Als ich noch bei meinem Einsiedel den Weg zum ewigen Leben studierte, verwundert ich mich, warum doch Gott seinem Volk die Abgötterei so hochsträflich verboten? denn ich bildete mir ein, wer einmal den wahren ewigen Gott erkennet hätte, der würde wohl nimmermehr keinen andern ehren und anbeten; schloß also in meinem dummen Sinn, dies Gebot sei ohnnötig, und vergeblich gegeben worden: Aber ach! ich Narr wusste nicht was ich gedachte, denn sobald ich in die Welt kam, vermerkte ich, dass (dies Gebot ohnangesehen) beinahe jeder Weltmensch einen besondern Nebengott hatte, ja etliche hatten wohl mehr, als die alten und neuen Heiden selbsten, etliche hatten den ihrigen in der Kisten, auf welchen sie allen Trost und Zuversicht setzten; mancher hatte den seinen bei Hof, zu welchem er alle Zuflucht gestellt, der doch nur ein Favorit und oft ein liederlicher Bärnhäuter war als sein Anbeter selbst, weil sein luftige Gottheit nur aus des Prinzen aprilenwetterischer Gunst bestund; andere hatten den ihrigen in der Reputation, und bildeten sich ein, wenn sie nur dieselbige erhielten, so wären sie selbst auch halbe Götter; noch andere hatten den ihrigen im Kopf, nämlich diejenigen, denen der wahre Gott ein gesund Hirn verliehen, also dass sie einige Künste und Wissenschaften zu fassen geschickt waren, dieselben setzten den gütigen Geber auf ein Seit, und verließen sich auf die Gab, in Hoffnung, sie würde ihnen alle Wohlfahrt verleihen; auch waren viel, deren Gott ihr eigener Bauch war, welchem sie täglich die Opfer reichten, wie vorzeiten die Heiden dem Baccho und der Cerere getan, und wenn solcher sich unwillig erzeigte, oder sonst die menschlichen Gebrechen sich anmeldeten, so machten die elenden Menschen einen Gott aus dem Medico, und suchten ihres Lebens Aufenthalt in der Apothek, aus welcher sie zwar öfters zum Tod befördert wurden. Manche Narren machten sich Göttinnen aus glatten Metzen, dieselben nenneten sie mit andern Namen, beteten sie Tag und Nacht an mit viel tausend Seufzern und machten ihnen Lieder, welche nichts anders als ihr Lob in sich hielten, benebens einem demütigen Bitten, dass solche mit ihrer Torheit ein barmherziges Mitleiden tragen und auch zu Närrinnen werden wollten, gleichwie sie selbst Narren seien. Hingegen waren Weibsbilder, die hatten ihre eigene Schönheit für ihren Gott aufgeworfen; diese, gedachten sie, wird mich wohl vermannen, Gott im Himmel sage dazu, was er will; dieser Abgott ward anstatt anderer Opfer täglich mit allerhand Schminke, Salben, Wassern, Pulvern und sonst Schmirsel unterhalten und verehrt. Ich sah Leut, die wohlgelegene Häuser für Götter hielten, denn sie sagten, solang sie darin gewohnet, wäre ihnen Glück und Heil zugestanden und das Geld gleichsam zum Fenster hineingefallen; welcher Torheit ich mich höchstens verwundert, weil ich die Ursach sah, warum die Inwohner so guten Zuschlag gehabt. Ich kannte einen Kerl, der konnte in etlich Jahren vor dem Tobakhandel nicht recht schlafen, weil er demselben sein Herz, Sinn und Gedanken, das allein Gott gewidmet sein sollte, geschenkt hatte, er schickte demselben so tags als nachts so viel tausend Seufzer, weil er dadurch prosperierte; aber was geschah? der Phantast starb, und fuhr dahin wie der Tobakrauch selbst. Da gedacht ich: »O du elender Mensch! wäre dir deiner Seelen Seligkeit und des wahren Gottes Ehr so hoch angelegen gewesen als der Abgott, der in Gestalt eines Brasilianers mit einer Roll Tobak unterm Arm und einer Pfeifen im Maul auf deinem Gaden stehet, so lebte ich der ohnzweiflichen Zuversicht, du hättest ein herrliches Ehrenkränzlein in jener Welt zu tragen erworben.« Ein anderer Gesell hatte noch wohl liederlichere Götter, denn als bei einer Gesellschaft von jedem erzählt wurde, auf was Weis er sich in dem greulichen Hunger und teurer Zeit ernähret und durchgebracht, sagte dieser mit teutschen Worten: Die Schnecken und Frösch seien sein Herr Gott gewesen, er hätte sonst in Mangel ihrer müssen Hungers sterben. Ich fragte ihn, was ihm denn damals Gott selbst gewesen wäre, der ihm solche Insecta zu seinem Aufenthalt beschert hätte? Der Tropf aber wusste nichts zu antworten, und ich musste mich um so viel desto mehr verwundern, weil ich noch nirgends gelesen, dass die alten abgöttischen Ägypter noch die neulichsten Amerikaner jemals dergleichen Ungeziefer für Gott ausgeschrien, wie dieser Geck tat.
