1 ...8 9 10 12 13 14 ...51 Abonnenten haben mehr im Kasten. Tun Sie etwas gegen Zahnstein, bevor Sie Berge davon haben. Katzen würden Whyski kaufen. Den Computer NCR 9800 kann so gut wie nichts ausser Betrieb setzen, höchstens vielleicht eine PERSHING-Rakete. Es ist Käse, dass der Fendant Les Rocailles nur zu Fondue passt. Konsumentinnen, Konsumenten, wie wollt ihr euren Emmentaler geschnitten sehen? Wir haben ihn am liebsten schnittig. Wollt ihr den totalen Emmentaler? Vor Aids schützen, Feldschlösschen Bier benützen. Aebi und Partner, habt ihr euch entschieden? Um Antwort wird gebeten, u.a.w.g.
Fitness ohne Stress/macht die Betten näss. Lieber zwäg als träg. Klosterfrau Melissengeist macht die dümmsten Mönche feist.
Jawohl, meine sehr verehrte Zuhörerschaft, wir haben es geschnallt: Glatt für alli, Sauglattismus, bis die Schwarten krachen und die Grosis schunkeln. Integration, Partizipation, Kremation im Feuer der Werbekohlen, allgemeine Kommunion. Das Mittelstandsglück der generellen Enthirnung und der wütenden Munterkeit. Wie sagt meine Kollegin Isolde Schaad in ihrem Artikel über «Schweizer Werbung in den Achtzigern», erschienen in der «Wochen-Zeitung» vom 5.8.1988?
«… Partizipieren wir alle persönlich, und nirgends ist das Leben so persönlich geworden wie in der Reklame. Wir partizipieren am Chästeilet, am Candlelight, am Parcours und an der Direttissima. Die Reklame ist die Inkarnation der Klassenlosigkeit, in der alle als Charakterköpfe ganz ausgeprägt individuell geniessen. Es gibt keine Elite, keine Minderheit und keine Aussenseiter in der Totalen des Mittelstandsglücks, weil da alle mit allen identisch sind. Pardon, auch Sie, Madame, sind die Omi des sprudelnden Seniorenwesens und das Happy Baby, und Sie, Esquire, sind der Ferdi Kübler der Versicherungen und der Daddy der reparierenden Munterkeit. Alle passen fugenlos in den Selbsterfüllungsapparat und sind Alle für Alli. Auf dem gesunden Zahnschmelz von Eiger, Mönch und Chästeller erfüllt sich das Schwiizer Qualitätsglück, die eidgenössische Fassung des Kommunismus.»
Und wirklich, liebe Reklamiker, ihr produziert das Gemüt einer herzlosen Welt, die Labsal der verdürstenden Gesellschaft, die Ambulanz der Verzweifelten, die Tünche auf dem Saustall, und ihr verhelft den Massen nicht zu ihrem Recht, aber doch zu ihrem Ausdruck. Die von euch produzierte Scheinhaftigkeit wird künftigen Historikern Rückschlüsse auf die Wirklichkeit zu ziehen erlauben, und insofern erfüllt ihr wenigstens für die Nachwelt eine wichtige Funktion. Die unberührten Landschaften und wilden Naturwüchsigkeiten der Reklame deuten auf Landschaftszerstörung in der realen Welt, die ewig strahlenden Visagen der Select- und Strumpfhosengirls geben einen Fingerzeig auf die triste Welt der Grossraumbüros, und das Negativ des gsünsen Rhäzünsers ist der von den Fischen befreite – wenigstens temporär befreite – Rhein bei Basel. Je verreckter die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt, desto glücklicher strahlt die Kleinfamilie aus den Inseraten von «Haus und Herd».
Man muss es umgekehrt proportional sehen, dann kommt man den Verhältnissen auf den Sprung, vermutlich. Als Anästhesisten und Narkotiseure habt ihr eure Verdienste. Darin, liebe Reklamiker, seid ihr ganz tüchtig, und das ist eure ideologische Funktion: von den Tatsachen abzulenken und uns zu führen aus diesem Jammertal ins Alpamare der diversen Happylands. Eine volkswirtschaftliche Funktion habt ihr demgegenüber kaum mehr, oder sie ist an einem kleinen Ort, d.h. besteht in der Erfüllung eurer ganz persönlichen finanziellen Wünsche und Lüste. Ihr verdient ja wirklich nicht schlecht, hueregopfertamisiech. In den Sechzigern und Siebzigern war das ein bisschen anders, da konnte man noch glauben, dass die Werbung, bitte sehr, Bedürfnisse wecken musste, die man eigentlich nicht hatte, weil bestimmte Produkte sonst nicht zu verkaufen gewesen wären, was wiederum Arbeitsplätze in der realen Produktion gefährdet hätte. Aber heute ist das nicht mehr so. Isolde Schaad bringt es auf den Punkt: «In den achtziger Jahren trifft nicht mehr zu, was für die Siebziger galt: dass die Werbung Bedürfnisse weckt, die man gar nicht hat. Man hat sie längst, und die Werbung bestätigt sie bloss, nachdem sie gestillt sind. Die Reklamelandschaft ist jetzt das Projektionsfeld des Erworbenen, Vorhandenen. Das Umfeld ist ausgeklügelt, weil entscheidend, der Gegenstand beliebig. Die Bedeutung löst sich allmählich vom Symbol und verdunstet in der Diffusion.»
