Abb. 4.3
Sprachzeichen: Ausdrucks- und Inhaltsseite
Ausdrucksseite: sprachliche Realisierung vom Laut bis zu formalen GattungsregelnGattungen Sprachliche Äußerungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine begrenzte Zahl kleiner sprachlicher Einheiten (etwa Phoneme, also Laute) zu größeren (etwa Morpheme, d.h. Wörter bzw. ihre bedeutungstragenden Teile) kombinieren und diese wiederum zu noch größeren (Sätze, Texte), wobei die Zahl der verfügbaren Ausdrucksmittel jeweils exponentiell ansteigt. Eine Beschreibung der sprachlichen Form (Ausdrucksseite) eines Textes berücksichtigt idealerweise jede dieser Ebenen, wobei freilich nicht alle möglichen Befunde auch relevant für das Funktionieren des Textes sind, auf das wir ja hinauswollen. In umgekehrter Reihenfolge formuliert gilt das Interesse der Formbeschreibung also:
der Verknüpfung von Sätzen und Absätzen zum Gesamttext,
dem Satzbau (Syntax), d.h. der Komposition von Satzteilen,
der Wortwahl und Wortbildung (Lexik, Morphologie),
der Lautung.
Die antike RhetorikRhetorik (Theorie der Redekunst) hat zur Beschreibung und Vermittlung schmuckvoller Rede ein begriffliches Raster entwickelt, das als Hilfsmittel zur Beschreibung auch literarischer Texte als Sonderfall von ‚Rede‘ dienen kann und das Ihnen sicherlich teilweise bereits bekannt ist. Wenn wir an dieser Stelle ausführlicher auf dieses Raster eingehen, dann liegt dies nicht allein an der Notwendigkeit, sich innerhalb einer Fachwissenschaft terminologisch korrekt ausdrücken zu können, sondern auch daran, dass man erfahrungsgemäß leichter einen Sachverhalt erkennt , wenn man einen Begriff dafür hat.
Beschreibung der Ausdrucksseite Die wichtigsten ausdrucksbezogenen rhetorischenRhetorik Stilmittel – geordnet von der Laut- über die Wort- bis hin zu Satz(teil)ebene:
Alliteration( aliteración ): gleicher Anlaut aufeinanderfolgender Wörter. RhetorischeRhetorik Stilmittel I: Gestaltung des Ausdrucks Beispiel: En el silencio sólo se ’scuchaba / un susurro de abejas que sonaban. (Garcilaso de la Vega)
Anapher( anáfora ): Wiederholung des gleichen Wortes oder mehrerer gleicher Wörter am Anfang mehrerer Sätze oder Satzteile (Gegenteil Epipher). Beispiel: Hora de ocaso y de discreto beso; / hora crepuscular y de retiro; / hora de madrigal y de embeleso. (Rubén Darío)
Assonanz( asonancia ): Gleichklang von Vokalen, bedeutsam insbesondere am Versende als assonantischer ReimReim, d.h. Vokalgleichheit ab dem letzten betonten Vokal. Beispiel: agua – ramas – canta.
Homoioteleuton( homeotéleuton, m. ): Gleichklingender Wortauslaut (Vorform des ReimsReim). Beispiel: Con natas al gusto gratas. (Juan de Salinas)
Paronomasie( paronomasia ): Zusammenstellung von gleich oder ähnlich klingenden Wörtern unterschiedlicher Bedeutung. Beispiel: De medio arriba, romanos / de medio abajo, romeros. (Lope de Vega)
Onomatopöie( onomatopeya ), adj. onomatopoetisch: Klangnachahmende, lautmalende Wörter. Beispiele: tic, zigzag.
Anagramm( anagrama, m. ): Buchstabenumstellung. Beispiel: cosa – caso – asco. Häufig bei Pseudonymen. Beispiel: Gabriel Padecopeo (= Lope de Vega Carpio). Salvador Dalí wurde in Anspielung auf seine Geldgier von dem frz. Schriftsteller André Breton mit dem Anagramm „Ávida Dollars“ bedacht.
Akkumulation( acumulación ): Worthäufung; Nennung mehrerer Unterbegriffe anstelle eines Oberbegriffs. Beispiel: Desmayarse, atreverse, estar furioso, / áspero, tierno, liberal, esquivo, / alentado, mortal, difunto, vivo, / leal, traidor, cobarde y animoso (Lope de Vega). Bei geordneter oder vollständiger Aufzählung spricht man von einer Enumeration( enumeración ).
