1.5 Demenz, Palliative Care und Silviahemmet
Versorgung, Begleitung, Betreuung, Behandlung und Pflege 
»Care« wird in der Regel mit dem Begriff »Pflege« ins Deutsche übersetzt, wobei dieser dem englischen Sprachschatz entstammende Begriff mehr bedeutet, nämlich »Versorgung, Begleitung, Betreuung, Obhut, Behandlung und Pflege« und damit über die Pflegekräfte hinaus alle beteiligten Akteure einbezieht.
Der Palliative-Care-Gedanke kommt ursprünglich aus dem Bereich der Tumormedizin (Onkologie) und beschrieb zunächst die terminale, interdisziplinäre und multiprofessionelle Versorgung und Begleitung von Tumorpatientinnen und -patienten. Dieser terminale Ansatz ist möglicherweise der Grund, warum lange Zeit Krankheitsbilder wie die Demenz mit ihrem sehr langen zeitlichen Verlauf nicht der Palliativ-Versorgung zugeordnet wurden.
WHO-Definition 
Diese ursprüngliche Definition ist 2002 von der WHO auf andere Krankheitsbilder erweitert worden (WHO). Es geht um die Linderung von Schmerzen und weiteren krankheitsbedingten Symptomen sowie um die Bewältigung von sozialen, psychologischen und spirituellen Problemen.
Balzargarden 
Prof. Barbro Beck-Friis – Ärztin, Geriaterin und Pionierin der Palliativmedizin in Schweden – hat bereits in ihrer 1988 in Motala/Östergotland eröffneten Einrichtung »Balzargarden« den Grundstein für die Übertragung des palliativmedizinischen Gedankenguts auf die Versorgung demenziell erkrankter Menschen gelegt (Beck-Friis 1988). Als sie in den 90-er Jahren mit dem schwedischen Königshaus in Kontakt kam, wurde sie Mitbegründerin und leitende Ärztin von Silviahemmet und bildete die ersten Silvia-Schwestern nach diesem Palliative-Care-Gedanken aus.
Prinzipien der Arbeit 
Zu den Prinzipien der Arbeit von Silviahemmet gehören neben einem vertieften Verständnis für das Krankheitsbild Demenz, die Arbeit im Team, eine achtsame wertschätzende Begegnung und vor allem die Unterstützung und Entlastung der Angehörigen, damit auch ihre Lebensqualität erhalten bleibt (Beck-Friis 1999).
Die Erfahrungen der ersten Jahre und auch die ersten Ausbildungen legten das Fundament für die heute vielfach über die schwedischen Landesgrenzen hinaus angebotenen Qualifizierungen und Zertifizierungen durch Silviahemmet.

Interview 
I. M. Königin Silvia von Schweden, Gründerin der Silviahemmet Stiftung und Vorsitzende
25 Jahre Silviahemmet 
Ihre Majestät, die Stiftung Silviahemmet ist am 14. Februar 2021 25 Jahre alt geworden. Im Rückblick: Was waren für Sie die wesentlichen Erfolge?
Als meine Mutter leider vor über 25 Jahren an Demenz erkrankte, ging ich davon aus, dass es eine »normale Alterserscheinung« war. Wenige wussten damals, dass Demenz eine Krankheit ist und als solche besondere spezifische Aufmerksamkeit braucht.
Dies zu erkennen und danach zu handeln, war die Voraussetzung um die Patienten, sowie deren Familienmitglieder zu unterstützen und ihnen zu helfen. – Eine wichtige Erkenntnis. Aber die Ausbildung von Krankenschwestern und Pflegepersonal in Demenz war ebenso wichtig. Deshalb gründete ich Silviahemmet, ein Ausbildungszentrum (Theorie wie Praxis). Kurse für das Pflegepersonal und die Krankenschwestern in Zusammenarbeit mit der Sophiahemmet Hochschule und für Ärzte und Therapeuten in Zusammenarbeit mit dem Karolinska Institutet wurden entwickelt und durchgeführt.
Sie haben Ihren Namen mit dieser so wichtigen Arbeit verbunden. Warum?
gute »Engel« und Botschafter in Demenz 
Als ich merkte, dass das Pflegepersonal und die Krankenschwestern, die eine so wichtige Arbeit leisteten, im Allgemeinen wenig Anerkennung von der Bevölkerung erhielten, habe ich mich entschlossen, sie als meine »guten Engel« und Botschafter in Demenz zu bezeichnen. Deswegen habe ich sie nach bestandenem Examen zu »Silvia-Krankenschwestern« usw. ernannt. Es ist für mich immer eine große Freude ihnen jedes Jahr in die Augen schauen zu können, ihren Stolz, ihre Wissbegier und innere Sicherheit zu sehen, wenn ich ihnen ihr Diplom persönlich überreiche!
Die Stiftung Silviahemmet ist auch international tätig und wird mit ihrem Palliative-Care-Ansatz in der Versorgung von Menschen mit Demenz als stilbildend erlebt. Was sind in Ihren Augen die noch zu bewältigenden, also die vor Ihnen liegenden Aufgaben?
Als Familienangehörige weiß ich, wie schmerzhaft es ist, die langsame Veränderung und die zunehmende Hilflosigkeit eines geliebten Menschen mitansehen zu müssen.

Interview 
Bedarf an Unterstützung jeglicher Art 
Leider handelt es sich bei der Demenz um eine sehr ernste Erkrankung, die langsam zum Tode führt. Obwohl man alles daransetzt, Heilmittel gegen Demenz zu entwickeln, ist es der pharmazeutischen Industrie noch nicht gelungen, eine Lösung zu finden. Allerdings gibt es einige Arzneimittel, die den Verlauf der Krankheit aufhalten, verlangsamen. Jedem Angehörigen möchte ich empfehlen, Expertenhilfe anzunehmen. Man muss mit jemandem reden können, Erfahrungen austauschen, man braucht Unterstützung, auch seelisch! Keiner schafft es allein! Untersuchungen zeigen, dass Familienangehörige mit der Zeit erkranken, wenn sie nicht an ihre eigene Gesundheit denken, Freunde treffen und sozial aktiv sind.
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