Martin Walser bringt es mit seinem bereits 1960 verfassten Text auf den Punkt: Die Sprache des Pfarrers erreicht die Menschen nicht, sie ist eine andere Sprache, eine, die nicht mehr verstanden wird.
Da wird gefeiert und geredet mit dem Anspruch, Gott zu verkündigen – doch wenn betrifft es? Glaube und Leben fallen auseinander, ja schlimmer noch: durch diese formelhafte Sprache wird Gott verloren.
Verkündigung ist etwas sehr Vielschichtiges. Sie ist ganzheitlich formatiert: durch die eigene Existenz, durch das persönliche Zeugnis – und eben auch durch Worte des Glaubens und über den Glauben, die den Menschen hier und heute etwas zu sagen versuchen. Verkündigung geschieht im Kontext der Predigt im Wesentlichen durch Worte über „das Wort“, den „Logos“, das fleischgewordene Wort Gottes.
Nicht erst seit dem expliziten Auftrag zur Evangelisierung durch Papst Franziskus 2gehört die Verkündigung zu den fundamentalsten Aufgaben der Kirche. So definieren die österreichischen Bischöfe in einer Handreichung von 2012:
Evangelisierung „bedeutet die Verkündigung des Evangeliums, sei es durch das Lebenszeugnis, durch entsprechende Haltungen, durch Taten, Worte … Wo das Evangelium schon angekommen ist, mag es sinnvoll und angemessen sein, seine lebensrelevante Bedeutung wieder einmal aufzufrischen. Dies kann man neue Evangelisierung bzw. Neuevangelisierung nennen.“ 3
Unter Verkündigung „soll die explizite Weitergabe des Glaubens verstanden werden, die innerhalb der Gemeinschaft der Kirche mit ihrem ganzen Leben eng zusammenhängt, besonders aber mit dem Gottesdienst (Liturgie) und der Liebe zum Nächsten (Caritas).“ Katechese ist schließlich „ein Teilbereich der Verkündigung. Sie spricht Menschen an, die bereits eine Grundentscheidung für den Glauben getroffen haben, und eröffnet ein Verständnis für die Inhalte des Glaubens.“ 4
Verkündigen heißt „Zeugnis geben“ und stellt die Verkündigenden selbst unter einen sehr hohen Anspruch. Ihre Sprache wird einer Feuerprobe ausgesetzt: Handelt es sich um leere Worthülsen oder um Worte, deren Sinn und Bedeutung eine Kraft beinhaltet, die das Leben fördert und befreit?
1.Globale Herausforderungen für die Predigt
In der Predigtausbildung hat sich das Wort von der „homiletischen Großwetterlage“ eingebürgert: Es meint, dass die Predigt nicht nur auf die spezifischen Erfordernisse einer Gemeinde Rücksicht zu nehmen hat, sondern auch auf jene gesellschaftlichen, politischen, kulturellen, religiösen Entwicklungen, die einer ganzen Gesellschaft gemein sind – und die auch Auswirkungen auf die einzelnen Gemeinden haben.
Zu diesen Kennzeichen der heutigen Situation werden üblicherweise gezählt:
•Die Pluralisierung der Lebenswelten – und damit auch der Gottesdienstgemeinden. Damit wird es schwieriger, generelle Lösungsvorschläge anzubieten. Die individuellen Lebensgestaltungen sind hochkomplex geworden und verlangen differenzierte Wahrnehmungsweisen. Den Individualisierungsphänomenen kann nicht mit allgemeingültigen Ratschlägen und generellen Ansätzen begegnet werden.
•Die Globalisierung , die bis in den ländlichen Raum vorgedrungen ist. Auch die kleinste Gemeinde ist verbunden mit den Trends und Entwicklungen der Gesellschaft. Die „homiletische Großwetterlage“ lässt sich nicht erfassen, ohne auf jene Vorgänge aufmerksam zu sein, die sich in Wirtschaft, Politik, Kultur und Umwelt tagtäglich ereignen. Die durch das Phänomen der Globalisierung entstandenen internationalen Verflechtungen prägen nicht nur die Gesellschaft – ihre Staaten, Nationen und Institutionen, sondern werden auch zwischen den Individuen wirksam.