Anadiplose( anadiplosis, f. ): Wiederholung des letzten Wortes oder der letzten Wortgruppe eines Verses oder Satzes am Anfang des folgenden Verses oder Satzes zur semantischen oder klanglichen Intensivierung. Beispiel: Mi sien, florido balcón / de mis edades tempranas, / negra está, y mi corazón, / y mi corazón con canas. (Miguel Hernández) – Mitunter auch als echoartige Wiederholung nur der letzten Silbe: El Soberano Gaspar / par es de la bella Elvira / vira de amor más derecha, / hecha de sus armas mismas. (Sor Juana Inés de la Cruz)
Asyndeton( asíndeton, m. ): Aneinanderreihung ohne Konjunktionen (vgl. Polysyndeton). Erweckt häufig den Eindruck einer Beschleunigung. Beispiel: Pasó, pasé; miró, miré; vio, vila; / dio muestras de querer, hice otro tanto; / guiñó, guiñé; tosió, tosí; seguíla; / fuese a su casa y, sin quitarse el manto, / alzó, llegué, toqué, besé, cubríla, / dejé el dinero y fuime como un santo. (Anon.)
Polysyndeton( polisíndeton, m. ): Aneinanderreihung mit stetiger Setzung der Konjunktion (vgl. Asyndeton). Beispiel: Soy un fue y un será y un es cansado. / En el hoy y mañana y ayer junto / pañales y mortaja y he quedado / presentes sucesiones de difunto. (Francisco de Quevedo)
Pleonasmus( pleonasmo ): Übertriebene und unnütze (redundante) Anhäufung von Wörtern gleicher oder ähnlicher Bedeutung, die keine neuen Merkmale hinzufügen. Beispiel: Pobre ciego que no ve … (Romance). Heute meist gleichbedeutend gebraucht, aber positiver konnotiert ist der Begriff Tautologie( tautología ).
Figura etymologica( figura etimológica ): Verbindung zweier oder mehrerer Wörter gleicher Wortherkunft (vgl. auch → Polyptoton). Beispiel: Viendo que el ver me da muerte, / Estoy muriendo por ver. (Calderón de la Barca)
Polyptoton( políptoton, m., pl. políptotos ): Wiederholung desselben Wortes in verschiedenen Flexionsformen (Abart der → Figura etymologica). Beispiel: ¡Qué alegría vivir / sintiéndose vivido! (Pedro Salinas), oder „ver“ im Beispiel zur Figura etymologica.
Chiasmus( quiasmo ): Überkreuzstellung der Konstruktion zweier Sätze oder Verse: Im zweiten Satz oder Vers stehen die inhaltlich und/oder grammatikalisch dem ersten entsprechenden Wörter in umgekehrter Reihenfolge. Beispiele: Pues dar vida a un desdichado / Es dar a un dichoso muerte (Calderón), Ni son todos los que están, ni están todos los que son (Sprichwort). Ergibt sich daraus ein widersprüchlicher Sinn, spricht man im Spanischen auch von retruécano .
Parallelismus( paralelismo ): Wiederkehr der gleichen Wort- oder Satzteilreihenfolge. Beispiel: Y la carne que tienta con sus frescos racimos, / Y la tumba que aguarda con sus fúnebres ramos. (Rubén Darío)
Hyperbaton( hipérbaton, pl. hipérbatos ): Sperrung, künstliche Trennung einer syntaktisch zusammengehörenden Wortgruppe. Beispiel: Mientras por competir con tu cabello, / oro bruñido al sol relumbra en vano (Góngora) [= Mientras oro bruñido relumbra en vano al sol por competir con tu cabello]
Anakoluth( anacoluto ): Herausfallen aus der Satzkonstruktion. Beispiel: ¿Y su padre de usted no tendré el gusto de verle antes de marcharme? (Jacinto Benavente)
Ellipse( elipsis, f. ): Auslassung eines Wortes oder Satzteiles; das Fehlende ist jedoch leicht ergänzbar. (vgl. auch → Aposiopese) Beispiel: los montes nos ofrecen leña de balde; los árboles, frutos; las viñas, uvas. (Miguel de Cervantes)
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