1 ...6 7 8 10 11 12 ...21 Weiter ist die vielleicht häufigste Bezeichnung für eine extrinsische Perspektive auf GanzheitGanzheit zu nennen: der archimedische Blickpunkt, der ebenfalls einen Punkt im Außen imaginiert, von dem aus auf das Ganze zurückgeblickt wird. Laut Arendts Ausführungen zu dieser Perspektive setzt deren ‚Räumlichkeit‘ eine mathematisch-philosophische Denkbewegung ins Bild, die das Verhältnis zwischen dem Menschen und der Ganzheit grundsätzlich prägt:
[W]e always handle nature from a point in the universe outside the earth. Without actually standing where Archimedes wished to stand […], still bound to the earth through the human condition, we have found a way to act on the earth and within terrestrial nature as though we dispose of it from outside, from the Archimedean point. And even at the risk of endangering the natural life process we expose the earth to universal, cosmic forces alien to nature’s household. (262)
Für Arendt ist die archimedische Blickperspektive also grundlegend für die „human condition“, und erklärt den wachsenden menschlichen Einfluss auf die Umwelt (den vor allem der Mensch des 20. Jahrhunderts mit nie gekannter Vehemenz auszuüben vermag). Die so verstandene AußenperspektiveAußenperspektive (auchextrinsische Perspektive) setzt den Blickenden in ein aktives Verhältnis zur GanzheitGanzheit.
Diesen Blickperspektiven ist der imaginäre Charakter der Visualisierung der GanzheitGanzheit als objektivem Gegenstand gemeinsam, der aus extrinsischer Perspektive betrachtet wird.1 Neben Cosgrove und Arendt ist weiter auf die Überlegungen von Martin Heidegger und Jean-Luc Nancy hinzuweisen, die sich mit der Frage nach der SichtbarkeitSichtbarkeit (von Ganzheit) der Ganzheit auseinandergesetzt haben, und dabei auf die FdG ‚Welt‘ (bzw. ‚ monde ‘) fokussieren.
Heideggers Die Zeit des Weltbildes zeichnet sich durch eine Betonung der engen Assoziation der AußenperspektiveAußenperspektive (auchextrinsische Perspektive) mit der FdG ‚Welt‘ aus, welche vor allem an das im Text prominente Kompositum des ‚Weltbilds‘ geknüpft wird: „Weltbild, wesentlich verstanden, meint […] nicht ein Bild von der Welt, sondern die Welt als Bild begriffen. Das Seiende im Ganzen wird jetzt so genommen, daß es erst und nur seiend ist, sofern es durch den vorstellend-herstellenden Menschen gestellt ist.“ (Heidegger 89) Auf den ersten Blick ist „the world-creating practice […] largely idealized in Heidegger.“ (Hayot 91f.) Das ‚Bild‘ steht jedoch weiter für eine aktive Rolle des Betrachtenden ein, denn:
Bild meint hier nicht einen Abklatsch, sondern jenes, was in der Redewendung herausklingt: wir sind über etwas im Bilde. Das will sagen: die Sache selbst steht so, wie es mit ihr für uns steht, vor uns. Sich über etwas ein Bild machen heißt: das Seiende selbst in dem, wie es mit ihm steht, vor sich stellen und es als so gestelltes ständig vor sich haben. (Heidegger 89)
Dieses ‚Weltbild‘, und das Verständnis von ‚Welt‘, das es impliziert – „Welt steht hier als Benennung des Seienden im Ganzen, so wie es für uns maßgeblich und verbindlich ist “ (ebd.; Hervorhebungen T.E.) –,2 rückt vor den neuzeitlichen Betrachter als „repraesentatio“ (91), d.h. als ‚Vor-stellung‘ in dem von Heidegger aktualisierten Sinn. „Vorstellen bedeutet hier: das Vorhandene als ein Entgegenstehendes vor sich bringen, auf sich , den Vorzustellenden zu, beziehen und in diesen Bezug zu sich als den maßgebenden Bereich zurückzwingen.“ (91; Hervorhebungen T.E.; vgl. Hayot 27) Heidegger, dessen Einfluss auf aktuelle Globalisierungstheorien kaum überschätzt werden kann (Nancys und Sloterdijks Texte zur – jeweils verschieden verstandenen – ‚GlobalisierungGlobalisierung‘ sind hier als besonders prominente Beispiele zu nennen), identifiziert die FdG ‚Welt‘ über das Kompositum des ‚Weltbildes‘ also mit einer machtvollen Außen perspektiveAußenperspektive (auchextrinsische Perspektive) westlicher Machart; die neuzeitlich-wissenschaftliche3 Perspektive ist damit, laut Heidegger, eine extrinsische .
