Wie ein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht durchgeführt wird, regelt das sogenannte Zivilprozessrecht. Grundlage dafür sind die Zivilprozessordnung (ZPO) sowie das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Das Zivilprozessrecht regelt also kurz gesagt das Verfahren, auf welche Weise sich privatrechtliche Ansprüche durchsetzen lassen. Die an einem Zivilprozess beteiligten Parteien nennt man Kläger und Beklagter.
Egal vor welchem Gericht man sich »wiedersieht«, im Grunde genommen funktioniert ein zivilrechtliches Verfahren wie folgt: Der Kläger reicht zunächst bei dem zuständigen Gericht eine Klageschrift ein. »Zuständig« ist regelmäßig das Gericht, an dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat – bzw. bei einer Gesellschaft (etwa einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Aktiengesellschaft) deren Sitz. Die Klage wird dann dem oder der Beklagten zugestellt. Mit der Zustellung wird die Klage rechtshängig (Die Rechtshängigkeit sollten Sie sich merken, da sie im BGB verschiedentlich ebenfalls eine Rolle spielt!).
Sie hatten schon die Privatautonomie als ein grundlegendes Prinzip des BGB kennengelernt. Das wirkt bis in das Prozessrecht hinein. So kann ein Gericht nicht »von Amts wegen« ermitteln, was sich zugetragen hat (das heißt, um welchen Sachverhalt es konkret geht). Es obliegt vielmehr den beteiligten Parteien vorzutragen, auf welchen Sachverhalt sie sich stützen. Der Kläger wird regelmäßig vortragen, warum ein Anspruch aus seiner Sicht besteht, der Beklagte regelmäßig dagegenhalten, warum ein Anspruch nicht besteht. Das Gericht entscheidet letztlich auf Basis dieses Vorbringens der Parteien.
Es passiert immer wieder, dass Details zwischen den Parteien streitig sind (ansonsten träfe man sich ja kaum vor Gericht). Sind solche Details aus Sicht des Gerichts entscheidungserheblich, kommt es darauf an, inwieweit etwas bewiesen werden kann. Ein solcher Beweis kann beispielsweise durch Zeugen, mittels Urkunden oder durch Sachverständige erbracht werden.
In der Praxis spielt dabei eine große Rolle, wer überhaupt was zu beweisen hat. Das ist oftmals eine knifflige Frage, die schon so manchen Prozess entschieden hat. Gefordert ist die »beweisbelastete« Partei. Dabei gilt der Grundsatz, dass jede Partei die für sie günstigen Umstände zu beweisen hat. Das bedeutet konkret: Der Kläger hat normalerweise die Tatsachen zu beweisen, die seinen Anspruch begründen; umgekehrt hat der Beklagte die Tatsachen zu beweisen, die dem Anspruch entgegenstehen und ihn wieder vernichten.
Auf Basis des Vorbringens der Parteien sowie gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Beweislage, trifft das Gericht seine Entscheidung (durch Urteil oder Beschluss). Es stellt also fest, ob und inwieweit der vom Kläger gegen den Beklagten geltend gemachte Anspruch besteht oder nicht besteht. Dabei kann eine Entscheidung vollständig zugunsten des Klägers ausfallen. Nicht selten kommt es aber vor, dass eine Klage ganz oder teilweise abgewiesen wird.
Unterliegt eine Partei ganz oder teilweise, besteht regelmäßig die Möglichkeit, den Rechtsstreit noch einmal vor einer höheren Instanz zu bringen oder zumindest die rechtliche Bewertung des Gerichts noch einmal überprüfen zu lassen. Einige Rechtsbehelfe sind
die Berufung: Hier prüft das nächsthöhere Berufungsgericht den gesamten Stoff des vorangegangenen Prozesses erneut.
die Revision: Hier prüft das Revisionsgericht nicht mehr die Tatsachen (insofern wird von in den Vorinstanzen bereits festgestellten Tatsachen ausgegangen), sondern nur noch Rechtsfragen.
die Beschwerde: Hier geht es regelmäßig nur darum, einzelne Fragen zu klären.