Und woraus besteht diese Diffusion? Und wie verkauft man Produkte, die sich alle gleichen? Es ist unterdessen völlig wurscht, ob wir einen VW kaufen oder einen Mitsubishi oder Hatschamutschli oder Citroën oder Kurasawa oder Kamasutra 6-Zylinder oder was auch immer: Auto ist Auto, und nur bei den Luxusschlitten gibts noch entscheidende Nuancen. Hermann Burger wird Ihnen bestätigen, dass ein Ferrari Testarossa nicht dasselbe ist wie ein Ferrari Rossatesta. Aber item, bei den Waschmitteln kommts doch auch schon lange nicht mehr auf die Marke an. Herr Marti von der Werbeagentur Marti & Marti & Marti hat das Problem richtig erkannt und schreibt deshalb seinen Kunden folgendes:
«Wir sehen unsere Aufgabe vor allem darin, in enger Zusammenarbeit mit den Marketingspezialisten einer Unternehmung einen vorhandenen Ansatz emotional aufzubauschen, dass die Werbung richtig unter die Haut –» wobei er wohl die Füdlihaut meint – «geht, und zwar so, dass unsere Zielsetzungen voll erreicht werden.» Es heisst jetzt nicht mehr wie im Vietnamkrieg: SEARCH AND DESTROY, sondern SEARCH AND BUILD UP, nämlich die Emotionen der potentiellen Käufer. Aber Krieg ist auch jetzt, erbarmungsloser Kampf zwischen Closettpapierherstellern und Jeansfabrikanten z.B. Bemerkenswert, dass hier das negativ besetzte Wort «aufbauschen» zum erstenmal in seiner Geschichte positiv umgepolt wird. «Aufbauschen» hiess früher «auf degoutante Art übertreiben». So wird den Wörtern der Hals umgedreht, wenn sie auf den Strich gehen. Aber man muss auch sagen: Herr Marti ist eine ehrliche Haut. Er sagt stracks, was er macht, und bringt die Perversität der Branche unverhüllt ans Licht. Hallelutschah!
Uns bleibt nur noch, wenn wir an Martis Plakaten vorbeischleichen, an Hakle- und Rifle-Ärschen vorbeipromenieren, die Frage: Ist es dasselbe Tschick, das hier seinen Hintern so verkauft wie Marti sein Hirn, oder sind es deren zwei? Und mit aller Macht versuchen wir dann jeweils, unsere Emotionen abzubauschen, und führen zu diesem Zweck immer einen Wattebausch mit uns, damit wir nicht in Bausch und Bogen überfahren werden von unseren Gefühlen.
Ihr lieben Durchlauferhitzer der Kauflust und Kaufwut, ich möchte hier nicht ein bestimmtes specimen eurer Gattung vertrampen und darüber die Gattung vergessen, Marti ist nicht schlimmer als die andern, nur quicker. Reklame ist hierzulande allgemein doof, das neue ADC-Jahrbuch beweist das, da hilft euch keine Geistreichelei. Vielleicht war sie einmal besser. Ich glaube mich zu erinnern, dass Herbert Leupin in den fünfziger Jahren eine gewisse Eleganz zustande brachte, und wenn es auch nur im Dienst von Coca-Cola war. Vielleicht war der Konkurrenzkampf damals noch nicht so hart, und es war noch eine Art von Gelassenheit möglich und weniger Gschaftlhuberei. Aber heute in diesen euren Kreisen: Da liegt die Ästhetik im Clinch mit der Warenästhetik. Erquickender Scherz, Witz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung sind nicht möglich im Dienste von Möbel Pfister oder Wohnland oder Tivolino, euer genre und eure Arbeitgeber gestatten nur Gags, Flips, Flops. Denn der wirkliche Humor ist bekanntlich unberechenbar und befreiend, könnte den Konsumismus gefährden. Vergesst eure literarischen Ambitionen, solange ihr dieses Gewerbe betreibt, und verputzt ruhig euren Lohn chez Max oder chez Agnes oder chez Mireille, in der BLAUEN ENTE oder im GRÜNEN ARSCH und in der toskanischen Zweitresidenz, solange der Stutz in derart rauhen Mengen auf eure Konten niederprasselt. Es ist ja wirklich interessant, wie schnell auch die unbegabtesten Pörschtlis und Maitlis in eurer Branche zu Geld kommen und wie rasant sie, quer durch die Werbelandschaft, via Radio-24-TV-Spots und Rincovision, in die Höhe katapultiert werden. Es gibt zwar ein paar Talente in euren Kreisen, aber wie schnell sind sie verhurt! Einen kenne ich, der macht Käsereklame, und siehe da, wirklich, an seinen Wörtern konnte man sich delektieren, man bekam nicht nur Lust auf Emmentaler, sondern auch auf weitere Kostproben seiner Sprache. Wie könnte sich dieses Talent entwickeln, wenn es sich, ausser vom Käse, noch von andern Objekten inspirieren liesse. Wenn der schnelle Mann einmal nicht mehr den Stutz, sondern nur noch eine Sache im Auge hätte, für die sich sein Herz erwärmt. Aber es soll halt Leute geben, ihr lieben Einpeitscher und Vorsteher des guten Geschmacks, welche von Existenzängsten befallen werden, wenn sie im Monat weniger als 20'000 Franken verdienen.
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