Im Einteiler, der ihre noch immer fantastische Figur perfekt zur Geltung brachte, machte sie sich auf an den Beach, um sich im Wasser abzukühlen.
Den Rest des Montags verbrachte Véronique am wunderschön gelegenen Strand. Das Wetter war traumhaft, bei 28 Grad, nur der Wind – zu dieser Jahreszeit an der Ostküste üblich – vermochte ein perfektes Sonnenbaden etwas zu trüben. Beim Strandspaziergang lief sie auch am Hotel Ambre vorbei. Allein der Anblick des Hotels inspirierte sie zu erotischen Fantasien. Und wieder stieg ihr Puls an. Nur gut, hatte sie sich entschieden, bereits morgen eine Inseltour zu unternehmen, zudem mit einem Aufenthalt in Port Louis, wo sie einen Besuch eingeplant hatte.
Vom langen Tag müde geworden – der Abflug in Dubai fand bereits um 3.20 Uhr statt –, suchte sie gleich nach einem reichhaltigen indischen Abendbuffet relativ früh ihr Zimmer auf. Von dort aus telefonierte sie mit Philippe, der seiner Frau eine gute Nacht wünschte. Diese gab sich anschliessend sinnlichen Träumen hin, in denen Philippe allerdings nicht vorkam.
Nach dem Frühstück im offenen Pavillon begab sich Véronique von Greifenbach am Dienstagmorgen zur Réception, wo Jaidev bereits auf sie wartete. «Bonjour Madame. Ich freue mich, Ihnen einen Teil der Insel zeigen zu dürfen. Sagen Sie mir bitte, was Sie genauer sehen wollen.»
«Jaidev, Sie gefallen mir!», lachte sie. «Sie kennen Mauritius, Sie wissen, was sehenswert ist. Ich habe volles Vertrauen, dass Sie mich begeistern werden.»
«Ich habe die Nordküste vorgesehen, den Botanischen Garten und die alte Zuckerfabrik in Pamplemousse, einen Teil der Westküste, und zum Schluss Port Louis.»
«Das passt. Vor allem Port Louis interessiert mich. Können Sie dort in der Nähe des Blue Penny Museums parkieren?»
«Das ist gar kein Problem.»
«Und noch ein Wunsch …»
«Gerne.»
«An der Westküste liegt offenbar ein Maritim Hotel, könnte ich mir das anschauen?»
Jaidev lächelte.
«Weshalb lachen Sie?»
«Anthony arbeitet in unserer Firma, er hat uns gestern von seinem Missgeschick erzählt …»
Augenblicke später fuhr der Lexus ab, um wenige Kilometer später bereits anzuhalten, im Ort Trou d’Eau Douce.
«Madame, von hier aus», der Chauffeur zeigte mit der Hand in Richtung der Bucht, «können Sie eine Bootsfahrt zur Ile aux Cerfs buchen, mit einem der schönsten Strände der Welt.»
«Davon habe ich bereits gelesen, danke für den Hinweis.»
Im Gedanken sah sie sich bereits mit ihrem Geliebten über den Strand laufen.
Sie konnte sich kaum auf den Botanischen Garten mit seinen riesigen Seerosen oder auf die alte Zuckerfabrik in Pamplemousse einlassen. Véronique sehnte nicht nur den Mittwoch herbei, sondern auch den bevorstehenden Besuch in Port Louis. Unterwegs holte sie der Chauffeur aus ihren Träumen heraus.
«Hier sind wir also vor dem Maritim Hotel in Balaclava, Terre Rouge.»
Véronique von Greifenbach hatte nicht einmal bemerkt, wie Jaidev ins Hotelgelände gefahren war.
«Sieht ganz schön aus, hier …»
«Oui, Madame. Ein Luxushotel der Sonderklasse, mit einem Stern mehr als das Crystals Beach. Das Gelände ist 25 Hektar gross. Spielen Sie Golf?»
«Nein, das tue ich nicht.» Am liebsten hätte sie mit «Nein, ich habe noch Sex, und wie!» geantwortet, empfand den Spruch aber dann doch als wenig passend.
«Hier befindet sich auch das beste Restaurant der Insel, das Château Mon Désir.»
«Was für ein passender Name», dachte sie, «ich werde ihn hierher einladen, samt einer Übernachtung in einer sündhaft teuren Suite.» Sie wunderte sich nicht, dass ihr Herz wieder schneller zu schlagen begann.
«Danke, sehr schön. Und jetzt nach Port Louis, bitte.»
«Oui, Madame.»
