Catrin Misselhorn - Künstliche Intelligenz und Empathie. Vom Leben mit Emotionserkennung, Sexrobotern & Co

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Künstliche Intelligenz und Empathie. Vom Leben mit Emotionserkennung, Sexrobotern & Co: краткое содержание, описание и аннотация

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Emotionale künstliche Intelligenz gilt als Schlüsseltechnologie der Zukunft. Künstliche Systeme sollen mitfühlend sein und Empathie in uns auslösen. Doch wie erkennen und verarbeiten künstliche Systeme menschliche Emotionen? Können sie echte Gefühle und Empathie empfinden? Führt die Entwicklung schmerzempfindlicher Roboter in der Biorobotik zur Auflösung der Grenze hin zu biologischen Organismen? Haben wir auch moralische Pflichten gegenüber Robotern, die unser Mitgefühl rühren? Und was ist von Roboterliebe und Sexrobotern zu halten?
Die Expertin für Maschinenethik Catrin Misselhorn diskutiert die ethischen und technischen Aspekte dieser Fragen an anschaulichen Beispielen aus der Praxis und gibt einen Überblick über neue Tendenzen der emotionalen Künstlichen Intelligenz, sozialen Robotik und Biorobotik.

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Catrin Misselhorn

Künstliche Intelligenz und Empathie

Vom Leben mit Emotionserkennung, Sexrobotern & Co.

Reclam

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2021 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2021

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961840-1

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014047-5

www.reclam.de

Vorwort

Der Siegeszug der künstlichen Intelligenz schreitet unaufhaltsam fort. Mehr und mehr dringt die Technologie in Bereiche vor, die bislang dem Menschen vorbehalten zu sein schienen. Zwar übertraf die künstliche Intelligenz immer wieder punktuell bestimmte menschliche kognitive Leistungen wie etwa im Go-Spiel. Doch der Weg zu solchen kognitiven Höchstleistungen bestand stets in der überlegenen Rechenfähigkeit der künstlichen Intelligenz. Menschliche Kernkompetenzen wie Emotionen und Empathie blieben außen vor. Das ändert sich zunehmend. Seit den 1980er Jahren macht sich der KI-Visionär Marvin Minsky dafür stark, auch Emotionen bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz zu berücksichtigen, um komplexe Aufgaben besser zu bewältigen.1

Dies gilt umso mehr, wenn künstliche Intelligenz Menschen verstehen und mit ihnen interagieren soll. Entsprechende Fähigkeiten gewinnen zunehmend an Bedeutung, weil in der Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten ein Umdenken stattgefunden hat. Das Paradigma des Menschen als Homo Oeconomicus, der nur darauf aus ist, seinen Nutzen rational zu maximieren, ist in die Kritik geraten. Stattdessen hat sich herausgestellt, wie sehr Menschen sich auch in ihren ökonomischen Entscheidungen von Emotionen und Affekten leiten lassen. Geschäftsanwendungen künstlicher Intelligenz versuchen diesen Wandel abzubilden, um den Menschen als Kunden, aber auch als Mitarbeiter besser zu erfassen.

Durch die zunehmende Automatisierung wandelt sich auch das Erscheinungsbild menschlicher Arbeitsplätze. Soziale Interaktion und Kommunikation stehen immer mehr im Vordergrund. Doch selbst in diesem Feld sind die Menschen nicht mehr unter sich. Vielmehr lautet das neue Stichwort der sogenannten Arbeitswelt 5.0 Kooperation zwischen Mensch und Maschine . Künstliche Intelligenz soll nicht nur Routineaufgaben im Büro erledigen, Versicherungsfälle abwickeln oder Teile der Kundenkommunikation führen. Sie soll auch anspruchsvollere soziale Tätigkeiten übernehmen, etwa die Motivation von Schülern einschätzen oder auf psychische Störungen aufmerksam machen. Um diese Aufgaben zu erfüllen, müssen die Systeme in der Lage sein, menschliche Emotionen zu erkennen und angemessen auf diese zu reagieren.

Künstliche Systeme und Roboter sollen darüber hinaus Helfer, soziale Gefährten und Liebhaber sein. Kameras, Mikrofone und Sensoren im Haus sollen die Stimmung der Nutzer erkennen und etwa Beleuchtung und Musik entsprechend anpassen. Pflegeroboter sollen sich um alte Menschen kümmern, soziale Roboter Einsamen Gesellschaft leisten und Sexroboter sollen nicht nur die üblichen sexuellen Bedürfnisse erfüllen, sondern auch solche Vorlieben, die in der realen Welt moralisch anstößig oder gar gesetzlich verboten sind.

