© Sara Dannenbrink
Ajana Holz,geb. 1964, gründete 1999 das bundesweit mobile Bestattungsunternehmen „DIE BARKE – Bestattung und Begleitung in Frauenhänden“ aus Liebe zu den Toten und den Lebenden und wurde damit zu einer Pionierin für eine lebendige Bestattungskultur. www.die-barke.de
Ajana Holz
Für eine lebendige Bestattungskultur
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Projektkoordination und Lektorat: Simone Holz, Pisa; Franziska Brugger, Frankfurt am Main
Satz und Gestaltung: Walburga Fichtner, Köln
Umschlagabbildung: © Grandfailure/ istockphoto.com
Bildbearbeitung: Marion Ullrich, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-86321-560-6
Alle Rechte vorbehalten
I Mit unserer Liebe für die Toten …
II Tod im Leben: Unser gesellschaftlicher Umgang
Tod hier und heute: Schwermütiges Dunkel und Schweigen?
Fern vom eigenen Zuhause: Krankenhaus, Heim, Bestattungsunternehmen …
Für die Menschenrechte der Toten: Die juristische Versachlichung
„Nur die Hülle“? Folgen der Spaltung von Körper, Geist und Seele
Übergänge angemessen begleiten
Hygienische Totenversorgung: Zwischen Notwendigkeit und Körperverletzung
„Nur nichts anmerken lassen!“ – Fehlende Anerkennung und Unterstützung im beruflichen Umgang mit Tod
III „Hebamme“ für die Toten
„Seelen-Hebamme“ und Übergangsbegleiterin
Andere Bilder: Von der Todin umarmt
Frauenkönnen und Frauenwissen um Geburt und Tod
Unser Umgang mit den Toten: Herzensberührung
Was wir von den Toten gelernt haben: Die Totenwaschung
„Was ist das: Totsein?“ Von einem sehr lebendigen Zustand
DIE BARKE: Totenschiff auf dem Totenfluss
Mobil & bundesweit: Ein anderes Netzwerk
„Ist das nicht zu schwer?“ Warum das Mütter und Pflegende selten gefragt werden
IV Für eine lebendige Bestattungs- und Trauerkultur!
Trauerfeiern: Bunte Feiern des Lebens
Abschiedsreden: Die Ehre, aus dem Leben von ZeitzeugInnen erzählen zu dürfen
Alte Traditionen werden wieder lebendig: Hausaufbahrung und Totenwache
Mitten im Leben: Vom Abschied zu Hause
Praktische Tipps für die Hausaufbahrung
Trauer: Die Kraft, die uns hilft, weiterzuleben
40 Tage nach dem Tod: Eine erste Schwelle
Das Glück in tiefster Trauer: Warum sich Lachen und Weinen nah sind
V Von den sehr schweren Abschieden
Plötzlich, unerwartet und viel zu früh …
Von Trauernden lernen
Wenn Kinder sterben: Die tiefe Weisheit der Mütter
Begraben: „Hilf mir, es selbst zu tun.“ (Maria Montessori)
Wie Kinder trauern: Was die Großen von den Kleinen lernen können
Pränataldiagnostik: Entscheidung über das Leben vor der Geburt
VI Mit der Todin tanzen: Eine andere Kultur
Mexiko: Das bunte Fest für die Toten
Die Vernichtung der Weisen Frauen: An unseren Wurzeln beschnitten
Auf den Schultern der AhnInnen
Was heißt hier: Schamanin? Ein Teil meiner Geschichte
Die Toten sind mit uns
VII Wie will ich bestattet werden?
Wichtige Informationen für die erste Zeit nach dem Tod
Bestattungsablauf: Die kostbare Zeit zwischen Tod und Bestattung
Organspende
Vorsorge
Vollmachten und Verfügungen
Rechtliches: Darf ich … einen Sarg selber bauen? …
Weitere Anregungen zum Selbstgestalten
Wünsche-Fragebogen für die Bestattungsplanung
VIII Literatur- und Medienempfehlungen, Adressen, Quellenverzeichnis
I Mit unserer Liebe für die Toten …
… ehren wir das Leben.
Das ist ein Satz, eine der vielen Essenzen aus den Erfahrungen meines Bestatterinnen-Daseins.
