Eine Unterteilung der Interaktionsformen ist auch nach den interagierenden Beteiligten des Lernprozesses möglich: So wird zwischen Aktionen Lernender und des Systems unterschieden (vgl. Niegemann et al. 2008: 287 ff.; Niegemann 2011: 125 ff.).
Mögliche Aktionen Lernender sind:
die selbstständige Auswahl von Lehrinhalten
die selbstständige Wahl einer Reihenfolge des Lehrstoffs
Auswahlentscheidungen bezüglich Beispielen und Aufgaben
das Anordnen und Nutzen von Hilfen
das Stellen von Fragen.1
Zu Aktionen des Systems gehören:
die Darbietung von Informationen
das Anbieten von Hilfen
Rückmeldung auf Eingaben
Feedback (vgl. ebd.).
Einige Aktionen stehen in direkter Verbindung miteinander, wie z. B. dass das System Informationen darbietet und Lernende aus dem Informationsangebot Inhalte selbstständig auswählen und über die Reihenfolge bei der Bearbeitung der Inhalte und Aufgaben entscheiden können. Wird eine Hilfe-Funktion im Programm vorgesehen, ist den Lernenden überlassen, ob, wann und wie sie genutzt wird. Der Umfang und die Gestaltung der Hilfe-Funktion können sowohl in unterschiedlichen Programmen als auch in verschiedenen Phasen innerhalb eines Programms unterschiedlich sein und von den didaktischen Überlegungen der Entwickler und den technischen Möglichkeiten abhängen. Für einen kontinuierlichen Lernprozess mit digitalen Medien sind Rückmeldungen bzw. Reaktionen des Systems auf jede einzelne Eingabe nötig. Eine wichtige Rolle spielt Feedback beim selbstständigen Lernen mit digitalen Medien. Dabei sind viele Aspekte zu beachten: Ausführlichkeit der Ausformulierung von Feedback, visuelle Gestaltung, kognitive Anforderungen an Lernende, Reaktionen auf eine falsche sowie eine richtige Eingabe etc. Daher wird dem Feedback ein gesondertes Unterkapitel gewidmet.
In der Forschungsliteratur wird vorprogrammiertes Feedback mit der Fehlerkorrektur im Unterricht verglichen (vgl. Biechele et al. 2003: 18 ff.; Rösler 2004: 177 ff.) und scheint laut Puskás im Vergleich zur unterrichtlichen Fehlerkorrektur „defizitär“ zu sein (Puskás 2011: 270). Jedoch stellt sich die Frage, ob solche Erwartungen, die man an die Fehlerkorrektur seitens einer Lehrperson hätte, mit den Ansprüchen an eine Fehlerkorrektur beim Selbstlernen identisch wären. Lernt man selbstständig mit analogen Medien wie z. B. einem Buch oder Arbeitsblättern, beschäftigt man sich mit grammatischen Inhalten ohne jegliche Unterstützung. Man muss seine Antworten mit dem Lösungsschlüssel abgleichen und ggf. selbst nach Fehlerquellen suchen und sie analysieren. Betrachtet man vorprogrammiertes Feedback im Kontext des Selbstlernens, scheint es Vorteile im Vergleich zu analogen Medien zu haben, da eine automatische Rückmeldung unmittelbar nach der Antworteingabe erscheint und mehrfach abrufbar ist.
Puskás weist auf die Vergleichbarkeit des programmierten Feedbacks mit der schriftlichen Fehlerkorrektur im Unterricht hin. Mögliche Feedbackformen sind:
Präsentation der richtigen Lösung,
Markierung der fehlerhaften Stelle,
Ausgabe einer Fehlermeldung, die bei der Erkennung der Fehler aus gespeicherten vorhersehbaren Fehlern erscheint,
intelligente Fehlermeldungen, die auf einer natürlichsprachlichen Analyse basieren (ebd.: 272).
Die ersten drei Feedbackarten basieren nicht auf linguistischer Analyse der Eingaben von Nutzern, sondern sind vorprogrammiert und eignen sich für geschlossene Übungstypen. Für sie ist es laut Puskás möglich, „ein angemessenes vorprogrammiertes Feedback zu liefern“ (ebd.). Der häufig kritisierte Aspekt digitaler Medien ist das Fehlen unterschiedlicher Rückmeldungen auf die Eingaben der Nutzer bzw. das Fehlen elaborierten Feedbacks. Dies wird von Mitschian im Hinblick auf die Lernmaterialien für Anfänger nicht bestätigt, da „in diesem Lernstadium in nur geringem Umfang mit Sprache produktiv umgegangen oder sie in größeren Einheiten gebraucht wird“ (Mitschian 2004a).
