1 ...7 8 9 11 12 13 ...26 Kaum hatte sie das Asteroidenfeld hinter sich gelassen, deckte sie die hinterste Maschine mit Salven aus ihren Bordgeschützen ein. Einige schrappten über die Panzerung, aber ein paar Projektile schlugen ins Innere ein. Ihr Ziel begann zu trudeln.
Die vier Konzernjäger, Sparrows – günstige Standard-Mehrzweckjäger und Massenware – stoben auseinander wie ein Schwarm Fische vor einem zubeißenden Hai. Danai ließ sich nicht abschütteln, blieb am Heck ihres beschädigten Gegners kleben und traf das Triebwerk. Die Maschine brach auseinander, aber der Pilot wurde in letzter Sekunde von der Sicherheitsautomatik aus dem explodierenden Raumjäger geschleudert. Ihr erster Abschuss als Chopper-Jockey!
Danai schob in solchen Situationen den Gedanken beiseite, dass das hier keine Übung war und Menschen sterben konnten. Sie hob sie sich für später auf, für die tiefsten Stunden der Nacht, in denen die Schutzschilde aus Rationalität und Abgebrühtheit heruntergefahren waren.
Zwei Jäger drehten bei und kamen auf sie zu, der verbliebende dritte schoss Richtung Frachterkonvoi davon.
Wo zur Hölle steckte Tabs?
»Tabs? Brauchst du ’ne Extra-Einladung? Dein Ziel macht sich gerade davon, um deine Bros aus dem All zu blasen. Und mir kleben zwei Bandits am Arsch!«
»Ich … kann nicht! Versmashter Dreck! Meine Systeme fahren nicht hoch!« Die Stimme klang panisch. Danai glaubte nicht, dass das irgendein abgekartetes Spiel war, um sie in Schwierigkeiten zu bringen. Tabs hatte eben schon zögerlich geantwortet. Sie hatte mit einem neuen Zielcomputer geprahlt, also hatte sie offensichtlich vor kurzem an ihrem Chopper herumgeschraubt und etwas eingebaut, das ein bisschen zu gut war, um wahr zu sein. Das Reaper-Virus musste in ihrem Zielcomputer eine potenzielle Gefahr erkannt haben und hatte ihren Chopper lahmgelegt. Wahrscheinlich wollte sich Tabs keine Blöße geben und hatte Deardevil trotz ihrer Systemausfälle Einsatzbereitschaft signalisiert – und Danai musste es nun ausbaden. Dies Gehabe manövrierte sie alle in die Scheiße!
»Bleib, wo du bist. Ich lock sie von dir weg!«
Sie öffnete einen Kanal zum Rest der Staffel und wurde mit einem Geschnatter aus Funksprüchen empfangen.
»Ziel markiert.«
»An meiner Sechs, könnte mir den jemand vom Hals schaffen?«
»Passt auf dieses Flakfeuer auf! Ich schnapp mir das Geschütz, damit du einen Angriffsvektor findest.«
»Friss das, du Corp-N00b! Yeah! Hab ihn! Siebter Abschuss! Mein Like-Zähler dreht sich wie irre, werte Bros!«
»Rock Drei. Torpedo unterwegs … und Treffer! Ziel manövrierunfähig.« Das war Prophets Stimme.
»Partyboot: Los geht’s, schnappt euch das Paket!«, antwortete Deardevil.
Danai warf ein »Hier Princess. Ein Bandit auf dem Weg zu euch, ich beschäftige den Rest!« in die Runde.
Sie war wieder ins Asteroidenfeld abgetaucht, um ein wenig Deckung vor den stetig spuckenden Bordgeschützen ihrer beiden Verfolger zu finden. Sie musste die gesamte Aufmerksamkeit dieser Smashwits binden, damit sie nicht Tabs’ hilflos im All hängenden Chopper entdeckten. Also tauchte Danai noch tiefer ins Asteroidenfeld ein, mit direktem Kurs aufs Schwarze Loch.
Jetzt bemerkte sie die unvorhersehbaren, aus verschiedenen Richtungen zerrenden Anziehungskräfte der Gravitationsanomalien ihrer Umgebung. Das Gravitoniumerz wechselwirkte auf rätselhafte Weise mit dem schwarzen Loch und erzeugte ein unberechenbares physikalisches Chaos aus hin- und herziehender Schwerkraft. In letzter Sekunde konnte sie einem großen Brocken, der unvermittelt vor ihr auftauchte, ausweichen. Eine Kollision mit einem der kleineren schüttelte ihre Slipstream durch und zog eine große Schramme über die linke Seite. Die plötzlichen Richtungswechsel und verrücktspielenden G-Kräfte nahmen ihren Orientierungssinn in die Mangel. Es war eine verdammt riskante Vorgehensweise, um die beiden Verfolger loszuwerden, aber sie wirkte. Ihre Sensoren registrierten in diesem Moment einen Feuerball auf ihrer Sechs, kurz gefolgt von einem zweiten.