Warum schreibe ich dieses Buch? Ich bin Bestatterin 1mit Leib und Seele. Ich bin auch „Seelen-Hebamme“ und Übergangsbegleiterin. Das ist meine Berufung und meine Lebensaufgabe.
Schon mit zwölf Jahren wollte ich Hebamme werden. Mich interessierte sehr früh alles, was mit Schwangerschaft und Geburt zu tun hatte – diesem ersten großen Übergang ins Leben – und mit den ganz Kleinen, den neu in diese Welt Hineingeborenen. Ich wollte auf jeden Fall Kinder. Heute habe ich eine Tochter und einen Sohn, zwei wunderbare Menschen, die ich sehr liebe und schätze, und ich bin tatsächlich eine „Hebamme“ geworden – wenn auch ganz anders, als gedacht. Offensichtlich sollte ich zuerst meine eigenen Erfahrungen mit Übergängen machen und dann bei einem anderen Übergang begleiten. Aber das wusste ich damals noch nicht.
Mein Weg führte mich unter anderem zu einem Leben als freie Künstlerin, Geburtsbegleiterin (Doula), Aktivistin für Naturschutz, für Frauenräume und für ein respektvolles Zusammenleben mit allem Lebendigen auf dieser Erde. Einige Jahre begleitete ich Frauen bei Lebensübergängen und leitete zusammen mit anderen ein Notrufzentrum für Frauen.
Ich lernte, die Welt nicht nur aus der ökologischen, sondern nun auch aus einer feministischen Perspektive zu sehen: mit Liebe für mich selbst und der Hochachtung für andere Frauen, für die Natur und die Erde. Die großen Übergänge bei der Geburt meiner Kinder und das Leben mit ihnen sowie die Krise einer lebensbedrohlichen Krankheit lehrten mich viel über Leben und Tod.
Im Jahre 1993 begann ich eine dreijährige schamanische Ausbildung, die bis heute eine wesentliche Grundlage meines Lebens und Wirkens in der Welt ist. Darüber werde ich später im Buch noch ausführlicher erzählen. In dieser Zeit erkrankten eine Mitschülerin und eine meiner Lehrerinnen an Krebs. Ich durfte beide Frauen bei ihrem Umgang mit dieser Krankheit erleben – oder genauer gesagt: bei ihrem Umgang mit den Zuständen und Veränderungen in ihren Körpern. Ich durfte erleben, wie die beiden jeweils von einem Netz von Freundinnen auf diesem Weg begleitet wurden und wie alle Beteiligten dabei bis über alle Grenzen hinaus herausgefordert und gleichzeitig reich beschenkt wurden. Kurz hintereinander war ich auf zwei Beerdigungen, die sehr besonders waren und von vielen Frauen getragen wurden. Das Glück, eine große Gemeinschaft um sich zu haben, die unterstützt und mitträgt, einander den Rücken freihält für das Wesentliche und tatkräftig mit begleitet, ist bis heute für die meisten Menschen, nicht nur in schweren Situationen, die Ausnahme.
Während der Ausbildungszeit erlebte ich noch eine dritte Beerdigungszeremonie. Bei dieser wurde eine Frauenstatue aus Holz sanft in ein kleines Holzboot gelegt und wir bildeten eine Passage, einen Weg der Seelenbegleitung, einen Übergang. So wurden wir die Ufer des Flusses. Zum ersten Mal saß ich am Totenfluss, aber das wurde mir erst sehr viel später klar. Als ich dort saß, direkt bei dem kleinen Boot, in dem die Dame gebettet lag, spürte ich mit einem Mal sehr stark: Hier gehöre ich hin, das ist mein Platz, das ist meine Aufgabe. In diesem Moment war sie geboren: die „Seelen-Hebamme“, die schamanische Übergangsbegleiterin. Und von da an wusste ich: Dieser Aufgabe bin ich verpflichtet. Jedoch sollte es noch Jahre dauern, bis ich dieser Verpflichtung nachkommen konnte, denn kurz nach der klaren Erkenntnis, dass ich Bestatterin werden muss, um wieder einen anderen Umgang mit Tod und den Toten in diese Kultur und zurück ins Leben zu bringen, wurde ich selbst schwer krank und war dem Sterben ganz nahe. 2
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