Inzwischen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mit meiner Intuition im Wesentlichen richtiglag. Lachen ist wichtig für unsere frühe Entwicklung, und die Evolution hat das Lachen tief in uns verwurzelt. Das heißt nicht, dass Babys, die lachen, sich besser entwickeln. Es gibt keine empfohlene Tagesdosis Lachen. Am besten stellt man sich das Lachen als fröhliches Gegengewicht zum Weinen vor. Wenn ein Baby weint, konzentrieren wir uns nicht auf das Weinen an sich: Wir unterbrechen das, was wir gerade tun, und versuchen, das Problem zu lösen, von dem uns das Baby berichtet. Lachen ist das Gegenteil, damit teilt uns das Baby seine Erfolge mit. Ich glaube, es lohnt sich, innezuhalten und diese Triumphe näher zu betrachten. Tatsächlich könnte das der Sinn und Zweck des Lachens sein.
Während ich das Lachen studierte, dehnte sich mein Interesse auf all die Aspekte aus, wie Babys gedeihen und wie sie sich anstrengen, ihre größeren Ziele zu erreichen. Deshalb geht es in diesem Buch um die Gefühle der Babys, um ihre Kontakte, ihr Lernen und ihre Neugier. Es behandelt die ersten beiden Lebensjahre ungefähr in chronologischer Reihenfolge, aber ich habe vermieden, zu viele Meilensteine zu setzen. Meilensteine haben keine besondere Bedeutung. Jedes Baby geht seinen eigenen Weg. Dieses Buch befasst sich mit dem Weg, nicht mit dem Ziel.
Auch jenseits der ersten beiden Lebensjahre haben wir noch viel mit Wachsen und Lernen zu tun. Die Grundlagen, die wir schaffen, sind wichtig. Die Untersuchung unserer Anfänge hilft, uns selbst besser zu verstehen. Glauben Sie ja nicht, dass es in diesem Buch nur um Spaß und Spiele von Babys geht. Es steckt eine Menge ernsthafte wissenschaftliche Forschung darin, und ich werde viele Schlüsselkonzepte erklären, die weit über die Babyzeit hinaus Bedeutung haben. Wir werden uns mit so großen Fragen befassen wie der, wie der Geist arbeitet, wie wir uns entwickeln, was Gefühle sind und was Kunst ist. Dabei werden wir erleben, dass Babys es mit intellektuellen Giganten wie René Descartes, Sigmund Freud, Noam Chomsky und Ludwig Wittgenstein aufnehmen können.
Letzten Endes soll dieses Buch jedoch das Unmögliche leisten und den wunderbaren Klang eines Babylachens noch zauberhafter machen. Wenn mir das nicht gelingt, suchen Sie sich am besten ein Baby und lassen Sie sich von ihm unterhalten.
Eine Anmerkung zu den wissenschaftlichen Quellen
Im gesamten Buch bemühe ich mich, frühere Leistungen zu würdigen. Wissenschaft ist ein kooperatives und kumulatives Unterfangen. Isaac Newton prägte 1675 den berühmten Satz: »Wenn ich weiter geblickt habe, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stehe.« Wissenschaftlicher Fortschritt vollzieht sich durch Evolution. Revolutionen in der Wissenschaft verwerfen selten Früheres, sie verfeinern es eher. Wir streiten über die Details, aber wir arbeiten alle am selben großen Bild.
Nur ein kleiner Teil der Forschung in diesem Buch ist meine eigene, und meistens gebe ich nur eine Zusammenfassung. Es ist wichtig, die Personen zu würdigen, die die Arbeit geleistet haben, und darauf hinzuweisen, wo das vollständige Original zu finden ist. Populärwissenschaftliche Bücher verstecken diese Information oft in Fußnoten oder Endnoten oder lassen sie ganz weg. Ich ziehe das Verfahren vor, das psychologische Fachzeitschriften praktizieren: Wenn man eine Studie referiert, nennt man die Namen der Verfasser und das Erscheinungsjahr (Autor und Autor, Jahr). Eine frühe Arbeit über glückliche Babys stammt beispielsweise von Charles Darwin. Seine Schrift »Biografische Skizze eines kleinen Kindes« erschien 1877 in der Zeitschrift Mind, und der Verweis darauf sieht so aus: (Darwin 1877). Natürlich können Sie die Angabe überspringen. Aber immer, wenn Sie einen Verweis sehen, sollten Sie sich bewusst sein, dass diese Personen die wirkliche Arbeit geleistet haben. Der vollständige Titel des Werks und wo es veröffentlicht wurde finden sich im Literaturverzeichnis am Schluss des Buchs.
Auch auf Fußnoten habe ich verzichtet. Wissenschaftler sind ein pedantisches Volk, die immer Ausnahmen, Annäherungen und Alternativen hervorheben. Das ist für alle sehr mühsam, deshalb habe ich es gelassen (ich habe sogar versucht, Klammern zu vermeiden).