Eine motivierende Wirkung einer sofortigen Reaktion auf jede Eingabe1 bestätigt Schmidt in seiner Studie, jedoch kann es bei schwächeren Lernenden einen Gegeneffekt haben, wenn sie durch die Häufigkeit negativer Rückmeldungen permanent auf ihre Schwächen aufmerksam gemacht werden (vgl. Schmidt 2005: 275). Eine Rückmeldung über die Korrektheit oder Inkorrektheit der Eingabe reicht den Lernenden aus, die Feedbackinhalte selbst werden ignoriert: „Eine im Falle eines Fehlers intensivere Auseinandersetzung mit den Inhalten der Rückmeldungen ‒ so z. B. den Erläuterungen zur Fehlerursache im Rahmen des schriftlichen Eingabefeedbacks ‒ findet allerdings nur vergleichsweise selten statt“ (ebd.). In diesem Zusammenhang entsteht laut Schmidt eine „Feedbackverdrossenheit“, die insbesondere im Bereich Grammatik beobachtet wurde (vgl. ebd.: 276 ff.). Die Verdrossenheit kann durch unterschiedliche Aspekte verursacht werden: Wenn im Feedback die Spezifik der Fehler nicht berücksichtigt wird und die Rückmeldung sehr allgemein (und häufig gleich für verschiedenen Fehlertypen) formuliert ist, wenn die Rückmeldungen fehlerhaft sind oder wenn die selbstständige Fehlerkorrektur im Programm nicht vorgesehen ist, werden die Inhalte des Feedbacks ungelesen weggeklickt (vgl. ebd.: 290–291).
Bayerlein (2010) betont die Problematik der Anforderungen an gutes vorprogrammiertes Feedback und eine diffuse Vorstellung über die eigentliche Gestaltung der Rückmeldungen. In seiner Studie, in deren Rahmen japanische DaF-Lernende bei mediengestütztem selbstständigem Lernen beobachtet wurden, wurde festgestellt, dass die Erklärungen, warum eine Antwort in Multiple-Choice-Fragen oder Zuordnungen falsch ist, nicht gelesen werden. Stattdessen versuchen die Lernenden durch weitere Klicks eine richtige Antwort zu finden. Bei den Übungen, in denen eine Texteingabe erwartet wird, werden die Rückmeldungen hingegen gelesen, da dadurch die Anzahl der unendlichen Antwortmöglichkeiten reduziert werden kann (vgl. Bayerlein 2010: 574-575). „Die Anstrengung, elaboriertes Feedback zu konzipieren, lohnt sich also nur dann, wenn auch sichergestellt ist, dass die Lernenden sich die Mühe machen, dieses Feedback zu lesen“ (ebd. 574). Darüber hinaus weist der Autor darauf hin, dass die sprachliche Formulierung der Rückmeldung verständlich sein sollte (vgl. ebd.).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Gestaltung des Feedbacks mit dem jeweiligen Übungstyp im Zusammenhang steht. Das Lernziel von Übungen und vorprogrammierten Aktivitäten, die von Lernenden erwartet werden können, ist ebenfalls zu beachten. Gerade beim entdeckenden Lernen sollte die Gestaltung der Rückmeldungen den Lernprozess fördern und die Lernenden motivieren. Dafür sind mögliche vorhersehbare Fehler zu beachten, um die entsprechenden Feedbackmeldungen zu programmieren. Außerdem trägt eine sprachniveauangemessene Formulierung des Feedbacks zur Lernwirksamkeit des Programms bei. Diese Überlegungen flossen in das Konzept der Interaktiven Grammatik ein, das in Kapitel 5 am Beispiel des Themas Imperativ detailliert aufgezeigt wird.
2.2.4. Umfang der Interaktivität
Wenn viele Elemente auf einer Bildschirmfläche interaktiv sein müssen, um den selbstständigen Lernprozess ermöglichen und fördern zu können, bedeutet dies aus der Entwicklerperspektive die Erhöhung des Programmieraufwandes. Sind alle angezeigten Elemente interaktiv, ist für jeden einzelnen eine (Re-)Aktion zu programmieren. Aus der (medien-)didaktischen Perspektive ist zu überlegen, welche Elemente interaktiv fungieren sollten, um die Aufmerksamkeit des Lernenden auf das zu erlernende Phänomen zu fokussieren und durch eine Menge der Interaktionsmöglichkeiten und Verzweigungen nicht zu überfordern (vgl. Zeyer 2016: 204 ff.). Darüber hinaus sollte die Menge bzw. Anzahl interaktiver Elemente, die auf einmal auf dem Bildschirm zur Verfügung stehen, nicht zu groß sein.
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