»Cool, Bro«, erwiderte ich. »Mach ich.«
Manjaro grinste wieder. »Bin froh, dass bei dir ankommt, was ich sagen will.« Er zog seine Brieftasche raus, leckte den rechten Daumen und den Zeigefinger an und zog zwei Zehnpfundscheine raus. Dann gab er mir das Geld. »Für deine Unannehmlichkeiten.«
»Welche Unannehmlichkeiten?«, fragte ich.
»Könnte sein, dass du Krach mit deiner Schwester kriegst.«
Er machte mir erneut Mut, indem er mir auf die Schulter klopfte, dann war er weg, seine drei Brüder gingen mit ihm über den Fußballplatz. Das Spiel wurde unterbrochen, die Spieler senkten respektvoll die Köpfe, bis alle vorbeigelaufen waren. Mann! Das würden die nicht mal machen, wenn die Bürgermeisterin dieser irren Stadt hier höchstpersönlich vorbeikäme.
Jonah und McKay schoben sich wieder an mich ran. »Jetzt kannst du ja Cola kaufen«, meinte Jonah.
»Und Erdnüsse«, ergänzte McKay.
»Nur wenn ihr mir helft, den Kram nach Hause zu schleppen.«
McKay und Jonah trugen jeder eine Tüte und folgten mir zum Supermarkt, wo ich zwei Literflaschen Cola und zwei Tüten Erdnüsse kaufte. Auf dem Mäuerchen vor dem Laden haben wir erst mal getrunken und gefuttert. Wir sahen Leute kommen und gehen. War ein gutes Gefühl, kaufen zu können, egal was wir wollten, aber dann hatte ich irgendwann so viel Cola intus, dass mir schlecht war. Ich musste mich echt hartnäckig gegen meine beiden Brüder wehren, weil sie jetzt auch noch Schokoriegel, Eis und Handyguthaben von mir wollten. McKay brachte gute Argumente vor, meinte, sein Dad hätte mir ja auch Chickenwings und Pommes spendiert, und jetzt würde ich mein Geld in der Tasche behalten.
Ich trank den Rest von der Cola, dann machte ich mich auf den Weg nach Hause. Jonah half mir, die Tüten schleppen, und McKay ging in der entgegengesetzten Richtung davon. Ich drehte den Schlüssel in der Wohnungstür und dachte möglichst nicht daran, was Manjaro gesagt hatte von wegen Krach mit meiner Schwester. Wird alles cool, sagte ich mir. Jerome braucht schließlich was Neues zum Anziehen. »Elaine!«, rief ich, als ich eintrat. »Ich hab was für dich!«
5
EIN DÄMLICHES ARSCHLOCH
»HÖR AUF RUMZUSCHREIEN, LEMAR.«Gran kam in den Flur. Mit einem Finger stocherte sie in Richtung von Elaines Zimmer. »Klopf an die Tür. Oder willst du Jerome wecken?«
»Wo ist Mum?«, fragte ich leise.
»Hast du dein Hirn heute nicht eingeschaltet, Lemar? Weißt du nicht, dass Samstag ist? Sie ist bei der Arbeit. Müsste eigentlich schon auf dem Nachhauseweg sein.«
Ich hatte gehofft, dass Mum da sein würde. Ich wollte ihr zeigen, dass ich was für Jerome mitgebracht hatte. Zwar hatte ich die Klamotten nicht selbst gekauft, aber immerhin lieferte ich sie ab. Wer weiß?, dachte ich. Vielleicht versuchen Manjaro und Elaine es danach noch mal auf diplomatischem Wege und vertragen sich wieder. Manjaro hat recht. Ein Dad muss im Leben seiner Kinder vorkommen. Das wird Elaine einsehen.
Als ich an ihre Tür klopfte, war ich eigentlich ganz zuversichtlich.
»Komm rein«, rief Elaine.
Sie saß auf dem Bett, schaukelte Jerome in den Schlaf. Ein jamaikanisches Kopftuch zierte ihre Stirn und ihr Afro schien direkt da rauszuwachsen. Wenn sie grinste, wurden die Grübchen in ihren Wangen tiefer. Aus Elaines Gettoblaster kam leise »New Me Dawning« von Tasha’s World – sie glaubte, entspannte Grooves würden Jerome beim Einschlafen helfen. Sie berührte Jeromes Lippen mit dem rechten Zeigefinger. War ein gutes Gefühl, sein Onkel zu sein. »Ich hab was für ihn«, sagte ich.
»Was denn?«, fragte Elaine, schaute dabei aber weiter Jerome an.
»Steht draußen im Flur.«
»Kannst du mir nicht sagen, was es ist?«
»Komm und sieh’s dir an.« Ich grinste.
