1 ...6 7 8 10 11 12 ...29 Ich fragte mich, ob ich wirklich alles richtig verstanden hatte. Doch meine Kenntnisse des Alt-Tefroda waren gut genug, um einen Irrtum auszuschließen.
»1,2 Millionen Jahre …«, wiederholte ich fassungslos. »Das ist doch nicht möglich …«
Das Stationsgehirn stimmte bei:
»Du hast vollkommen recht – unmöglich. Allerdings befinden wir uns direkt auf dem Weg dahin. Unsere relative temporale Position liegt bei X minus 1440 Jahre. Der kritische Punkt wird bald erreicht sein.«
»Was für ein kritischer Punkt?«
»Der Punkt, an dem es gewöhnlich zur Katastrophe kommt. Die Fehlversuche Nummer 1 bis Nummer 37 haben das belegt.«
»Wie viele Versuche haben bisher funktioniert?«
»Keiner«, bekundete das Gehirn.
Da hörst du es. Hier sind schon die guten Gründe, die Faktor 7 hatte.
»Sofort alle Maschinen anhalten!«, kommandierte ich. Nur um mich sofort zu verbessern: »Nicht anhalten, sondern umkehren. Wir müssen sofort zurück in die Gegenwart.«
»Das ist leider nicht möglich, Maghan«, antwortete das Gehirn mit einer hörbaren Spur von Bedauern.
»Aus welchem Grund nicht?«
»Seit meiner letzten Aktivierung sind 47.002 Jahre verstrichen. Aufgrund der langen Inaktivität haben Teile meiner Programmierung Schaden genommen. Darüber hinaus existieren einige maschinelle Schäden, die ich aus eigener Kraft nicht beheben kann.«
Ich versuchte, Punkt für Punkt vorzugehen.
»Was bedeutet Schaden in der Programmierung?«
»Wir werden Fehlversuch Nummer 38 vor dem Erreichen der Zielzeit nicht mehr beenden können. Ich kann keinen Programmabbruch herbeiführen.«
»Das heißt, eine Rückkehr ist erst möglich, wenn das Programm komplett ausgeführt wurde?«
»Oder wenn ein Programmabbruch von außen stattfindet. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um eine theoretische Möglichkeit. Die Energiereserven reichen leider nicht bis zum Eintritt in die Zielzeit aus.«
Einen Moment lang weigerte ich mich, die Konsequenzen der maschinellen Logik zu durchdenken. Dann konnte ich mich nicht mehr wehren. Ich stieß einen erstickten Laut aus. Gern wäre ich nach vorn gesprungen, hätte mir Einlass in die Kuppeln verschafft und den Programmabbruch selbst herbeigeführt. Das einzige, was ich zustande brachte, war ein kurzer Schritt nach vorne. Entkräftet holte ich Atem.
»Wir werden demnach in die Vergangenheit reisen, bis uns die Energie ausgeht?«, vermutete ich.
»Das ist korrekt.«
»Und anschließend können die Anlagen der Station aus Mangel an Energie nicht mehr betrieben werden.«
»Ebenfalls korrekt.«
»Befindet sich eine Apparatur zur Produktion von Energie unter den Anlagen?«
»Nein. Aus emissionstechnischen Gründen konnte lediglich ein leistungsfähiges Speichersystem integriert werden.«
»Bedeutet das, wir werden in der Vergangenheit stranden?«
»Ja, Maghan. Fehlversuch Nummer 38 kehrt nicht mehr in die Gegenwart zurück. – Ich hoffe, du hattest eine komfortable Reise. Der Austritt aus dem Zeitsprung steht in wenigen Sekunden bevor.«
»Warte!«, rief ich verzweifelt.
»Das geht leider nicht.«
Ich hatte selbst eine Expedition mit einem terranischen Nullzeitdeformator mitgemacht. Wir hatten die Technologie niemals wieder ausgegraben, nachdem sie einmal in der Versenkung verschwunden war. Und das aus gutem Grund: Jede Manipulation in der Vergangenheit konnte furchtbare Folgen für die Gegenwart nach sich ziehen.
Im Extremfall verhinderte eine scheinbar nebensächliche, in Wahrheit jedoch katastrophale Handlung die eigene Geburt. Die Wissenschaftler nannten solche Gedankenspiele ein Zeitparadoxon.
Niemand konnte wirklich vorhersagen, wie ein Aufenthalt in der Vergangenheit sich auswirken würde. Ein gängiges mathematisches Modell der Zeit ging von unendlich vielen parallelen Zeitströmen aus. Jede Manipulation erzeugte neue Zeitströme, neue Kausalitäten, neue Alternativen.