Eine halbe Stunde später hielt der Lexus vor dem Blue Penny Museum in Port Louis, angrenzend an die Caudan Waterfront, die Einkaufsmeile des Hauptortes, der von der Zitadelle Fort Adelaide überragt wurde.
«Gibt es ein Restaurant, das Sie mir empfehlen können?»
«Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf: Eines der Restaurants entlang der Waterfront, da essen Sie gut – und auch preisgünstig. Zudem können Sie dem Treiben zuschauen. Aber vor einem muss ich Sie warnen …»
«Nämlich?» Véronique schien auf einmal beunruhigt.
«Um fünf Uhr ist hier – wie sagt man bei Ihnen? – tote Hose. Sobald es dunkel wird, schliessen die Geschäfte. Mit anderen Worten: Wenn Sie die berühmten Märkte an der Rue de la Reine erleben wollen, den Bazaar, sollten Sie zwischen drei und vier Uhr hingehen, sonst herrscht bereits Aufbruchstimmung.»
«Danke, das werde ich mir merken. Können Sie mich also um … sagen wir halb fünf Uhr am Eingang der Champs de Mars abholen, der Pferderennbahn?»
«Oui, Madame, das passt. Viel Vergnügen. Und verpassen Sie auf keinen Fall einen Besuch im Blue Penny Museum. Dort sehen Sie eine der berühmtesten Marken auf der Welt, die Blaue Mauritius, und ihre kleine Schwester, die Rote Mauritius.»
«Oder immerhin Kopien davon», dachte Véronique.
«Merci beaucoup, das werde ich tun.»
Im Grunde genommen hatten beide recht, was die Marken anging. Um die Qualität der Raritäten vor Lichteinfluss zu schützen, wurden die Originale pro Stunde nur gerade zehn Minuten gezeigt, jeweils im Stundentakt ab 10.30 Uhr. Was dazu führte, dass jeweils zur halben Stunde vor der Vitrine im ersten Stock ein grosses Gedränge herrschte. In der übrigen Zeit bekamen die Besucherinnen und Besucher Kopien zu sehen, die von den Originalen allerdings nicht zu unterscheiden waren.
Véronique von Greifenbach hatte im Museum aber ganz etwas anderes im Sinn.
«Bonjour, Chantal de Senarclens. Ich habe eine Verabredung mit dem Direktor. Können Sie ihm mitteilen, dass ich hier bin, bitte?», stellte sie sich nun am Souvenirkiosk im Parterre des Museums vor.
«Monsieur le directeur ist im Moment ausser Haus, er sollte aber in einer Viertelstunde wieder hier sein. Möchten Sie in der Zwischenzeit ins obere Stockwerk, die Marken anschauen?»
Das Blue Penny Museum in Port Louis, zu Ehren der Blauen Mauritius.
«Nein, danke, ich schaue mich hier bei den Souvenirs um», antwortete von Greifenbach, zum grossen Erstaunen der Museumsmitarbeiterin, waren Touristen doch sonst besessen davon, die beiden Marken zu sehen.
Was niemand wusste, und weshalb Véronique sich eines falschen Namens bediente: Philippe war durch einen Onkel zweiten oder dritten Grades und dessen Beziehungen zu einem ehemaligen Bürgermeister von Bordeaux im Besitz einer ungestempelten Blauen Mauritius, von deren Existenz aber ausser Philippe und Véronique seit dem Tod ihrer beider Eltern niemand wusste. Die Marke lag in einem Banksafe bei jener Pariser Grossbank, in deren Dienste Philippe stand. Die Eheleute hatten nicht vor, mit dieser philatelistischen Sensation Kasse zu machen, vielmehr interessierte sie, was die Nachricht von einer fünften ungestempelten Blauen Mauritius auslösen könnte. Denn heute, dies hatte Philippe hatte am Abend vor Véroniques Abreise im Internetlexikon Wikipedia kurz nachgeprüft, gab es noch vier ungebrauchte Blaue-Mauritius-Marken, die sich im Privatbesitz von Queen Elisabeth II, im Museum voor Coommunicatie in Den Haag, in der British Library in London und eben im Blue Penny Museum in Port Louis befanden.
Exakt nach der von der Angestellten vorausgesagten Viertelstunde traf der Direktor des Museums ein. Nach einem kurzen Gespräch mit seiner Mitarbeiterin kam er auf Véronique von Greifenbach zu.
«Madame de Senarclens?»
«Oui, Monsieur, danke, dass Sie sich Zeit für mich nehmen.»
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