»Verschwende bloß nicht meine Zeit, Lemar. Ich muss noch Jeromes Fläschchen spülen, seine Klamotten waschen und mir die Haare machen.«
»Ich verschwende deine Zeit schon nicht, Sis.«
Sie ließ die Tür offen und kam mit mir raus in den Flur.
»Alles für Jerome«, sagte ich stolz und zeigte auf die Tüten.
Elaine stemmte die Hände in die Hüften und verlagerte ihr Gewicht auf ein Bein. Ihre Augen sprühten Funken. »Woher hast du das Geld, Lemar?«
Meine Zuversicht schwand. »Ich … ich hab Manjaro im Park getroffen. Er wollte ein paar Sachen für Jerome besorgen …«
Elaine erstarrte. »Spinnst du, Lemar? Ich kann den Scheiß nicht annehmen! Das weißt du doch!«
»Elaine! Wieso benutzt du solche schmutzigen Wörter hier zu Hause?«, schimpfte Gran und kam aus der Küche.
»Ich … ich wollte nur helfen«, erklärte ich.
»Damit hilfst du nicht!«, fuhr Elaine mich an. »Du weißt, dass ich mit ihm nichts zu tun haben will, und dann schleppst du Sachen für Jerome hier an? Hast du sie noch alle? Hat dir jemand ins Gehirn geschissen oder was …«
»Jetzt reicht’s!«, sagte Gran. »Und hör auf mit den Schimpfwörtern, sonst platzt mir der Kragen! Lemar wollte bloß helfen.« Sie ging an die Tüten und sah sie durch.
»Dann erklär du diesem schwachsinnigen Vollpfosten, dass ich nichts von meinem Ex haben will. Du hast keine Ahnung, was ich wegen diesem Geisteskranken durchgemacht hab.«
»Aber ich …«
Bevor ich den Satz beenden konnte, schlug Elaine mir auf den Arm. »Manchmal hast du echt den Verstand verloren, Lemar! Bring ihm die Tüten zurück und sag ihm, dass ich sie nicht will! Sag ihm, den Kram kann er sich hinschieben, wo die Sonne niemals scheint! Hast du verstanden? Und jetzt geh mir aus den Augen!«
Genau in diesem Moment öffnete sich die Wohnungstür und Mum kam rein, schaute von einem zum anderen. »Was ist denn hier los? Elaine! Ich hab dich bis unten schreien hören …«
»Sag deinem bescheuerten Sohn, er soll keine Sachen von meinem Ex hier anschleppen! Ich kann nicht glauben, dass er das gemacht hat!«
»Du hörst jetzt auf zu schreien, Elaine, sonst fängst du eine«, warnte Mum sie und zog den Mantel aus.
»Beruhigt euch erst mal alle«, sagte Gran, hob beschwichtigend die Hände. »Jetzt wird nicht mehr geflucht.« Allmählich standen zu viele Leute im Flur. Plötzlich verspürte ich das dringende Bedürfnis, in mein Zimmer zu flüchten.
Dann hörten wir alle, wie Jerome zu schreien anfing. »Siehst du, was du gemacht hast, Lemar?«, brüllte Elaine mich an. »Manchmal bist du echt ein verdammt dämliches Arschloch von einem Bruder!«
»Wenn du weiter so redest, kannst du dir eine andere Wohnung suchen!«, explodierte Mum.
»Ich kann’s nicht abwarten! Meinst du, ich bin gerne hier? Vielleicht erziehe ich Jerome ja besser als du uns!«
Elaine tobte davon, um nach Jerome zu sehen. Mum blieb im Flur stehen, schüttelte den Kopf. Dann durchbohrte sie mich mit den Augen. Gran verschwand in die Küche. »Wieso musstest du dich mit Manjaro einlassen?«, fragte Mum. So wie sie mich ansah, war es ganz egal, was ich antwortete. Sie gab sowieso mir an allem die Schuld.
»Elaine mault immer rum, dass sie kein Geld hat, um Jerome Klamotten zu kaufen, und als Manjaro kam und …«
»Wir brauchen sein Geld nicht«, fiel mir Mum ins Wort.
»Aber …«
»Aber gar nichts, Lemar! Du hast deine Schwester wütend gemacht und Jerome schreit hier alles zusammen. Ich hab den ganzen Tag gearbeitet, und nicht mal in meiner eigenen Wohnung hab ich meine Ruhe! Weißt du eigentlich, wie müde ich bin?«
»Ich wollte nur helfen …«
»Geh mir aus den Augen, Lemar! Verschwinde in dein Zimmer und zeichne was oder so! Ich hatte einen langen Tag, mir tun die Füße weh und ich brauch das nicht!«
Ich ging in mein Zimmer, knallte die Tür hinter mir zu und ließ mich aufs Bett fallen.
»Wenn du die Tür kaputt machst, brech ich dir die Knochen!«, schrie Mum aus dem Flur.
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