Dies geht dabei jedoch weiter mit einer kämpferisch gedachten Dominanz des Blickenden über das ‚Vor-gestellte‘ einher, die Rede ist von einer „ meisternde [n] Ver-gegen-ständlichung“ (Heidegger 108; Hervorhebung T.E.). Die Wortwahl, mit der Heidegger diese Konstellation weiter beschreibt, ist, diesem aggressiven Gestus entsprechend, martialisch: „Der Grundvorgang der Neuzeit ist die Eroberung der Welt als Bild. Das Wort Bild bedeutet jetzt: das Gebilde des vorstellenden Herstellens. In diesem kämpft der Mensch um die Stellung , in der er dasjenige Seiende sein kann, das allem Seienden das Maß gibt und die Richtschnur zieht .“ (94; Hervorhebungen T.E.) Die somit von Heidegger bemühte „metaphor of ‘conquest’“ kann dabei, wie Eric Hayot in seiner Analyse von Die Zeit des Weltbildes ausführt, „be read literally into world history, as a reference to Europe’s imperialist takeover of large swaths of the planet, an event that like the ‘conquest of the world as picture ’ seems to both inaugurate modernity, and be it.“ (28)19. Jahrhundert (Welt-System)4 Dass eine AußenperspektiveAußenperspektive (auchextrinsische Perspektive) auf die GanzheitGanzheit grundsätzlich an Herrschaft geknüpft ist, hat Cosgrove konzis formuliert: Die Außenperspektive „seems […] to induce desires of ordering and controlling the object of vision.“ (5). Auch bestätigt sich im ‚Weltbild‘ Heideggers die These Cosgroves, dass „representations have agency in shaping understanding and further action in the world itself.“ (38)
Der Blick dieser Perspektive ist kein natürlicher, sondern ein imaginärer, d.h. auch in diesem Sinn ‚vorstellender‘.5 ‚Welt‘ ist dabei in der Neuzeit nur als ‚Welt-BildWelt-Bild‘ zu denken, denn „die Welt [wird] zum Bild“ (Heidegger 90), und verliert damit die Bedeutung eines ausschließlich Äußeren, unabhängig vom Menschen Gegebenen. Denn wie Heidegger ausführt, wird die Bedeutung von ‚Welt‘ in dem von ihm gemeinten Sinn, den er zunächst als das „Seiende im Ganzen“ (s.o.) benennt, erst in Bezug zum Kompositum ‚Welt-Bild‘ in seiner vollen Bedeutung klar: „Weltbild […] meint daher nicht ein Bild von der Welt, sondern die Welt als Bild begriffen. Das Seiende im Ganzen wird jetzt [in der Neuzeit; T.E.] so genommen, daß es erst und nur seiend ist, sofern es durch den vorstellend- herstellenden Menschen gestellt ist.“ (89; Hervorhebungen T.E.) Im Kompositum ‚Weltbild‘ erscheint die GanzheitGanzheit als zutiefst menschliche EinheitEinheit, die durch den Menschen als aktiver Part (durch sein ‚Vor-stellen‘) hervorgebracht wird.
Nancy lässt sich, trotz dessen Arbeit mit Heideggers Konzepten, zu dessen Ausführungen als Kontrast ins Spiel bringen, denn im Unterschied zu Heidegger schreibt er: „Tout d’abord, un monde n’est pas une unité de l’ordre objectif ou extrinsèque: un monde n’est jamais devant moi, ou bien il est un autre monde que le mien.“ (34) Damit unterscheidet sich Nancys Beschreibung deutlich von Heideggers Überlegungen zur FdG ‚Welt‘, bei dem diese FdG im Singular besprochen wird; gleiches gilt für sein Kompositum ‚Welt-BildWelt-Bild‘ – es gibt in Heideggers Verständnis, per definitionem , nur ein Welt-Bild, insofern dieses die (als mathematisch-wissenschaftlich definierte) westliche Moderne dominiert. Hierin liegt, wie man mit Nancy auf Heidegger blickend festhalten kann, der totalisierende Gestus des Konzepts des ‚Weltbildes‘: dieses bleibt unmissverständlich eines (das „Vorstellen“, der Modus, der dem Welt-Bild-Erzeugen zugrunde liegt, „treibt so alles in die Einheit Einheit des so Gegenständigen zusammen“, Heidegger 108; Hervorhebung T.E.) und imaginiert keine Welt en . Stattdessen ist das Welt-Bild das Ergebnis der aggressiven westlichen ExpansionExpansion.
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