Nini Tsiklauri - Lasst uns um Europa kämpfen

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Europa steht vor einem Wendepunkt und wir Europäerinnen und Europäer entscheiden, in welche Richtung es sich bewegt. Stillstand ist keine Option. Nini Tsiklauri bietet eine neue Perspektive, die Europäische Union zu begreifen und zu fühlen. Sie lädt Europa mit starken Emotionen auf und liefert einen Do-It-Yourself-Rettungsplan für die EU gleich mit. Ein sehr privates und zugleich hochpolitisches Buch.

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Nini Tsiklauri Lasst uns um Europa kämpfen Alle Rechte vorbehalten 2020 - фото 1

Nini Tsiklauri:

Lasst uns um Europa kämpfen

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 edition a, Wien

www.edition-a.at

Coverfoto: Jolly Schwarz

Cover: Isabella Starowicz

Aufgezeichnet von:

Andrea Fehringer und Thomas Köpf

Satz: Sophia Stemshorn

ISBN 978-3-99001-436-3

E-Book-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Für Nana, Isa, Gogi und Mary.

Dieses Buch widme ich allen Menschen, die Tag für Tag dafür kämpfen, das Licht der Gemeinschaft immer weiter leuchten zu lassen, und allen GeorgierInnen und UkrainerInnen, die ihr Leben dafür gaben.

INHALT

MEIN ANLIEGEN

HÖLLENFEUER

MEIN WEG NACH EUROPA

STERNENWANDERN

UNGARN

GEORGIEN

DEUTSCHLAND

BÜHNE UND POLITISCHES PARKETT

DIE BUNDESKANZLERIN

KRIEG

WAHRHEIT UND WIRKLICHKEIT

DER PRÄSIDENT

PLÖTZLICH AKTIVISTIN

WER, WENN NICHT WIR?

DER AUFRUF

DER PULS EUROPAS

DAS OFFENE MIKRO

EINE REDE IN LONDON

DAS EUROPA-FEELING

DAHOAM IN EUROPA

MEIN APPELL

DER RETTUNGSPLAN

MEIN ANLIEGEN Dieses Buch ist keine politische Abhandlung Dieses Buch ist ein - фото 2

MEIN ANLIEGEN

Dieses Buch ist keine politische Abhandlung. Dieses Buch ist ein Aufruf. Europa fühlen, Europa sein. Nichts weniger als das ist mein Ziel.

Die Europäische Union ist die größte zivilisatorische Errungenschaft unserer Geschichte. Das Beste, was wir als Menschheit je geschafft haben.

Manche schmunzeln sanft, wenn ich das sage, und ich sage es immer und überall. Sie halten mich für vertrauensselig, gutgläubig, sie halten mich für naiv. Einerseits bewundern sie dieses Vertrauen in die Menschen, das Zutrauen in die Sache. Andererseits blitzt hinter dem freundlichen Lächeln so eine etwas überhebliche Nachsicht durch. Bei manchen ist es auch eine nachsichtige Überheblichkeit. Ein Ach-Mädel-du-wirst-auch-noch-draufkommen.

Aber draufkommen worauf? Wie schlecht die Welt ist?

Da kann ich alle beruhigen, der Zug ist abgefahren. Dafür hat schon meine Geburt gesorgt. Ich kam in Georgien zur Welt, einer Ecke Europas am östlichen Rand des Kontinents, wo Freiheit und Frieden nicht selbstverständlich sind. Deshalb brenne ich ja so auf einen Garanten für ein friedliches und freies Zusammenleben der Menschen, darum brenne ich so für die Europäische Union.

Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass sich so viele Menschen dem Gedanken von Demokratie, Solidarität, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Frieden verpflichtet haben. Verbunden zu sein in Vielfalt. Das leben wir. Das verbindet uns. Auf Papier haben wir es geschworen: Wir sind füreinander da. Das sehe ich nirgendwo anders auf der Welt. Dieses Einstehen für Sicherheit, Frieden und Freiheit.

Die Europäische Union ist ein Leuchtturm der liberalen Demokratie. Und des Friedens und der Freiheit, ich kann es nicht oft genug sagen. In diesem Licht erstrahlen Menschen- und Bürgerrechte, die Gleichberechtigung in einer offenen Gesellschaft.

Seitdem das Licht in diesem Leuchtturm zu flackern begann, gehe ich auf die Straßen und versuche, Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass wir es erhalten und schützen müssen. Dass es weiterhin leuchten muss.

Warum? Weil ich weiß, wie es ist, wenn es ausgeht.

