Cyrus Achouri
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2. Auflage 2022
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© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-041344-3
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pdf: ISBN 978-3-17-041345-0
epub: ISBN 978-3-17-041346-7
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1 Herausforderung Personalmanagement
Lernziel
Sie können skizzieren, wie sich die Personalarbeit in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat und einige aktuelle Herausforderungen schildern.
Abb. 1: Lisa
Lisa ist 23 Jahre alt und Hochschulabsolventin der Betriebswirtschaftslehre (Bachelor). An BWL findet Lisa besonders interessant, dass dieses Studium interdisziplinär ausgerichtet ist und etwa Disziplinen wie Mathematik, Recht oder Psychologie berücksichtigt. Insbesondere im Personalmanagement kommt es dabei auf soziale Fähigkeiten an. Lisa erinnert sich hierbei an das sogenannte Eisbergmodell, das sie in einer der Vorlesungen kennengelernt hat. Demnach sind für Erfolg nicht nur Fakten entscheidend, sondern auch die sogenannten »Soft Facts«.
Während im beruflichen Alltag an der Oberfläche meist nur die verwendeten Instrumente, Methoden und Prozesse im Personalmanagement sichtbar sind, kümmert sich das Personalwesen in Unternehmen ebenso um die unter der Oberfläche liegenden Gefühle und Werthaltungen. Die Arbeit unter der sichtbaren Ebene des Eisbergs erfordert Geschick und setzt sowohl psychologische als auch soziologische Kenntnisse voraus ( Abb. 2). Das Eisbergmodell geht zurück auf die Theorie von Sigmund Freud, der die Bedeutung des Unbewussten (Soft Facts) gegenüber den bewussten Inhalten (Hard Facts) betont hat.
Abb. 2: Das Eisbergmodell des Personalmanagements
Studierende der Betriebswirtschaften, insbesondere mit Schwerpunkt Personalwesen, sollten sich also nicht scheuen, auch über ihren Tellerrand hinauszublicken und beispielsweise angrenzende geisteswissenschaftliche Disziplinen zu berücksichtigen. Schon Thorstein Veblen ( Abb. 3), einer der Gründerväter der Wirtschaftswissenschaften, forderte, dass diese Anthropologie und Soziologie einbeziehen müssten und man kann sagen, dass die heutige BWL auch und gerade durch ihre interdisziplinären Inhalte theoretisch anspruchsvoll und praktisch aktuell bleibt.
Abb. 3: Thorstein Veblen
Abb. 1: Lisa
In ihrem Praktikum hat Lisa sowohl administrative als auch konzeptionelle Tätigkeiten kennengelernt. Ehrlich gesagt hat ihr die administrative Seite weniger Spaß gemacht. Sie hofft, dass die Prognose, die Personalarbeit werde in Zukunft im Wesentlichen strategisch sein, möglichst bald Wirklichkeit wird. In der Tat haben sich die Verantwortlichkeiten von Personalmitarbeitern ebenso wie von Führungskräften und Mitarbeitern in den letzten Jahren grundlegend verändert.
Nicht nur die Erkenntnis, dass die »weichen« Faktoren im Human Resources Management entscheidend sind, hat die Arbeit im Personalwesen verändert. So sind Aufgaben, aber auch Verantwortlichkeiten von der Personalabteilung auf die Führungskraft und im Weiteren auch auf die Mitarbeiter übergegangen. Moderne Personalmanager beraten Führungskräfte, diese coachen und beraten ihre Mitarbeiter, und die Mitarbeiter selbst haben viel an Handlungsspielräumen gewonnen ( Abb. 4). Die Verantwortlichkeit für die eigene berufliche Entwicklung hat sich damit aber auch immer mehr auf den Mitarbeiter selbst verlagert. Modernes Personalmanagement versucht heute mehr und mehr, als strategischer Partner des Business wahrgenommen zu werden und sich von der Zuschreibung auf administrative Rollen zu lösen.
Abb. 4: Alte/moderne Ausrichtung von HR-Management
Insbesondere leistungsfähige IT-Verfahren erleichtern dies zunehmend. Wenngleich es keinen Königsweg für die organisatorische Allokation des Personalwesens in Unternehmen gibt, ist eine Trennung von operativer und strategischer Personalarbeit in jedem Fall sinnvoll. So findet man heutzutage die Personal- und Organisationsentwicklung oft als Stabsfunktion direkt an die Geschäftsführung angebunden. Den Stellenwert, den das Personalwesens im Unternehmen genießt, kann man auch anhand der organisatorischen Einbindung bei der Bedarfsbestimmung ersehen. In einem »sukzessiven« Verständnis reagiert die Strategie der Personalbedarfsbestimmung nur auf die Produkt- bzw. Marktstrategie, bei einem »integrierten« Verständnis wird die Personalstrategie als Teil der Unternehmensstrategie verstanden.
Bei der Prognose der Leistungsfähigkeit von zukünftigen Mitarbeitern sind ungeachtet des demografischen Wandels für die meisten Tätigkeiten schon heute keine physischen Kriterien mehr entscheidend. Dagegen werden sozio-emotionale Belastungsfaktoren aufgrund von psychischem Druck und Stress weiter in den Vordergrund rücken. Bezogen auf Auswahlverfahren heißt das etwa, dass die Lern- und Veränderungsfähigkeit als Schlüsselqualifikation an Bedeutung zunehmen wird. Aber auch die Motivation für lebenslanges Lernen wird in den Vordergrund treten.
Eine Sonderrolle bei den Fähigkeiten spielt der sogenannte »Habitus«. Schon Aristoteles bezeichnet das Auftreten oder die Umgangsformen einer Person, ihre Vorlieben, Gewohnheiten und das Sozialverhalten als »Hexis«, lateinisch Habitus (habere »haben«). Der Begriff Habitus wurde von dem Soziologen Pierre Bourdieu (1930-2002) dann in die Soziologie eingeführt (1987). Als Habitus ist demnach das gesamte Auftreten einer Person, vom Lebensstil über Sprache, Kleidung bis hin zum Geschmack zu bezeichnen. In der soziologischen Ungleichheitsforschung ist damit auch die klassenspezifisch erworbene, unbewusste Angepasstheit der Dispositionen, Verhaltensmuster und Einstellungen einer Person an das jeweilige soziale Umfeld gemeint. Am Habitus einer Person lässt sich der Status einer Person in der Gesellschaft ablesen. Grob unterscheidet Bourdieu vier Kapitalsorten: Ökonomisches Kapital (Vermögen, Unternehmen, Grund, Aktien, Geld, Schmuck, Kunstwerke), Kulturelles Kapital (Bildung, Wissen, Titel), Soziales Kapital (Familie, Freunde, Bekannte, Kontakte) und Symbolisches Kapital (Prestige, Reputation, Auszeichnung). In seiner gesellschaftlichen Kritik zeigt Bourdieu, dass ökonomisches Kapital sich in alle anderen Kapitalsorten relativ einfach verwandeln lässt, während das umgekehrt nicht gilt. Distinguierte soziale Gesellschaftsschichten erkennen sich schon aufgrund des Habitus‹, ohne den richtigen »Stallgeruch« ist ein Aufstieg in die gesellschaftliche Elite selten möglich.
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