Bayliss sah hoch und lächelte selbstzufrieden; dann nickte er Willett zu, der in seinem Notizblock suchte und neuerlich Mrs McKechnies Worte zitierte: »›Zeit für Stanley‹ oder so ähnlich.«
Bayliss hatte noch immer diese Selbstzufriedenheit im Gesicht. McKechnie konnte sich nicht vorstellen, warum es Bayliss irgendwie freuen konnte, dass einer der wenigen Hinweise, die er überhaupt hatte, hinfällig geworden war. Bayliss erklärte:
»Nun, bisher haben wir nach jedem gesucht, der auf den Namen Stanley hört. Jetzt suchen wir nur mehr nach Leuten mit Stanleymessern. Das müsste unsere Chancen eigentlich etwas verbessern.«
McKechnie wusste nicht, ob Bayliss ein Blödmann war oder bloß schnoddrig.
In der Woche darauf tauchten Bayliss und Willett in McKechnies Büro in der Rupert Street auf. Seine neue Sekretärin Belinda führte sie herein. Er hatte der Agentur ohne Umschweife klargemacht, dass er ein wirklich tüchtiges Mädchen wolle, weil er diese Flittchen mit kurzem Rock wirklich satthabe, die nur seine Ausgaben für Tipp-Ex verdoppelten und das auszubügeln meinten, wenn sie beim Aktenablegen ihr Höschen aufblitzen ließen. In der Agentur begriff man, was er meinte, schrieb das firmeninterne Kürzel »fromm« auf die Rückseite der Karteikarte und schickte ihm Belinda, ein Mädchen, das ein wenig hinkte und zwischen deren Brüsten ein riesiges silbernes Kreuz baumelte, als sollten damit alle schwitzigen Männerhände abgewehrt werden. McKechnie war mit ihr recht zufrieden, obwohl sie keineswegs tüchtiger war als die Mädchen, die bereits am ersten Nachmittag ihren Zwickel aufreizend ins Spiel brachten.
Als Bayliss hereinkam, fragte er beiläufig, wie lange Belinda schon da arbeite, doch McKechnie war auf die Frage gefasst. Er habe immer Aushilfskräfte, sagte er, er finde sie zuverlässiger, und die Arbeit sei nicht allzu anspruchsvoll, und bisweilen mache er den Laden wochenlang dicht, und außerdem sei das Büro sowieso so klein, dass er es nicht darauf ankommen lassen könne, eine Sekretärin am Hals zu haben, mit der er nicht klarkäme. Oh, sie kämen von allen möglichen Agenturen, mal von der, mal von jener; er wisse schon gar nicht mehr, wo er Belinda her habe. Aber sie könnten sie ja selber fragen, wenn sie wollten. Der Name seiner vorhergehenden Sekretärin? Oh, Sheila, und die davor, Tracy, und vor der, ach, Millie oder so ähnlich.
Als Bayliss und Willett gingen, fühlte sich McKechnie, als hätte er ein sattes Geschäft an Land gezogen. Er ging zu Bianchi hinüber und verwöhnte sich mit dem Besten, das die Küche zu bieten hatte, nur um zu zeigen, wie zufrieden er mit sich war.
In der folgenden Woche erhielt er den ersten Anruf. Belinda sagte ihm, dass ein Mr Salvatore am Apparat sei.
»Mr McKechnie?«
»Ja.«
»Und wie geht es uns heute?«
»Kann nicht klagen.«
»Sind Sie da sicher?«
»Allerdings. Was kann ich für Sie tun?« Diese Ausländer ließen sich aber auch Zeit – sie hielten das wohl für besonders britische Umgangsformen. McKechnie kannte einen griechischen Einzelhändler, der jedes Mal, wenn er ans Ende seines einleitenden Verbeugens und Kratzfüßelns gelangt war, den Anlass seines Anrufs vergessen hatte. Dann musste er wegen seiner Bestellung später noch mal anrufen.
»Und Ihre Frau, Mr McKechnie, befindet sich auch wohl?«
McKechnie war empört, obwohl sich der Ton des Anrufers nicht verändert hatte. »Es geht ihr gut. Was kann ich für Sie tun?«
»Dort, von wo ich herkomme, haben wir nämlich ein Sprichwort – die Gattin eines Mannes ist das Prunkstück seiner Tafel. Ist das nicht ein wunderschöner Ausdruck, ein überaus galanter Ausdruck?«
McKechnie legte auf. Wer immer der Mann war, er sollte entweder zur Sache kommen oder ihm gestohlen bleiben. Abgesehen davon, dass McKechnie gern etwas Zeit gehabt hätte, um darüber nachzudenken, was da im Busch war.
Er bekam sie nicht. Das Telefon klingelte fast sofort wieder, und Belinda sagte entschuldigend:
»Die Verbindung ist wiederhergestellt, Mr McKechnie. Entschuldigen Sie die Unterbrechung, ich muss einen falschen Knopf gedrückt haben.« Das war die Sorte Sekretärinnen, die sie einem heutzutage schickten – der alte Typ, und selbst manche von den Zwickelblitzerinnen, wusste wenigstens, wann sie einen unterbrochen hatten. Diese hier wussten nicht einmal, ob sie es jetzt getan hatten oder nicht; sie gingen einfach davon aus – und das zu Recht –, dass sie was falsch gemacht hatten.
