2.3.3.6 Planung, Organisation und Durchführung eines Storyline -Projekts
Wie lassen sich die multiplen und mitunter parallel stattfindenden Prozesse sinnvoll arrangieren und koordinieren, ohne dabei Lehrende und Lernende zu überfordern? Dies ist eine häufig gestellte Frage, die durchaus ihre Berechtigung hat. Ein Großteil der Arbeit findet für Storyline -Lehrkräfte bereits im Vorfeld statt, nämlich wenn ein Thema gemeinsam ausgewählt, eine Geschichte entwickelt, strukturiert und im Hinblick auf die intendierten Lernprozesse vorbereitet wird.
Abb. 4:
Der topic plan : Die Planungsmatrix für ein Storyline -Projekt (Harkness 2007, 21)
Der so genannte topic plan hilft dabei, den Überblick über geplante Prozesse und Produkte zu behalten, ohne jedoch einzuengen. Er zählt zwar nicht unbedingt zu den grundlegenden und unverzichtbaren konzeptionellen Prinzipien, wird jedoch seit jeher von Storyline -Praktizierenden als Planungsvorlage und konkrete Unterrichtshilfe verwendet, dient folglich der Strukturierung des gesamten Unterrichtsprojekts und bietet den Lehrenden während der Projektdurchführung Halt und Sicherheit.
Vorgefertigte topic plans dürfen nicht als Gebrauchsanweisungen bzw. streng zu befolgende Rezepte missverstanden werden, sondern dienen lediglich als grobes Gerüst, das Orientierung und Sicherheit geben, aber andererseits viel Raum für die von der Klasse eingebrachten Ideen, Nebenschauplätze und neuen Handlungsstränge gewähren soll ( structured freedom ), denn nur dann können die Lernenden die Geschichte als ihre eigene erleben ( ownership principle ).
Um den roten Faden der Geschichte nicht abreißen zu lassen und den Lerneifer der Schülerinnen und Schüler nicht unnötig zu bremsen, sollten Storyline -Projekte möglichst in Doppelstunden und ohne längere Unterbrechungen durchgeführt werden. Hier zeigt es sich von Vorteil, wenn nur wenige Lehrkräfte in einer Klasse unterrichten, so dass sie ihren Stunden-Pool frei nutzen können, ohne den Ablauf anderer Unterrichtsaktivitäten zu stören. Es bietet sich an, auch Schülerinnen und Schüler im Sinne des selbstverantwortlichen Lernens in vorbereitende Maßnahmen mit einzubeziehen: Bastelmaterial beschaffen, mediale Ausstattung wie Nachschlagewerke und Geräte sicherstellen, Klassenzimmer und Ausstellungsflächen vorbereiten und eventuell die Eltern informieren. So genannte teamleaders organisieren während der Projektdurchführung die Aufgabenverteilung in den Gruppen und zeigen sich für den reibungslosen Ablauf der Gruppenarbeit verantwortlich. Sie unterstützen die Lehrenden bei der Koordination von Gruppenaktivitäten und geben Rückmeldungen über Lernprozesse oder mögliche Lernbarrieren. Auf diese Weise wird das eigenverantwortliche Lernen und das Anwenden metakognitiver Strategien (Lernen lernen) gefördert, während die Lehrkraft entlastet wird.
Ein Storyline -Projekt kann man trotz time limits nie auf die Minute genau vorausplanen, und es ist utopisch, dass alle Lernenden ihre Arbeitsprodukte zur gleichen Zeit fertiggestellt haben. Deshalb muss auch akzeptiert werden, dass manche Schülerinnen und Schüler mehr (oder weniger) produzieren als andere oder eine Storyline -Episode vielleicht bereits einige Minuten vor Stundenende abgeschlossen ist. Als hilfreich und sinnvoll erweist sich das gemeinsame Sammeln gewisser Verhaltensregeln, an die sich die Lernenden halten müssen, um sich gegenseitig nicht bei der Arbeit zu stören. Erfahrungsgemäß fühlen sie sich bei selbst formulierten Regeln eher zum Einhalten verpflichtet als bei auferlegten Leitsätzen, da sie die jeweiligen Begründungen konkret und einsichtig nachvollziehen können.