Ich kam einsmals mit einem vornehmen Herrn in eine Kunstkammer, darinnen schöne Raritäten waren, unter den Gemälden gefiel mir nichts besser als ein Ecce Homo! wegen seiner erbärmlichen Darstellung, mit welcher es die Anschauer gleichsam zum Mitleiden verzückte; daneben hing eine papierne Karte in China gemalt, darauf stunden der Chinesen Abgötter in ihrer Majestät sitzend, deren teils wie die Teufel gestaltet waren; der Herr im Haus fragte mich, welches Stück in seiner Kunstkammer mir am besten gefiele? Ich deutet auf besagtes Ecce Homo, er aber sagte, ich irre mich, das Chineser Gemäld wäre rarer und dahero auch köstlicher, er wolle es nicht um zehen solcher Ecce Homo mangeln. Ich antwortet: »Herr, ist euer Herz wie euer Mund?« Er sagte: »Ich versehe michs.« Darauf sagte ich: »So ist auch euers Herzens Gott derjenige, dessen Conterfait ihr mit dem Mund bekennet, das köstlichste zu sein.« »Phantast«, sagt' jener, »ich ästimiere die Rarität!« Ich antwortet: »Was ist seltener und verwundernswürdiger, als dass Gottes Sohn selbst unsertwegen gelitten, wie uns dies Bildnis vorstellt?«
Das 25. Kapitel: Dem seltsamen Simplicio kommt in der Welt alles seltsam vor, und er hingegen der Welt auch
So sehr wurden nun diese und noch eine größere Menge anderer Art Abgötter geehrt, so sehr wurde hingegen die wahre göttliche Majestät verachtet, denn gleichwie ich niemand sah, der sein Wort und Gebot zu halten begehrte, also sah ich hingegen viel, die ihm in allem widerstrebten, und die Zöllner (welche zu den Zeiten, als Christus noch auf Erden wandelt', offene Sünder waren) mit Bosheit übertrafen. Christus spricht: »Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen, tut wohl denen die euch hassen, bittet für die so euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid euers Vaters im Himmel; denn so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? tun solches nicht auch die Zöllner? und so ihr euch nur zu euren Brüdern freundlich tut, was tut ihr Sonderliches? tun nicht die Zöllner auch also?« Aber ich fand nicht allein niemand, der diesem Befehl Christi nachzukommen begehrte, sondern jedermann tat gerad das Widerspiel, es hieß, viel Schwäger, viel Knebelspieß', und nirgends fand sich mehr Neid, Haß, Mißgunst, Hader und Zank als zwischen Brüdern, Schwestern und andern angebornen Freunden, sonderlich wenn ihnen ein Erb zuteilen zugefallen war; auch sonst haßte das Handwerk aller Orten einander, also dass ich handgreiflich sehen und schließen musste, dass vor diesem die offenen Sünder, Publikanen und Zöllner, welche wegen ihrer Bosheit und Gottlosigkeit bei männiglich verhaßt waren, uns heutigen Christen mit Übung brüderlicher Liebe weit überlegen gewesen; maßen ihnen Christus selbsten das Zeugnis gibt, dass sie sich untereinander geliebet haben. Dahero betrachtete ich, wenn wir keinen Lohn haben, so wir die Feinde nicht lieben, was für große Strafen wir dann gewärtig sein müssen, wenn wir auch unsere Freund hassen; wo die größte Lieb und Treu sein sollte, fand ich die höchste Untreu und den