Michael Klaus Wernicke - Glücklich wollen wir mit Sicherheit sein

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Augustinus (354-430) gehört zu den großen Gestalten der Geistesgeschichte. Sein Denken hat die Entwicklung der westlichen Kultur wesentlich mitbestimmt. Zugleich hatte er von Anfang an Gegner. Manchen Philosophen und Theologen galt und gilt er als Erfinder des willkürlich strafenden Gottes, als jemand, der in seiner Theologie eine Logik des Schreckens entwickelt hat.
Demgegenüber stellt Michael Klaus Wernicke Augustinus als großen Glückssucher vor, als einen Mann, für den das Suchen nach dem Glauben die Suche nach Glück ist. Als jemanden, dem es nicht zunächst um Moral geht, sondern um das Glück im Glauben, das sich vollenden soll im Schauen.
Als Augustinus einmal einen Bettler sah, der betrunken seine Scherze machte, sagte er zu seinen Freunden: «Seht euch den an. Er ist glücklich, ist in einem Zustand, den wir mit all unserer Plackerei zu erreichen suchen und doch nicht erreichen.»

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Michael Klaus Wernicke

Glücklich wollen wir mit Sicherheit sein

Augustinus’ Suchen nach dem Glauben

Michael Klaus Wernicke

Glücklich wollen wir

mit Sicherheit sein

Augustinus’ Suchen

nach dem Glauben

Glücklich wollen wir mit Sicherheit sein - изображение 1

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

1. Auflage 2015

© 2015 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter-verlag.de

Umschlag: Peter Hellmund

(Bild: The Bridgeman Art Library / Getty Images)

Satz: Hain-Team ( www.hain-team.de) Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck ISBN 978-3-429-03821-2 (Print) 978-3-429-04804-4 (PDF) 978-3-429-06220-0 (ePub)

Inhalt

Versuch eines Vorworts

Kindheit und Jugend

Der Student

Die Lektüre von Ciceros „Hortensius“

Manichäer

Lehrer der Rhetorik

Wieder in Karthago

In Rom

In Mailand

Nachdenken über Gott

Die Bekehrung

Cassiciacum

Taufe und Rückkehr nach Afrika

Zurück in Afrika

Kloster in Thagaste

Priester

Das Gartenkloster

Der Bischof

Monasterium clericorum

Der Kampf für die katholische Kirche und ihre Lehre

Der Prediger

Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan

Gegen Fallensteller und Menschenhändler

Die Sehnsucht betet immer

Die Goten nehmen Rom ein

Lebensende

Verfolgung durch die Vandalen

Quellen und Literatur

Versuch eines Vorworts

Ich bin wohl das, was man einen Milieukatholiken nennt. Hineingeboren, getauft und aufgewachsen in einer Berliner, von Augustinermönchen betreuten Pfarrei bot man mir dort alles, was ich brauchte: nette Freunde und – in erster zaghafter Annäherung – auch Freundinnen, uns jungen Menschen durchaus ansprechende Gottesdienste, Spiel und Spaß. Die älteren Jugendlichen vergnügten sich beim „Schwofen“, wie sie es nannten, bei in unserem Gemeindesaal stattfindenden Tanzveranstaltungen. Mancher junge Mann, manche junge Frau fanden dort ihre Ehepartner. Ich bin ein Milieukatholik, und das ist gut so.

Und doch war Religion für mich in erster Linie Moral, ein „Du darfst nicht!“ und „Du sollst!“ Es schlug mir das Gewissen, dass ich gelogen, dass ich Bücher ausgeliehen und nicht zurückgegeben hatte, und es plagten mich erste erotische Phantasien. Sünden müssen im Fegefeuer abgebüßt werden, auf den Todsünder warten gar ewige Höllenstrafen, lernte ich im Religionsunterricht. Trotz schöner Erlebnisse im Kreis der Freunde und der Patres, die viel Geduld und Verständnis für uns aufbrachten, lauerte immer in einem dunklen Seelenwinkel die Angst.

Ich wurde dann selber Augustiner und Priester, und während des Studiums der Moraltheologie musste ich noch gründlicher lernen, welche Sünden zum Verlust der Heiligmachenden Gnade führten, zur Kündigung der Gottesfreundschaft. Und das waren viele.

