47Möglich ist es aber, Risiken in einem Verhandlungsverfahren klar zu benennenund mit den Bietern darüber gemäß § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. c VOB/A in Verhandlung zu treten. Dabei geht es aber nicht um eine einseitige Überbürdung, sondern um eine gemeinsame angemessene Verteilung der Risiken im Rahmen echter Verhandlungen. Im Ergebnis der Verhandlungen muss das ehemals ungewöhnliche Wagnis durch Gestaltung der Ausschreibung eliminiert worden sein. Mit „Placebo-Verhandlungen“ ohne echte Gestaltungsspielräume für Bieter dürfte dieses Ziel nicht zu erreichen sein.
48Bei der Beurteilung, ob Wagnisse ungewöhnlich sind oder nicht, kann das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Maßstabherangezogen werden, insbesondere die Grundätze der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB. 52
49Die Übertragung des Baugrundrisikosauf den Bieter stellt in der Regel ein ungewöhnliches Wagnis dar. 53Ebenso die Überbürdung des Risikos der Verfügbarkeit und Bebaubarkeit von Flächenohne Möglichkeit, die damit zusammenhängenden Risiken einzuschätzen. 54Bei Munitionsbelastungenwurde vom OLG Naumburg eine Überbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses verneint, wenn der voraussichtliche Leistungsumfang des Auftrages durch „Hochrechnung“ des Leistungsumfangs der Beräumung von Testfeldern ermittelt wird, wenn weder dem Auftraggeber noch den Bietern der tatsächliche Umfang der Bodenbelastung mit Munition, Munitionsteilen und Schrott und damit der genaue Leistungsumfang des Vertrages bekannt ist und dieser auch durch keine andere Methode zuverlässig vorab zu ermitteln ist. 55Anders liegt es aber, wenn der Auftraggeber im Falle positiver Kenntnis außergewöhnlich hoher Bodenbelastungen in Teilbereichen der zu beräumenden Fläche nur pauschal auf die Möglichkeit von Belastungsabweichungen von einer durchschnittlichen Belastung hinweist, und zwar selbst dann, wenn er – entgegen der Auffassung des von ihm beauftragten Sachverständigen – die Ergebnisse des hoch belasteten Testfelds als nicht repräsentativ ansieht. 56Die Sicherung einer Schleusenbaustelle gegen Hochwasserstellt auch ohne die Vorgabe der konkreten Hochwasserschutzmaßnahmen als teilfunktionale Ausschreibung nicht die Überbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses dar. 57Dasselbe gilt bei einer Schleusenbaustelle für Eisschutzmaßnahmen, den Schutz von Gebäuden des Auftraggebers sowie die Ausführung bestimmter schifffahrtspolizeilicher Anordnungen. 58
IV.Wahl- Bedarfspositionen und Stundenlohnarbeiten (Abs. 1 Nr. 4)
50§ 7 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A regelt zweierlei: Einerseits sind Bedarfspositionengrundsätzlich nicht in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Andererseits dürfen sog. „angehängte Stundenlohnarbeiten“ nur in dem unbedingt erforderlichen Umfang in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden.
51Bedarfspositionen sind solche Positionen, die nicht fest zum Leistungssoll gehören, sondern nur „bei Bedarf“ (gleichsam als „Option“ oder „optionale Leistung“) vom Auftraggeber abgerufen werden können. Sie werden auch als „Eventualpositionen“ bezeichnet, weil sie nur „eventuell“ zur Ausführung gelangen. Ähnliches gilt für sog. „angehängte Stundenlohnleistungen“. Mit diesen können nicht vorhergesehene Leistungen gesondert abgerufen und nach Aufwand (Stundenlohn) vergütet werden.
52Beide Instrumente sind nur mit Einschränkungen zulässig. Dies beruht auf folgendem Gedanken: Durch beide Instrumente wird die Vergleichbarkeit der Angebote negativ beeinflusst, weil nicht im Voraus klar ist, ob und in welchem Umfang die Bedarfspositionen tatsächlich zur Ausführung (und damit zur Abrechnung) kommen; gleiches gilt für die Stundenlohnarbeiten. Das Leistungssoll ist damit zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht fest bestimmt, es bleibt teilweise offen. 59Damit ist zudem das vergaberechtliche Transparenzprinzip betroffen. Schließlich bieten beide Instrumente für die Bieter auch Spekulationspotenziale. Dadurch kann die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes verzerrt werden, in der Folge ist auch das Wettbewerbsprinzipdurch die Aufnahme von Bedarfspositionen oder Stundenlohnarbeiten tangiert. Denn wenn ein Bieter bei Bedarfspositionen und/oder Stundenlohnarbeiten besonders günstige Preise anbietet und sich erst dadurch den entscheidenden preislichen Vorsprung verschafft, der dem Bieter den Zuschlag sichert (weil die im Bereich der Bedarfspositionen oder im Bereich der Stundenlohnarbeiten angebotenen Preise sozusagen das „Zünglein an der Waage“ sind), kann dadurch die wirtschaftliche Beschaffung negativ tangiert werden. Dies ist nämlich dann der Fall, wenn sich bei der Ausführung herausstellt, dass weder Bedarfsposition(en) noch Stundenlohnarbeiten in dem ausgeschriebenen Umfang beauftragt werden. In einem solchen Fall hat ein Angebot aufgrund eines preislichen Vorteils den Zuschlag erhalten, obwohl sich der preisliche Vorteil letztlich gar nicht realisiert. Bei einer Angebotswertung auf Basis der tatsächlich ausgeführten Leistung hätte sich möglicherweise ein anderes Angebot als wirtschaftlicher herausgestellt und bezuschlagt werden müssen. Aus diesem Grund ist sowohl die Nutzung von Bedarfspositionen als auch die Nutzung von „angehängten Stundenlohnarbeiten“ grundsätzlich unzulässigbzw. müssen auf den unbedingt erforderlichen Umfang beschränktwerden.
53In der Praxis sind beide Instrumente dennoch in fast jeder Ausschreibung anzutreffen. Das ist nicht per se vergaberechtswidrig, denn die Verwendung ist nur „grundsätzlich“ unzulässig bzw. auf den unbedingt erforderlichen Umfang zu beschränken. Ausnahmen sind also möglich. Vor einem allzu „laxen“ Umgang nach dem Motto „das machen wir immer so“ ist dennoch zu warnen. Vor dem Hintergrund vorstehender Risiken sollte im Einzelfall genau geprüft werden, ob die Nutzung von angehängten Stundenlohnarbeiten und/oder Bedarfspositionen wirklich erforderlich und zulässig ist. 60
1.Zulässigkeit von Bedarfspositionen
54Unter folgenden Voraussetzungen wird die Verwendung von Bedarfspositionen für zulässig erachtet:
– „Unvorhersehbarkeit, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Leistung bei der Auftragsdurchführung erforderlich wird;
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