Hannes Bajohr - TEXT + KRITIK Sonderband - Digitale Literatur II

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Literatur ist so digital wie die Gesellschaft, in der sie stattfindet. Heute sind Rezeption und Literaturproduktion weitestgehend von digitaler Technik bestimmt.
Und doch lassen sich Unterschiede ausmachen, inwieweit die unter den Bedingungen einer digital bestimmten Lebenswelt produzierte Literatur auch diese Bedingtheit reflektiert. Im Gegenwartsroman, in dem Digitalität vor allem auf Beschreibungsebene Eingang findet, werden die Parameter klassischer literarischer Form selten angetastet. Weiter gehen Experimente in sozialen Medien, in denen die Tools der Plattformen neue Schreibweisen hervorbringen. Und wieder Bedeutung gewonnen hat jene Tradition, die man genuin digitale Literatur nennen kann und die nicht nur nebenbei und instrumentell digitale Technik verwendet, sondern ihre Werke ganz wesentlich durch Computer, Algorithmen oder neuronale Netze produziert.
Der Sonderband schreibt die erste Bestandsaufnahme digitaler Literatur in TEXT+KRITIK aus dem Jahr 2001 fort und hebt die Differenzen und Kontinuitäten hervor, die sich in diesem Feld seitdem ergeben haben. Als Diskussion des State of the Art in technischer wie literarischer Hinsicht ist er eine Momentaufnahme einer im Umbruch befindlichen Literatur.

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Digitale Literatur II

Herausgegeben von

Hannes Bajohr und Annette Gilbert

TEXTKRITIK Zeitschrift für Literatur SONDERBAND Begründet von Heinz Ludwig - фото 1

TEXT+KRITIK. Zeitschrift für Literatur. SONDERBAND

Begründet von Heinz Ludwig Arnold

Redaktion:

Meike Feßmann, Axel Ruckaberle, Michael Scheffel und Michael Töteberg

Leitung der Redaktion: Claudia Stockinger und Steffen Martus

Tuckermannweg 10, 37085 Göttingen,

Telefon: (0551) 5 61 53, Telefax: (0551) 5 71 96

Print ISBN 978-3-96707-548-9

E-ISBN 978-3-96707-550-2

Umschlaggestaltung: Thomas Scheer

Umschlagabbildung: Hannes Bajohr, nach einer Idee von Gregor Weichbrodt

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.deabrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG, München 2021

Levelingstraße 6a, 81673 München

www.etk-muenchen.de

Inhalt

Hannes Bajohr / Annette Gilbert

Platzhalter der Zukunft: Digitale Literatur II (2001 → 2021)

Gregor Weichbrodt

On the Road

Eine Liste

Thorsten Ries Digitale Literatur als Gegenstand der Literaturwissenschaft. Ein multimodales Forschungsprogramm

Elias Kreuzmair Die Zukunft der Gegenwart (Berlin, Miami). Über die Literatur der ›digitalen Gesellschaft‹

Kathrin Passig Cocktail Fubar

Unendlicher Stress (mit Gregor Weichbrodt; Auszug)

Jasmin Meerhoff Verteilung und Zerstäubung. Zur Autorschaft computergestützter Literatur

Annette Gilbert Kollaterales Schreiben. Digitale Kollaboration im Zeitalter von Crowdworking und Algotaylorismus

Jasmin Meerhoff aufgestaut

Dîlan Canan Çakir / Anna Kinder / Sandra Richter Computerspiele und Literatur. Schnittmengen, Unterschiede und offene Fragen

Sarah Berger Instagram-Collagen

33

Niels Penke Populäre Schreibweisen. Instapoetry und Fan-Fiction

Berit Glanz »Bin ich das Arschloch hier?« Wie Reddit und Twitter neue literarische Schreibweisen hervorbringen

Fabian Navarro / Selina Seemann der balkon der natur

wir sind die, die gratulieren

Kathrin Passig Wenn man nicht alles selber schreibt. Sieben Gründe für das Generieren von Texten

Karl Wolfgang Flender Do Conceptualists Dream of Electric Sheep? Algorithmische Interpretation des Unbewussten in Conceptual Writing und konzeptueller Codeliteratur

Jörg Piringer entropie

Jörg Piringer dunkelheit

Andreas Bülhoff Zeichenkodierung und digitale Textkunst

Alexander Waszynski Reflexive Immersion. Zur Lesbarkeit korpusbasierter digitaler Poesie

Allison Parrish Compasses

Hannes Bajohr Künstliche Intelligenz und digitale Literatur. Theorie und Praxis konnektionistischen Schreibens