Als ich im Sommer 1962 in meiner Heimatpfarrei St. Rita in Berlin Primiz feierte und einige Wochen dort verweilte, wurde ich aufgefordert, die Predigt am Fest des hl. Augustinus am 28. August zu halten. Es war ein warmer Sommer. Eines Abends sah und hörte ich einen Mann, der – es war ein Freitag – seinen Arbeitslohn, wie damals üblich, bar „auf die Kralle“ erhalten und einen Teil davon in Alkohol umgesetzt hatte, leicht taumelnd beständig laut vor sich hinreden: „Mensch, bin ick glücklich! Mensch, bin ick heute glücklich!“ Ich hatte den Einstieg in meine Predigt gefunden; denn ich hatte in den „Confessiones“, den „Bekenntnissen“, die Stelle entdeckt von dem Bettler in Mailand, der betrunken seine Scherze machte. Augustinus sagte zu seinen Freunden: „Seht euch den an. Er ist glücklich, ist in einem Zustand, den wir mit all unserer Plackerei zu erreichen suchen und doch nicht erreichen.“ Ich begriff, dass Augustins Suchen nach dem Glauben die Suche nach Glück war: denn der Besitz Gottes ist das Glück, wie die Diskutanten in dem Cassiciacum-Dialog über das glückliche Leben herausfinden. Ich verstand, dass es nicht zunächst um die Moral geht, sondern um das Glück im Glauben, das sich vollenden soll im Schauen.

Auf das Glück, auf das selige Leben kommt Augustinus immer wieder zu sprechen, und deswegen habe auch ich in meinem sicher sehr defizitären Versuch, sein Leben zu beschreiben, immer wieder auf diese Glückssuche hingewiesen.

Bin ich glücklich? Nicht immer und nicht bis in die tiefste Tiefe meiner Seele. Augustinus möge mir ein Führer zum wahren und vollkommenen Glück sein, Augustinus, der von manchen Philosophen und Theologen als Erfinder des willkürlich strafenden Gottes hingestellt wird, als einer, der in seiner Theologie eine Logik des Schreckens entwickelt hat. Für mich soll er der große Glückssucher bleiben, der die ihm Anvertrauten zum seligen Leben führen wollte, das er auch für sich ersehnte.

P. Michael Klaus Wernicke OSA

Kindheit und Jugend

Ein niedliches Baby war er, das lächelte, zuerst im Schlaf, dann im Wachen; ein Schreihals, der durch lautes Weinen sein Begehren kundzugeben versuchte und der, wenn ihn die Erwachsenen nicht gleich verstehen konnten oder wollten, durch lautes Geheul an ihnen Rache nahm. So schildert Augustinus seine Säuglingszeit, an die er sich nicht erinnerte, von der ihm aber Eltern und Ammen erzählten. Später beobachtete er auch, um die eigene Kindheit zu rekonstruieren, Säuglinge, den Knaben zum Beispiel, der bleich, mit bitterbösen Blicken auf seinen Milchbruder starrte, dem gerade die Brust gereicht wurde, während er, der Neidische, zunächst leer ausging. Der erwachsene Augustinus zieht aus solchen und anderen unleidlichen Verhaltensweisen kleiner Kinder den Schluss: „Ist vor Dir, Gott, doch keiner rein, auch das Kind nicht, das nur einen Tag auf der Welt ist.“

Er glaubt nicht an kindliche Unschuld, wird aber ganz und gar nicht zum Rabenvater, als seine Freundin ihm nach höchst unwillkommener Schwangerschaft einen Sohn gebiert, „Nachkommenschaft wider Wunsch und Willen“, der doch, einmal geboren, sich die Liebe der Eltern zu gewinnen wusste. Aber davon später.

So schildert Augustinus seine Kindheit in den „Confessiones“, den „Bekenntnissen“, dem berühmtesten und am meisten gelesenen Buch seiner 107 Werke, das er wohl Ende 397 begonnen hat. Da die hier gebotene Lebensbeschreibung bis zum Tod der hl. Monnica, der Mutter Augustins, dieser Schrift folgen wird, sei dargelegt, was der Verfasser mit seinen Bekenntnissen beabsichtigte, was er mit ihnen sagen wollte und was er offensichtlich nicht sagen wollte.

„Confiteri“, das Verb, von dem sich das Substantiv „Confessiones“ ableitet, kann „bekennen“ heißen, aber auch „lobpreisen“. Der Wortbedeutung entsprechend, ist das Buch Sündengeständnis, Glaubensbekenntnis und Lobpreis der Barmherzigkeit Gottes. Warum nun breitete Augustinus seine Sünden und Irrwege vor der Öffentlichkeit aus? Er selbst stellte sich diese Frage und antwortete: „Damit wir, ich und jeder, der das liest, bedenken, aus welcher Tiefe man zu Dir, Gott, rufen darf.“ Es sollen also die ermuntert werden, die das Gewissen drückt und die unter der Last ihrer Schuld mutlos zu werden drohen.

Dem Glaubensbekenntnis, oft verbunden mit dem Lobpreis, begegnet der Leser auf vielen Seiten, ja schon im ersten Satz: „Groß bist Du, Herr, und hoch zu preisen, und groß ist Deine Macht und Deine Weisheit unermesslich. Und preisen will Dich der Mensch …“ Unser Gott, neben dem es keinen anderen gibt, wird angerufen als „Höchster, Bester, Mächtigster! Ganz allmächtig, ganz barmherzig und gerecht, ganz verborgen …“

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