In diesem Fall kam ein spezielles Problem hinzu. Ich war nicht in der Lage, dieses Problem logisch zu lösen. Wahrscheinlich deshalb, weil es keine auch nur ansatzweise logisch klingende Lösung gab : Die Station stand seit etwa 50.000 Jahren mitten in der Yssods-Wüste. Was passierte, wenn der Zeitsprung über weniger als 50.000 Jahre in die Vergangenheit führte?
Wo ein Körper war, konnte kein zweiter sein – so lautete eine Grundregel der Physik. Banal, in meinem Fall unter Umständen jedoch tödlich. Wenn der Sprung beendet war, prallten die beiden Zeitmaschinen vielleicht aufeinander. Vielleicht wurde dieser ganze Zeitstrom auch ausgelöscht und mit ihm Perry Rhodan, die Terraner, dieser ganze Planet Traversan und überhaupt das ganze Universum.
Sieh nicht zu schwarz, Arkonide. Vielleicht passiert auch gar nichts. Vielleicht verdrängt eine Zeitmaschine die andere in den Hyperraum, bis normale Verhältnisse wiederhergestellt sind. Oder es entsteht tatsächlich ein paralleler Zeitstrom, der nach einigen hundert Jahren in den alten Strom zurückmündet.
Ich versetzte lautlos: Von einem Logiksektor erwarte ich eine nüchterne Analyse. Keine Durchhalteparolen.
Du wirst begreifen müssen, dass die Gesetze der Logik hier nur beschränkt anzuwenden sind.
Ärgerlich presste ich die Lippen zusammen.
Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich wirklich wissen wollte, was sich über meinem Kopf zusammenbraute. Wie es auch kam, ich konnte offensichtlich nichts am Ergebnis ändern.
Schwelge nicht in Selbstmitleid, Arkonide!, kritisierte der Logiksektor hart. Bereite dich lieber auf den Fall deines Überlebens vor.
Noch einmal versuchte ich, einen Schritt zu tun. Aber auch diesmal kam ich nicht weit. Der Logiksektor hatte recht. Ich musste Informationen sammeln, für den Fall, dass es am Ende von Fehlversuch Nummer 38 noch einmal weiterging.
»Gehirn, hörst du mich?«, erhob ich die Stimme.
»Ja.«
»Dann beantworte mir noch eine Frage: In welcher Zeit werden wir stranden?«
»Das ist leicht. Es handelt sich voraussichtlich um das Jahr …«
Die Stimme des Gehirns verstummte.
Die Kuppeln hörten zu leuchten auf.
Der Hintergrund, den ich die ganze Zeit vermisst hatte, tauchte wie aus einem sich hebenden Dunstschleier wieder auf. Es war immer noch die Yssods-Wüste. Einige Felsbrocken schienen anders zu liegen, als ich es in Erinnerung hatte. Aber das war auch schon alles.
In mir erwachte der Verdacht, dass ich auf eine noch unbekannte Weise hereingelegt worden war. Ich hatte den Eindruck, dass eine tödliche Gefahr drohte. Nur wusste ich nicht, welche.
Vergangenheit 5772 v. Chr. / 12.402 da Ark
»Seid ihr bereit?«, schrie Prinzessin Tamarena.
»Jawohl, Erlauchte!«, schrien die Soldaten zurück.
Ein kurzes Kommando nur, und sie würden in die Gleiter springen und die Galaxis für sie auseinandernehmen.
Ihre mandelförmigen, hellroten Augen erfassten jede Kleinigkeit. Es schien unmöglich zu sein, dass ihr etwas entging, nicht einmal Ereignisse in ihrem Rücken. Die Prinzessin hatte das oft gezeigt. Ihre Auffassungsgabe galt als übernatürlich entwickelt.
Die einsam zugebrachten Jahre in einer Dagor-Abtei befähigten sie zu erstaunlichen Dingen. Im Zentralmassiv von Masskyr hatte sie gelernt, wie man die ungenutzten Ressourcen des Körpers und des Geistes zugänglich machte. Den Rest hatte ihr Vater sie gelehrt; Nert Kuriol verdankte sie kosmonautische Ausbildung und Kenntnisse in Truppenführung. Den meisten Arkoniden war sie weit überlegen, auch wenn sie es selten zeigte.
Ihr platinblondes Haar trug sie im halblangen Pagenschnitt. Sie hatte eine schlanke, hochgewachsene Figur, und sie wusste genau, dass sie eine attraktive Frau war.
In diesem Augenblick zählten jedoch andere Dinge: Nert Kuriol hatte sie nicht umsonst in die Wüste geschickt.
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