»Schrecklich, dieses Telefonsystem bei Ihnen, Mr McKechnie«, sagte die Stimme. »Ich habe mir sagen lassen, mit der Verstaatlichung sei alles den Bach runter, aber daran kann ich selbst mich natürlich nicht mehr erinnern.«
»Geht es um geschäftliche Dinge. Mr …?«
»Salvatore. Ja und nein, wie Sie sagen würden. Es gehört nicht zu meinen Praktiken, Unbekannte anzurufen, nur um dem Postminister beim Abbau des Defizits behilflich zu sein. Deshalb will ich Ihnen gerne den Grund meines Anrufs nennen. Ich rufe an, um Ihnen zu sagen, dass es mir leidtut wegen der Katze.«
»Der …«
»Ja, Mr McKechnie, es handelte sich, wie soll ich mich ausdrücken, Sie verstehen doch Französisch, Mr McKechnie, das war un peu trop d’enthousiasme. In schlichten Worten: Die Jungs sind etwas durchgedreht.«
»Sie … Arschloch.« McKechnie wusste nicht recht, was er sagen sollte; der Kater war ihm in Wahrheit ziemlich gleichgültig; der war immer, wie sie es selbst ausdrückte, Rosies Babylein gewesen.
»Nun, ich nehme Ihren Tadel hin. Was aber den zweiten Punkt betrifft, den ich ansprechen möchte, so hoffe ich, dass Ihre verehrte Frau Gemahlin sich von ihrem unangenehmen Martyrium erholt. Und ich möchte Ihnen empfehlen, nicht aufzulegen.« Der Ton war härter geworden. McKechnie antwortete nicht. Die Stimme fuhr fort: »Ich nehme mir die Freiheit, aus Ihrem Schweigen zu schließen, dass sie sich, wie man bei Ihnen sagt, auf dem Wege der Besserung befindet.«
Wieder antwortete McKechnie nicht.
»Und dann ist da noch der dritte Punkt, den ich mit Ihnen besprechen wollte. Erscheint es Ihnen nicht außerordentlich, dass die Polizei überhaupt keine Ahnung hat, was da vorgefallen ist oder warum es geschehen ist oder wer so etwas getan haben könnte? Nur am Rande: Ich darf doch annehmen, dass Sie ihr nicht von Ihrer hübschen Sekretärin erzählt haben, die anscheinend nicht mehr bei Ihnen tätig ist?«
McKechnie antwortete noch immer nicht. Auf dem Notizblock neben dem Telefon versuchte er so viel wie möglich von dem Gespräch festzuhalten.
»Nein, haben Sie nicht. Da darf ich mir wohl sicher sein. Wenn ich also zusammenfassen darf, Mr McKechnie, es geht mir um Folgendes: Ist es nicht außergewöhnlich und auch ein wenig beängstigend, dass in Ihrem eigenen Haus zwei derart unangenehme Dinge geschehen konnten und dass die Polizei auch nach einer gründlichen Untersuchung auf keinerlei Hinweise gestoßen ist, die ihr irgendwie weiterhelfen würden? Es entbehrt doch auch nicht einer gewissen Ironie, dass der einzige Hinweis, der sie weitergeführt hätte, von Ihnen selbst vorenthalten wurde. Keine ganz angenehme Situation, Mr McKechnie, jedenfalls nicht für Sie, was meinen Sie? Es geht doch darum, nicht wahr, dass etwas Ähnliches oder – es fällt mir nicht leicht, das zu sagen – sogar etwas wesentlich Schlimmeres passieren könnte und dass Sie mit einiger Sicherheit annehmen müssen, dass die Polizei wiederum nichts ausrichten könnte. Was sagen Sie dazu, Mr McKechnie?«
»Ich würde sagen, man weiß es nie.«
»Und ich sage Ihnen, Mr McKechnie, dass manche von uns es doch wissen. Nehmen wir beispielshalber den vorliegenden Fall. Nehmen wir an, Sie gehen noch einmal zur Polizei. Sie erzählen denen, dass es Ihnen leidtut, sie belogen und nichts von Barbara gesagt zu haben. Glauben Sie etwa, dass die sich doppelt so viel Mühe geben werden, wenn Sie bei ihnen auftauchen und ihnen sagen, dass Sie vorher gelogen haben? Das sind schließlich auch nur Menschen, Mr McKechnie, die würden annehmen, dass Sie ihnen noch mehr Lügen auftischen wollten, und sie würden sich vermutlich untereinander dahingehend bereden, dass sie, wie es bei Ihnen heißt, sagen ›Der kann uns mal!‹ Auf der anderen Seite, wenn Sie tatsächlich Glück haben bei der Polizei, wo würde denn diese neue Information hinführen? Würde sie die Polizisten ihrem Ziel wirklich näherbringen? Jeden Tag geschehen neue Verbrechen, selbst draußen bei Ihnen in der Pampa.«
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