gewaltigsten Haß. Mancher Herr schund seine getreuen Diener und Untertanen, hingegen wurden etliche Untertanen an ihren frommen Herren zu Schelmen. Den kontinuierlichen Zank vermerket ich zwischen vielen Eheleuten, mancher Tyrann hielt sein ehrlich Weib ärger als einen Hund, und manche lose Vettel ihren frommen Mann für einen Narrn und Esel. Viel hündische Herrn und Meister betrogen ihre fleißigen Dienstboten um ihren gebührenden Lohn, und schmälerten beides Speis und Trank, hingegen sah ich auch viel untreu Gesind, die ihre frommen Herren entweder durch Diebstahl oder Fahrlässigkeit ins Verderben setzten. Die Handelsleut und Handwerker renneten mit dem Judenspieß gleichsam um die Wett, und sogen durch allerhand Fünde und Vorteil dem Bauersmann seinen sauren Schweiß ab; hingegen waren teils Bauren so gar gottlos, dass sie sich auch darum bekümmerten, wenn sie nicht rechtschaffen genug mit Bosheit durchtrieben waren, andere Leut, oder auch wohl ihre Herren selbst, unterm Schein der Einfalt zu berufen. Ich sah einsmals einen Soldaten einem andern eine dichte Maulschelle geben, und bildete mir ein, der Geschlagene würde den andern Backen auch darbieten (weil ich noch niemal bei keiner Schlägerei gewesen). Aber ich irrete, denn der Beleidigte zog von Leder, und versetzte dem Täter eine Wunde dafür an Kopf. Ich schrie ihm überlaut zu, und sagte: »Ach Freund, was machst du?« »Da wär einer ein Bärnhäuter«, antwort jener, »ich will mich der Teufel hol etc. selbst rächen, oder das Leben nicht haben! Hei, müßte doch einer ein Schelm sein, der sich so kujonieren ließe.« Der Lärmen zwischen diesen zweien Duellanten ergrößert' sich, weilen beiderseits Beiständer, samt dem Umstand und Zulauf, einander auch in die Haar kamen; da hörte ich schwören bei Gott und ihren Seelen so leichtfertig, dass ich nicht glauben konnte, dass sie diese für ihr edelst Kleinod hielten. Aber das war nur Kinderspiel, denn es blieb bei so geringen Kinderschwüren nicht, sondern es folgte gleich hernach: »Schlag mich der Donner, der Blitz, der Hagel, zerreiß und hol mich der etc. ja nicht einer allein, sondern hunderttausend, und führen mich in die Lüft' hinweg!« Die H. Sacramenta mussten nicht nur siebenfältig, sondern auch mit hunderttausenden, ja so viel Tonnen, Galeeren und Stadtgräben voll heraus, also dass mir abermal alle Haar gen Berg stunden. Ich gedachte wiederum an den Befehl Christi, da er sagt: »Ihr sollt allerdings nicht schwören, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Stuhl, noch bei der Erden, denn sie ist seiner Füße Schemel, noch bei Jerusalem, denn sie ist eines großen Königs Stadt, auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören, denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß und schwarz zu machen, euer Rede aber sei ja ja, nein nein, was drüber ist, das ist vom Übel.« Dieses alles, und was ich sah und hörete, erwog ich, und schloß festiglich, dass diese Balger keine Christen seien, suchte derowegen eine andere Gesellschaft.
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