Für den Kläger wird es in der Regel nicht ausreichend sein, ein Gerichtsurteil in den Händen zu halten, das ihm bestätigt, einen Anspruch in einer bestimmten Höhe zu haben. Er möchte diesen Anspruch obendrein vollstrecken, wenn die gegnerische Partei nicht freiwillig leistet. Das kann er im Wege der Zwangsvollstreckung durch einen Gerichtsvollzieher durchführen (lassen). Das Urteil bietet dafür die sogenannte Grundlage (man spricht hier von einem vollstreckungsfähigen Titel). Vollstreckt werden können rechtskräftig festgestellte Ansprüche 30 Jahre. Und das ist eine lange Zeit …
In vielen Auseinandersetzungen geht es um Geldforderungen. Hier ist es nicht immer gleich erforderlich, ein gerichtliches Klageverfahren durchzuführen. Eine (einfache und preiswerte) Alternative bietet ein gerichtliches Mahnverfahren (§§ 688 ff. ZPO). Der Anspruchsteller beantragt beim Amtsgericht seines Wohnsitzes einen Mahnbescheid. Dieser wird ohne aufwendige inhaltliche Prüfung erlassen und dem Antragsgegner zugestellt. Letzterer hat seinerseits die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einzulegen. Tut er das nicht, kann auf Grundlage des Mahnbescheids der Erlass eines Vollstreckungsbescheids beantragt werden, aus dem dann wie aus einem Urteil vollstreckt werden kann. Dem Antragsgegner bleibt dann nur noch die letzte Möglichkeit, Einspruch zu erheben, wodurch das Mahnverfahren in ein Klageverfahren überführt wird.
Kapitel 2
Wege durch den Paragrafendschungel
IN DIESEM KAPITEL
Sich mit der juristischen Methode vertraut machen
Gesetze verstehen
Anspruchsmethode beherrschen
Verschiedene Arten von Normen unterscheiden
Gesetze auslegen
Das juristische Arbeiten ist im Grunde sehr praxisorientiert, geht es doch stets darum, Fälle zu lösen und Rechtsfragen zu beantworten. Wie funktioniert das? Man könnte ganz einfach antworten: indem man die Regelungen des BGB anwendet. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn damit das überhaupt gelingt, bedarf es zweierlei: Kennen und Können .
Zum einem muss man sich im BGB auskennen (die notwendigen Inhalte bekommen Sie im zweiten, dritten und vierten Teil dieses Buches vermittelt).
Zum anderen muss man das Gelernte umsetzen können (Übungsmöglichkeiten finden Sie insoweit im fünften Teil dieses Buches).
Beide Aspekte sind dabei untrennbar miteinander verbunden: Je besser Sie sich auskennen, desto einfacher kann man Fälle lösen und Rechtsfragen beantworten. Erfolgreich ist die Arbeit mit dem BGB aber letztlich nur, wenn Sie zugleich die juristische Arbeitsweise und Methode etwas beherrschen. Daher finden Sie in diesem Kapitel etwas dazu, wie Gesetze funktionieren, welche Bedeutung die Anspruchsmethode hat und welche Arten von Normen es gibt. Das Wissen gehört mit zur Grundausstattung, um sich im Paragrafendschungel zu behaupten. Und weil die Ausführungen für alles Weitere wirklich wichtig sind, finden Sie sie hier vorab gebündelt dargestellt – also gewissermaßen ebenfalls »vor die Klammer« gezogen. Lernen Sie also zunächst etwas genauer das juristische Handwerkszeug kennen.
Gesetze – oder: Das juristische Handwerkszeug
Angenommen, Sie möchten Klavier spielen lernen wie Lang Lang oder Kicken wie Ronaldo. Was würden Sie tun? Vermutlich würden Sie sich vor ein Klavier setzen und üben oder mit einem Fußball trainieren. Nicht anders verhält es sich mit dem BGB. Wer auf der Klaviatur des Gesetzes spielen möchte (Sie erlauben diese etwas pathetische Formulierung) oder einen »Elfmeter« verwandeln will – sprich: einen Fall zutreffend lösen möchte –, sollte sich beizeiten mit dem juristischen Handwerkszeug vertraut machen. Ihr Klavier bzw. Ihr Ball ist hier das Gesetz. Und zwar nicht nur das jeweilige Gesetzbuch (also beispielsweise das BGB), sondern jeweils die einschlägigen Rechtsnormen.
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