt und eingesetzt, die Grundgedanken der Beeinflussung und Steuerung des Absatzmarktes durch den Marketing-Mix erlangen zunehmende Verbreitung.
3. In der dritten Phase, die in Deutschland mit Aufhebung der »Preisbindung der zweiten Hand« im Jahre 1972 einsetzt und die den Absatzmittlern vollständige Preisautonomie verleiht, beginnt ein Konzentrationsprozess in vielen Sektoren des Handels. Dieser Konzentrationsprozess mündet letztlich in einer permanent steigenden Nachfragemacht des Handels. Neben der Kaufbereitschaft der Konsumenten entsteht in diesem Zuge ein zweiter absatzmarktbezogener Engpassfaktor: der Regalplatz im Handel. Entsprechend reagieren die Konsumgüterhersteller und setzen zunehmend handelsgerichtete Instrumente des Marketing ein. Die Grundgedanken des vertikalen Marketing und der Marketingführerschaft im Absatzkanal entstehen in dieser Phase. Marketing wird somit immer stärker auch als Führungskonzeption im Absatzkanal verstanden.
4. Die zunehmende Internationalisierung des Wettbewerbs auf Konsum-, aber auch auf Industriegütermärkten, die spätestens in den 1980er Jahren zu einer Verschärfung der Wettbewerbsbedingungen führt und die charakteristischen Züge des Verdrängungswettbewerbs trägt, hat zur Folge, dass die strategischen und dabei insbesondere die wettbewerbsstrategischen Aspekte einer marktorientierten Unternehmensführung besondere Bedeutung erlangen. Die langfristig erfolgreiche Positionierung der Unternehmung und ihrer Produkte bzw. Marken erhält damit einen herausragenden Stellenwert. Die Marketingstrategie wird dabei als »bedingter, globaler und langfristiger Verhaltensplan zur Erreichung der Unternehmens- und Marketingziele« (Meffert 1986) verstanden. Diese strategische Orientierung äußert sich insbesondere darin, dass Marketingstrategien darauf auszurichten sind, dauerhafte Wettbewerbsvorteile aufzubauen und zu sichern (Faix, Görgen 1994). Denn nur dann, wenn die Konsumenten und auch die Absatzmittler die Leistungsangebote eines Herstellers besser einschätzen als die Angebote seiner Wettbewerber, kann dieser Anbieter seine Unternehmensziele langfristig erfüllen (Porter 1985). Vor diesem Hintergrund »reduziert« sich die Konzeption des strategischen Marketing darauf, dass Unternehmungen immer dann in besonderer Weise erfolgreich sind, wenn sie in den Augen ihrer Nachfrager eine qualitativ bessere oder kostengünstigere Leistung als ihre Konkurrenten anbieten. Das Konstrukt des »komparativen Konkurrenzvorteils« (Backhaus 1992) wird damit zum zentralen Merkmal des strategischen Marketing.
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