Christiane Frohmann Vom Verlegen. Ein Wirkstättenbericht

Nick Montfort Complaint / Polytropon

Hannes Bajohr / Annette Gilbert Auswahlbibliografie

Notizen

Hannes Bajohr / Annette Gilbert

Platzhalter der Zukunft: Digitale Literatur II (2001 → 2021) Inhalt Hannes Bajohr / Annette Gilbert Platzhalter der Zukunft: Digitale Literatur II (2001 → 2021) Gregor Weichbrodt On the Road Eine Liste Thorsten Ries Digitale Literatur als Gegenstand der Literaturwissenschaft. Ein multimodales Forschungsprogramm Elias Kreuzmair Die Zukunft der Gegenwart (Berlin, Miami). Über die Literatur der ›digitalen Gesellschaft‹ Kathrin Passig Cocktail Fubar Unendlicher Stress (mit Gregor Weichbrodt; Auszug) Jasmin Meerhoff Verteilung und Zerstäubung. Zur Autorschaft computergestützter Literatur Annette Gilbert Kollaterales Schreiben. Digitale Kollaboration im Zeitalter von Crowdworking und Algotaylorismus Jasmin Meerhoff aufgestaut Dîlan Canan Çakir / Anna Kinder / Sandra Richter Computerspiele und Literatur. Schnittmengen, Unterschiede und offene Fragen Sarah Berger Instagram-Collagen 33 Niels Penke Populäre Schreibweisen. Instapoetry und Fan-Fiction Berit Glanz »Bin ich das Arschloch hier?« Wie Reddit und Twitter neue literarische Schreibweisen hervorbringen Fabian Navarro / Selina Seemann der balkon der natur wir sind die, die gratulieren Kathrin Passig Wenn man nicht alles selber schreibt. Sieben Gründe für das Generieren von Texten Karl Wolfgang Flender Do Conceptualists Dream of Electric Sheep? Algorithmische Interpretation des Unbewussten in Conceptual Writing und konzeptueller Codeliteratur Jörg Piringer entropie Jörg Piringer dunkelheit Andreas Bülhoff Zeichenkodierung und digitale Textkunst Alexander Waszynski Reflexive Immersion. Zur Lesbarkeit korpusbasierter digitaler Poesie Allison Parrish Compasses Hannes Bajohr Künstliche Intelligenz und digitale Literatur. Theorie und Praxis konnektionistischen Schreibens Christiane Frohmann Vom Verlegen. Ein Wirkstättenbericht Nick Montfort Complaint / Polytropon Hannes Bajohr / Annette Gilbert Auswahlbibliografie Notizen

Fortsetzung und doch zugleich wieder nur Momentaufnahme

Die voranschreitende Digitalisierung macht auch vor der Literatur nicht halt. Heute ist nicht nur die Rezeption, sondern auch jeder Schritt der Literaturproduktion – die sich nicht mehr auf den klassischen Betrieb beschränkt – nahezu ausnahmslos von digitaler Technik bestimmt. So ist Literatur stets so digital wie die Gesellschaft, in der sie stattfindet. Damit ist die Ausgangssituation 2021 eine andere als 2001, da der erste TEXT+KRITIK-Band »Digitale Literatur« erschien. Getragen von der Aufbruchsstimmung der 1990er Jahre galt ›das Digitale‹ seinerzeit noch immer als das Kommende. Gerade das literarische Feld betraf das erst in einem sehr begrenzten Bereich. Heute dagegen stehen wir mitten in einer Gesellschaft, die sich, im Partizip Perfekt, als bereits »digitalisierte« versteht. 1

TEXT+KRITIK hat die Wechselwirkung von Literatur und Digitalität früh erkannt. Der von Roberto Simanowski herausgegebene Band ist weiterhin ein wichtiges Dokument der Auseinandersetzung mit digitaler Poetik und Praxis. Doch weil sich Wandel im Digitalen nicht nur technisch, sondern auch konzeptuell und poetologisch besonders schnell vollzieht, sind 20 Jahre ein Quantensprung, der es nahelegt, dieser Ausgabe eine zweite folgen zu lassen. Sie nimmt zum einen die Entwicklungen der letzten zwei Dekaden in den Blick. Zum anderen führt sie den Beweis, dass die »Hochphase digitaler Literatur« keineswegs, wie jüngst ein Rezensent meinte, »in den 1990er Jahren« lag und »Dissertationen zum Thema (…) ihren Gegenstand schon als einen historisch gewordenen erscheinen« lassen. 2Weniger ist die digitale Literatur historisch geworden als vielmehr ein bestimmter Begriff von ihr und ein damit bezeichnetes, eher enges Feld literarischer Produktion und literaturwissenschaftlicher Beobachtung. Der Auseinandersetzung mit den poetischen Möglichkeiten des Digitalen konnte die eingeschlafene akademische Diskussion nichts anhaben – wie die reiche Textgrundlage dieses Bandes beweist, floriert sie heute mehr denn je.

Zugleich liegt auf der Hand, dass in einem solch dynamischen Umfeld auch der vorliegende Band nur eine Momentaufnahme des technischen und ästhetischen state of the art sein kann. Sinnbild dieses Selbstverständnisses als Dokument einer fluiden literarischen Landschaft ist einerseits die Aufnahme künstlerischer Positionen in diese Ausgabe: Sie repräsentieren ausgewählte Tendenzen des Feldes und vertiefen das Spektrum der literaturwissenschaftlichen Analysen; ihre Auswahl soll weniger eine historische Entwicklung abdecken als den Moment gegenwärtiger digitaler Literaturproduktion darstellen. Für diesen transitorischen Charakter steht andererseits auch das Ladezeichen, das den Titel dieses Bandes ziert. Das spinner genannte (und normalerweise animierte) Symbol zeigt an, dass eine Anwendung geladen wird. Es markiert so ein besonderes Gegenwartsverhältnis – ein Jetzt, das auf eine unmittelbar zu erwartende, gewissermaßen infradünne Zukunft verweist.

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