Kapitel eins
Eine Zeit vor dem Lächeln
Als das erste Baby zum ersten Mal lachte, zerbrach sein Lachen in tausend Stücke, und die hüpften alle herum, und so nahmen die Elfen ihren Anfang.
J. M. Barrie, Peter Pan, 1904
Das erste Lachen eines Babys ist ein magischer Augenblick. Eltern erinnern sich noch nach Jahren daran. Es passiert irgendwann nach den ersten Wochen bis zum Alter von vier oder fünf Monaten, und das erste Lachen wird sehr wahrscheinlich klein und fein sein, ein leichtes, gehauchtes Glucksen. Ein Baby kann die schnellen Kontraktionen der Zwischenrippenmuskeln noch nicht koordinieren, die nötig sind, um richtig zu lachen, aber der Klang ist trotzdem eindeutig.
Für den griechischen Philosophen Aristoteles ist der Moment, in dem wir zum ersten Mal lachen, der Zeitpunkt, an dem die Seele in den Körper einzieht und wir wirklich zu Menschen werden. Er meinte, das Lachen unterscheide uns von den Tieren. Damit irrte er sich natürlich. Auch Tiere können lachen und tun es, die Grenze zwischen uns und anderen Arten ist graduell, eine Sache von Genen und Kultur. Statt von Seele würden wir heute wohl von »Bewusstsein« sprechen, und wir wissen, dass es langsam entsteht.
Das erste Lachen eines Babys ist ein ganz besonderes Ereignis, das als große Veränderung erlebt wird. Manchmal ist es eine spontane Bekundung des Wohlbefindens und der Zufriedenheit: »Ich habe es warm und bin glücklich und voll mit Muttermilch.« Oder es ist die Reaktion auf etwas, das das Baby sieht, etwa einen Schatten an der Wand. Am allerbesten ist es, wenn das Lachen durch etwas ausgelöst wird, was ein Elternteil macht – ins Zimmer zurückkommen oder dem Baby einen Kitzelkuss geben. Wie flüchtig das erste Lachen auch sein mag, Eltern werden darin erkennen, dass Lachen »ein aufgeplatztes Lächeln« ist. Zum ersten Mal bringt ein Baby sein absolutes Entzücken über die Welt zum Ausdruck.
Die meisten Eltern vergessen diesen Augenblick nie. Als ich 2012 eine weltweite Umfrage zum Babylachen durchführte, machte sich eine Mutter, Mary, die Mühe, mir ausführlich über den »engelsgleichen Ton« zu schreiben, den ihre kleine Tochter von sich gab, als sie ihren Bauch küsste. Das Ereignis lag mittlerweile 42 Jahre zurück, aber für Mary war es immer noch ganz präsent, und der Gedanke dar an ließ sie »lächeln vor GLÜCK«. Viele Geschichten klangen ähnlich. Das ist ziemlich erstaunlich, weil die Erinnerung von Erwachsenen im Allgemeinen sehr vage und unbestimmt ist. Was haben Sie gestern zu Mittag gegessen, was haben Sie an Ihrem letzten Geburtstag gemacht? Nicht viele Ereignisse in unserem Erwachsenenleben prägen sich wirklich gut ein. Selbst Hochzeitstage verschwimmen. Aber das erste Lachen unserer Kinder, ihre ersten Schritte, die ersten Worte bleiben uns im Gedächtnis und bringen uns noch Jahrzehnte später zum Lächeln. Erinnerungen an das erste Lächeln können schlechter fassbar und diffus sein. Eltern fällt es meistens schwer, zu sagen, wann das Kind zum ersten Mal lächelte, und noch schwerer, sich daran zu erinnern. Dabei spielen mehrere Dinge eine Rolle. Ein Lächeln ist nicht nur unmerklicher und flüchtiger, den Eltern wurde auch vielfach beigebracht, an ihrem eigenen Urteil zu zweifeln.
Immer wieder hört man, ein Lächeln vor der sechsten Lebenswoche habe nichts zu bedeuten; es sei nur aufgestaute Luft oder ein Zeichen, dass das Baby gerade in die Windel macht, und nicht wirklich ein Ausdruck von Vergnügen oder Zufriedenheit. Dieser Mythos ist weitverbreitet und hält sich hartnäckig. Ich bin ihm sogar auf Hebammenseiten im Internet begegnet. Ich lehne diese Auffassung radikal ab. Natürlich ziehen Babys komische Gesichter, wenn sie rülpsen oder pupsen. Doch sie lächeln auch aus echter Zufriedenheit. Die Eltern, die ich befragt habe, waren überzeugt, dass sie bei ihrem Baby schon ganz früh echtes Lächeln gesehen hatten, und ich glaube ihnen. Zweifellos sind Eltern ein bisschen voreingenommen, aber sie beobachten ihr Baby auch genauer als jeder andere. Niemand bezweifelt, dass die ersten Schreie und die ersten Tränen echt sind. Wenn ein Baby unglücklich ist, erkennt das jeder. Doch seltsamerweise bestreiten Experten oft, dass frühe positive Gefühle echt sind, und behaupten, das erste Lächeln sei kein »richtiges Lächeln«.
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