•Die weltweite Vernetzung durch die Fülle der neuen Medien führt dazu, dass die Menschen heute schnell und überall Zugriff auf Fragen, Probleme und Ereignisse haben, die irgendwo auf der Welt geschehen. Die damit verbundenen Themen der Kommunikation und Ästhetik wirken tiefgreifend bis in den Kirchenraum hinein. Nirgends sonst wird die Frage nach den „Zeichen der Zeit“ so virulent, wie in der Verkündigung, die selbst ein Zeichen setzen will, das einerseits spürbar an den Strom christlicher Tradition angebunden ist, andererseits sich wahrnehmungssensibel menschlicher Lebensrealität nicht verschließt. Die „Zeichen der Zeit“ erkennen jene, die verkündigen, aber nur, wenn sie sich von fremden Blicken, Orten und Diskursen irritieren und provozieren lassen. Es sind jene Zeichen, die nicht von der Kirche bestimmt werden, sondern all jene Probleme und Aufgabenstellungen, die alle Menschen angehen.
2.Spezifische Herausforderungen in der Wort-Verkündigung
Das Wort wird nie kontextlos gesprochen und rezipiert. Wort-Verkündigung heißt immer die Verwendung von Sprache in einer bestimmten Kultur, heißt von einem bestimmten Ort in einen bestimmten Raum hinein zu sprechen. Der Kontext der Verkündigung ist in Österreich und Deutschland ein anderer als zum Beispiel in Afrika oder den ehemaligen Ostblockstaaten.
2.1.Die theologischen Inhalte in das „Hier und Jetzt“ setzen
Was im Gefolge des II. Vatikanums mit dem Begriff des „aggiornamento“ („Verheutigung“) ausgesagt worden ist, gilt insbesondere für die Verkündigung. Gerade im Studium der Theologie liegt ein Schwerpunkt auf der Vermittlung und Aneignung von biblischem, historischem und dogmatischem Wissen. Die Praktische Theologie und hierin vor allem die Homiletik versucht zu vermitteln, dass theologisches Wissen gewissermaßen „heruntergebrochen“ werden muss im Blick auf die konkreten HörerInnen und auf die konkreten Situationen.
Für die Predigtausbildung bedeutet dies, dass sie in Rückkoppelung bzw. im Gespräch mit den unterschiedlichen theologischen Disziplinen erfolgen sollte. Dialog bedeutet aber, dass es nicht nur um eine Vermittlung von Inhalten geht, die von Bibelwissenschaften, Dogmatik etc. vorgegeben werden. Es geht um das gemeinsame Suchen und Ringen nach Sinn und Bedeutung jener „großen Begriffe“, die die Theologie von jeher umtreiben, wie zum Beispiel Menschwerdung, Erbsünde, Schuld und Sünde, Gnade, Auferstehung, Ewiges Leben, Heil etc. Erschließende Kraft erhalten diese Begriffe dann, wenn sie durch das Prisma der eigenen Existenz laufen und auf ihre Bedeutung hin geprüft werden. Jene, die im Dienst der Verkündigung stehen, sind gefordert, mit ihrem eigenen Leben Rechenschaft darüber zu geben, ob diese Worte etwas erschließen können, ob sie Türen öffnen können für den zu bewältigenden Lebensweg. Die Kunst zu predigen bedeutet dann in einem zweiten Schritt, in einer bestimmten Präsenz und Ästhetik, die Sprache, Form und Körper mit einschließen, von diesem Erschließungsphänomen zu sprechen und zwar so, dass die Worte bei den HörerInnen landen können: intellektuell, emotional und kinästhetisch.
2.2.Die Verkündigung durch Personen anderer Muttersprache
Verkündigung hat den Anspruch, verstanden zu werden – und zwar inhaltlich wie auch in der Sprachform. Eine spezifische Herausforderung stellt daher die Verkündigung durch Personen dar, die aus anderen Kulturkreisen kommen. Sich in einer anderen Sprache als der Muttersprache zu verständigen, erfordert einen hohen Aufwand und ist bisweilen schwierig: Es geht dabei nicht nur darum, die richtige Aussprache und die richtigen Worte zu finden; um verstanden zu werden, braucht es eine intensive Übersetzungsarbeit in die anderen kulturellen Gegebenheiten. Übersetzungsarbeit gehört zum Kern jeder Verkündigung: denn auch die Bibel, das Evangelium, ist in einer anderen Sprache, die nicht unsere Muttersprache ist, verfasst. Die Übersetzungsarbeit des Evangeliums ist aber selbst am Ursprung der Verkündigung der Kirche angesiedelt.
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