Dieses Buch gibt einen Überblick über die noch recht junge Disziplin der emotionalen künstlichen Intelligenz und will zu einer kritischen Auseinandersetzung anregen. Der Schwerpunkt liegt auf Technologien, die ökonomisch relevant sind und unseren Alltag grundlegend verändern könnten:

Im ersten Kapitel werden die Grundbegriffe der emotionalen künstlichen Intelligenz erläutert. Das zweite Kapitel stellt die wichtigsten Methoden und Entwicklungen zur Erkennung von Emotionen durch künstliche Systeme dar und diskutiert sie aus ethischer Sicht. Wie sich zeigt, zeichnen sich diese Technologien durch einen grundlegenden Mangel an Empathie aus. Deshalb wendet sich das dritte Kapitel dem Schlüsselbegriff der Empathie zu und thematisiert die Bedeutung zwischenmenschlicher Empathie sowie die Möglichkeit, sogenannte artifizielle Empathie in künstlichen Systemen zu realisieren.

Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit zwei Beispielen künstlicher Systeme, die den Anspruch haben, eine empathische Interaktion mit den Nutzern zu ermöglichen. Das eine stammt aus der Altenpflege und das andere aus der klinischen Psychologie. Beide werden zwar von den Nutzern durchaus als empathisch interpretiert, sie empfinden jedoch nicht wirklich Empathie. Um dies zu erreichen, wäre es notwendig, künstliche Systeme zu konstruieren, die selbst Emotionen haben können. Dieser Möglichkeit geht das fünfte Kapitel am Beispiel des Schmerzempfindens nach, das für die Entwicklung artifizieller Empathie besonders bedeutsam ist.

Das sechste Kapitel wendet sich der Beobachtung zu, dass Menschen nicht nur mit Menschen, sondern auch mit Robotern Empathie empfinden. Zwar gleicht dieses Gefühl einer optischen Täuschung, dennoch muss man es in moralischer Hinsicht ernst nehmen und sich fragen, in welchen Bereichen solche Technologien sinnvoll und wünschenswert sind.

Diese Frage stellt sich mit besonderer Dringlichkeit für soziale Roboter, die dafür geschaffen werden, uns als Freunde, Sexualpartner oder sogar Geliebte zu dienen. Im abschließenden siebten Kapitel wird geklärt, worin sich soziale Roboter von anderen unbelebten Objekten unterscheiden, zu denen wir eine emotionale Bindung aufbauen können. Heiß umstritten sind vor allem Sexroboter. Wir werden diskutieren, inwiefern sie moralisch problematisch sind und ob der Kampagne zum Stopp von Sexrobotern recht zu geben ist. Doch Roboter versprechen nicht nur Sex, sondern auch die perfekte Liebe. Ob sie dieses Versprechen einzulösen vermögen oder ob die Liebe die letzte Bastion des Menschlichen ist, in die die künstliche Intelligenz nicht vordringen kann, wird sich am Ende des Buchs zeigen.

1. Emotionale Künstliche Intelligenz

Das Forschungsgebiet der künstlichen Intelligenz (KI) stellt sich die Aufgabe, intelligentes Problemlösungsverhalten durch Maschinen nachzubilden oder zu simulieren, beispielsweise visuelle Wahrnehmung, Spracherkennung und -produktion, automatisiertes Schließen und Entscheiden. Je nachdem, wie stark der damit verbundene Anspruch ist, lassen sich zwei Formen der KI voneinander unterscheiden.

Starke und schwache KI

Schwache KI ist auf die Lösung konkreter Anwendungsprobleme bezogen, menschliche Intelligenz wird im besten Fall nachgeahmt. Starke KI wird hingegen mit dem Anspruch verbunden, eine dem Menschen vergleichbare allgemeine und flexible Form der Intelligenz hervorzubringen. Die starke KI wirft die Frage auf, wann man einem System Intelligenz in einem menschlichen Sinn zuschreiben sollte.

In diesem Zusammenhang hat eine Versuchsanordnung namens Turingtest Berühmtheit erlangt. Alan Turing schuf mit der Turingmaschine die theoretischen Grundlagen des modernen Digitalcomputers. In den 1950er Jahren stellte er die These auf, dass ein künstliches System in einem menschlichen Sinn als intelligent zu gelten habe, wenn es ihm gelänge, einen menschlichen Gesprächspartner in einem Imitationsspiel davon zu überzeugen, dass es sich bei ihm um einen Menschen handelt.2 Da Mensch und Computer nur über ein Display miteinander kommunizieren, wird von den äußerlichen Merkmalen der Beteiligten in dieser Situation abstrahiert. Dies soll Vorurteilen vorbeugen, die sich aus der mechanischen Erscheinungsweise einer Maschine ergeben. Bis heute gibt es allerdings kein künstliches System, das den Turingtest zweifelsfrei bestanden hat.

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