Das war’s. Sie drehte ihre Maschine in einem weiten Bogen und machte sich unbehelligt auf den Rückweg. Ausmanövriert – Treffer und versenkt.
Als sie den Konvoi erreichte, war die Schlacht vorbei: keine Verluste. Erst war es ihr unsinnig erschienen, mit einem zusammengewürfelten Haufen aus Choppern und Jockeys mit so unterschiedlichen Stärken und Schwächen eine koordinierte Konzerneskorte anzugreifen, deren baugleiche Jäger einander optimal unterstützen konnten. Aber die Daredevils wussten, was sie taten. Auf dieser Seite eines Überfalls von Free-Turflern gegen Corp-Turfler hatten sie eindeutig mehr Erfahrung.
Der Zieltransporter war von Purples Enforcern aufgebracht worden. Danai hatte diese Leute als irgendetwas zwischen Schlägertrupp und Ex-Konzernmarines kennengelernt, die nun gerade die Ladung auf eine eigene Transportfähre schafften. Das waren die harten, kantigen Leute gewesen, die im Loco Hana weniger geprahlt und dafür mehr getrunken hatten.
Außerdem schien Danai mit ihrem Abschuss und dem Stunt im Asteroidenfeld einen fulminanten Start ihrer Gramstar-Karriere hingelegt zu haben. Ihr Stream, mit quantenverschränkter AnsVi-Tech-Kommunikation ohne Zeitverzögerung durchs Datanet an die Endgeräte in der ganzen von Menschen besiedelten Galaxie gesendet, wies bereits tausende Likes und hunderte Kommentare auf.
Ihr Sponsor würde wahrscheinlich sehr zufrieden sein.
»Unser Sponsor ist noch nicht zufrieden«, sendete Deardevil an die Staffel auf einem geschlossenen Kanal. »Bulldoxx hat entschieden, dass das Saubermann-Image nicht genug Aufmerksamkeit erzeugt. Ein bisschen Tabubruch muss her, ein bisschen Schock.« Sie schwieg kurz. »Wir sollen die anderen Transportschiffe aus dem All schießen.«
Die schwerfälligen Frachter waren ohne Geleitschutz leichte Beute. Danai sah sie in ihrer Zieloptik, und ihr wurde schlecht.
Wehrlose Beute ohne wertvolle Fracht. Bei einem Umzug dieser Art befanden sich neben kostbaren Gütern auch sicherlich eine Menge ausgebeutete Angestellte und deren Familien an Bord.
»Princess an Staffelführerin. Befehl bitte bestätigen. Wir sollen das Feuer auf Wehrlose eröffnen?«
Sie stotterte leicht beim letzten Wort, was ihr im Cockpit sonst nicht passierte. Nein, sie mochte als Ex-Konzernass das Ausführen von Befehlen strenger sehen als die anderen Jockeys der Staffel, aber diesen würde sie verweigern. Sie war doch nicht bei Hadronic von der Fahne gegangen, um nun Unschuldige abzuknallen! Und sie würde auch nicht zulassen, dass ihre Wingpals das taten.
Nicht schon wieder.
»Spinnst du, Liebes? So was machen die Daredevils nicht«, knurrte ihre Mutter zurück. »Im Disclaimer steht, wir streamen orange! Ich begeh doch keinen Datanet-Selbstmord!«
Danai verstand den letzten Teil nicht ganz, gab es eine Altersfreigabe für die Daredevils-Streams? Orange … wie in ab 16 ? Sie erlaubte es sich aber bereits, erleichtert auszuatmen.
»Wir sagen einfach, dass wir abhauen mussten, weil Verstärkung unterwegs war. Da konnten wir nichts machen.«
»Nein«, wiederholte Princess, »da konnten wir nichts machen.«
»Dann, Daredevils, Schätze. Schöner Run, Mission erfolgreich. Schleppt jemand Tabs ab? Bacon führt uns über den Highway wie immer. Ab nach Hause!«
Kian scrollte sehr zufrieden durch die Liste seiner neuen Follower. Der Run hatte einiges gebracht, obwohl oder vielleicht sogar weil sie bei der Orange-Freigabe geblieben waren. Danach warf er einen Blick auf das Programm, das ihn über die Unfollows informierte, und ihm klappte die Kinnlade herab: PrincessDD war ihm entfolgt!
Was denkt sie sich dabei? Er rief Details auf. Sie war ihm nicht einfach entfolgt. Sie hatte ihren Account gelöscht – nach der Rückkehr vom Run! Er starrte auf den leeren, ausgegrauten Account, und in diesem Moment rief seine Ex an.
Читать дальше