Ich versuche, das Feuer, das dieses Licht nährt, in jedem von uns zu entfachen. Die Herzen für das Gemeinsame zu entflammen. Das europäische Feuer möge lodern wie das olympische. Ja, manchmal geht die Begeisterung mit mir durch.

Jedenfalls versuche ich, eine Haltung zu stärken und einen Geist zu schaffen, der uns alle immer wieder daran erinnert, dass wir nur gemeinsam stark sind. Nur miteinander etwas ausrichten können.

Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass das schon alle Probleme löst, die wir zweifelsohne haben. Ich erwarte auch nicht, dass sich die EU irgendwann einmal in allem einig sein wird. Jede Einigung muss erstritten werden. Und das ist gut so. Wir müssen uns zusammenraufen. Wie es halt ist in einer riesigen Familie, man kann sich streiten, aber man wird sich nie entzweien, zumindest sehe das ich so.

Die globalen Krisen kann kein Land allein lösen. Auf die großen Fragen hat kein Staat allein die Antwort. Das können wir nur unter dem Dach der Union. Mit ihren Mitgliedsstaaten, mit ihrer Bevölkerung, mit jeder einzelnen Bürgerin, jedem einzelnen Bürger. So schnell ist man vom Dach beim Fundament. Bei denen, die so ein Staatsgebilde tragen. Für wen wäre es sonst auch da?

Das Fundament sind also wir. Und ohne dieses Fundament ist nichts zu erreichen. Es liegt an uns, was wir aus Europa machen.

Solidarität zu leben, ist eine Frage des Wollens. Ohne Angst. Mit Mut. Ich will.

Und ich will, dass ihr wollt.

Ich vermittle ein Gefühl. Das sehe ich als meine Aufgabe und mein Ziel. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit zu einem festen Boden zu machen, auf dem wir alle auch wirklich stehen wollen. Und können. Den Spirit der Gemeinschaft stärken. Komme, was wolle. Wenn wir so verbunden sind, bleiben wir auch verbunden. Dann können wir alles meistern. Von Migration bis Pandemien, von Wirtschaftskrisen bis Klimawandel.

Denn das ist heute wichtiger denn je.

Neben dem Covid-19-Virus haben wir zusehends auch mit einem anderen Virus zu kämpfen. Mit der illiberalen Demokratie, die sich von innen heraus verbreitet und die EU Schritt für Schritt zerstören möchte. Es drohen die Einschränkung der Bürgerrechte, die Errichtung einer Medienzensur, es wird an der Verfassung und Gewaltenteilung gerüttelt und im Internet gezielt desinformiert. Diese Gefahren lauern direkt vor unserer Nase.

Meine Vision ist einfach. Meine Vision ist ein europagroßer Menschenteppich, geknüpft aus einem reißfesten Material aus Verve und Willen, verknotet mit Verantwortung und Zuversicht. Immer wieder werden hier und da Stellen schütter, fortwährend muss man ihn irgendwo reparieren, aber alles in allem kriegt ihn niemand kaputt. Auf so einem Teppich möchte ich Europa stehen sehen.

Deshalb sind wir unentwegt am Knüpfen. Dauernd hängen irgendwo lose Enden herum, viele Fäden sind überhaupt nicht ins große Gefüge einzuweben, andere rutschen immer wieder weg, sind bocksteif, statt sich auch nur ein wenig zu biegen, um sich mit den anderen verbinden zu lassen. Stellenweise ist der Europa-Teppich schon recht nachhaltig verwoben, dazwischen bilden sich aber immer mehr hartnäckige Knäuel aus einem Material, das so gar nicht zum übrigen passt. Und manchmal sind wir auch müde und frustriert, weil noch so viel Arbeit vor uns liegt, und knüpfen halbherziger vor uns hin.

Aber das wird schon. Sagt die Naive mit ihrem unschuldigen Glauben an das Gute in den Europäern. Und warum auch nicht?

Nichts hat so sehr gezeigt, was eine Bewegung zu bewirken imstande ist wie Fridays for Future. Ein Netz aus der Kraft der Jugend, die man vorher nie ernst genommen hat, und die jetzt nicht mehr zu ignorieren ist. Mehr noch, mit der man rechnen muss. So eine Basis stelle ich mir vor. Die sicherstellt, dass nichts mehr von oben diktiert werden kann, was unten nicht angenommen wird.

Europa ist ein Gefühl.

Wenn Mut, Zusammenhalt, Vielfalt, Respekt, Zukunfts- und Freiheitsliebe an einem Ort zusammentreffen, entsteht es automatisch. Dann liegt es in der Luft, ihr könnt es fast greifen, das elektrisierende Europa-Feeling. Ich weiß es, ich habe das erlebt.

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