Die Wirkung des ownership principle beeinflusst indes nicht nur die Lernenden, sondern auch die Lehrkräfte nachhaltig: “A teacher who has the idea to be an influential factor in the educational process, will have better results and more satisfaction“ (Letschert 1992b, 15). Eiriksdóttir (2001) resümiert ihre langjährige Storyline -Arbeit mit folgenden Worten: “Our pupils are involved and interested and therefore learn more and this gives the teacher the drive to continue his work with pleasure“ (Ebd., 154). Somit trägt Storyline auch mit dazu bei, die Schule als Lernort und als Arbeitsplatz positiv zu gestalten (vgl. Kapitel 1.5). Ob diese Aussage auch für den hiesigen Kontext und verschiedene Altersgruppen der Sekundarstufe I zutrifft, sollen meine Fallstudien zeigen (vgl. Teil B).
2.4 Storyline und Task-based Language Learning
2.4.1 Einleitung
Here was a child who has knowledge (...). All he needed was an audience and a purpose
(Bell 1995b, 7)
Grundsätzlich kann der Storyline Approach – neben den bereits erwähnten bzw. in Kapitel 3.4 teilweise noch näher erläuterten Kontexten wie Simulationen (z.B. Simulation globale , Szenariendidaktik, Dramapädagogik), narrativen Ansätzen (z.B. Story Approach , Situated Cognition , Anchored Instruction ), explizit inhaltsorientierten Ansätzen (z.B. Content-based Instruction 1, Content and Language Integrated Learning ) oder sozialformorientierten Konzepten (z.B. Cognitive Apprenticeship , Communities of Practice ) – auch in die Reihe der aufgabenorientierten Lernarrangements2 und deren Forschungskontext integriert werden, denn das Storyline- Konzept verfolgt in vielerlei Hinsicht ähnliche Prinzipien, wie sie im Rahmen von Task-based Language Learning (TBL) für gelungene Fremdsprachenlernprozesse formuliert werden.3 Andreas Müller-Hartmann und Marita Schocker-von Ditfurth (2004, 50) bezeichnen das Storyline -Modell als Beispiel für eine spezifische Projektform4 und somit als komplexes Aufgabenformat. Sie beziehen sich dabei auf Willis (1996), die insgesamt 6 Aufgabentypen5 unterscheidet: Auflisten; Ordnen und Sortieren; Vergleichen; Problemlösen; Austauschen von persönlichen Erfahrungen; komplexe kreative Aufgaben wie zum Beispiel Projekte. Während sich TBL allerdings eindeutig auf das Aufgabenlösen mit dem Ziel des fremdsprachlichen Lernens bezieht, basiert Storyline auf einem weiter gespannten philosophischen, pädagogischen und psychologischen Rahmenkonzept. Die Implementierung des Storyline -Konzepts im Fremdsprachenunterricht bietet zudem nur eine von vielen Einsatzmöglichkeiten (vgl. Kapitel 2.2.3).
Nachfolgend werden einige Grundzüge des Task-based Approach zusammengetragen und in Bezug zum Storyline Approach gesetzt. Danach werden Parallelen zwischen den beiden Konzepten aufgewiesen, indem einzelne Aspekte und konkrete Beispiele aus Storyline -Projekten in den von Willis (1996) konzipierten TBL-framework übertragen werden. Zum Schluss wird der Stand der fremdsprachenspezifischen Aufgabenforschung kurz skizziert und ein Katalog mit einigen noch offenstehenden Fragen erstellt. Wie sich zudem später noch zeigen wird, überlagern sich Aufgaben- und Motivationsforschung in vielerlei Hinsicht (vgl. Kapitel 4).
2.4.2 Grundzüge des Task-based Language Learning
Der methodische Ansatz Task-based Language Learning entstand in den 1980er Jahren aus der Unzufriedenheit von Erwachsenen mit herkömmlichen Sprachkursen, denn diese vermissten beim institutionalisierten Lernen den direkten Bezug zu alltagsrelevanten Kommunikationssituationen, für deren Bewältigung sie schließlich die Fremdsprache lernen wollten (Müller-Hartmann/Schocker-von Ditfurth 2005). TBL wurde zudem als Alternative zu dem im Sprachunterricht lange vorherrschenden behavioristischen Rahmenkonzept Presentation – Practice – Production (PPP) entworfen und wird auch als Weiterentwicklung von Communicative Language Teaching verstanden (Richards/Rodgers 2014; Samuda/Bygate 2008). Allerdings stellte dieses Konzept der Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht zum damaligen Zeitpunkt nicht etwas grundsätzlich Neues dar, wie beispielsweise auch Burwitz-Melzer (2006), Klippel (2006), Leupold (2006) oder Thaler (2008) zu Recht hervorheben, denn aufgabenorientiertes Lernen war bereits aus der Reform- und Projektpädagogik des ausgehenden 19. bzw. beginnenden 20. Jahrhunderts bekannt.
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