Stefan Fischer - Perspektiven bibelwissenschaftlicher Hochschuldidaktik
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Stefan Fischer / Thomas Wagner
Forum Exegese und Hochschuldidaktik – Verstehen von Anfang an
Jg.1 – 2016 | Heft 1
Melanie Köhlmoos
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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© 2017 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
www.francke.de• info@francke.de
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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
ePub-ISBN 978-3-7720-0051-5
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa)
Jahrgang 1–2016, Heft 1
Verstehen von Anfang an – Exegese und Hochschuldidaktik
Stefan Fischer und Thomas Wagner
Mit ›Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an‹ (VvAa) wird das breite Angebot wissenschaftlicher Zeitschriften der Bibelwissenschaften um eine weitere ergänzt. Im Fokus dieser zweimal jährlich erscheinenden Zeitschrift steht der akademische Unterricht im Alten und im Neuen Testament. Die methodischen Grundlagen einer der aktuellen exegetischen Forschung entsprechenden Didaktik, die Reflexion von Lehr- und Lernprozessen sowie die Einbindung des bibelwissenschaftlichen Studiums in den Kontext akademischen Lehrens und Lernens werden Gegenstand der in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sein. Die Beitragenden reagieren damit auf Veränderungen der Rahmenbedingungen akademischer Lehre in den Bibelwissenschaften, insbesondere der durch den Bologna-Prozess hervorgerufenen Restrukturierungen der akademischen theologischen Studiengänge. Dieses geschieht in einer Zeit, in der sich das Lernverhalten und die christliche Sozialisation der Studierenden massiv wandeln. Die gemeingesellschaftliche Entwicklungen betreffen vermehrt die christlichen Kirchen und mit ihnen das Interesse an biblischen Texten.
1. Zur gegenwärtigen Situation akademischer Lehre in den Bibelwissenschaften
Während bei der Einführung des Bologna-Prozesses die Erstellung eines gestuften Studiensystems mit vergleichbaren Abschlüssen angestrebt wurde, um einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu errichten, ging mit der Neuausrichtung des Hochschulstudiums auch eine Fokussierung akademischen Lehrens auf die Vermittlung von Kompetenzen1 einher, durch die eine höhere Praxisrelevanz der Hochschullehre erreicht werden soll. Lehrende haben seitdem für ihre Lehrveranstaltung eigene Studienziele zu formulieren. Diese »beschreiben das von den Studierenden zu erwerbende fachliche, methodische und überfachliche ›Wissen‹ und ›Können‹ im Sinn von Kompetenzen«2.
Bezogen auf theologische Studiengänge und hier im Blick auf die Unterrichtspraxis zukünftiger Theologinnen und Theologen benennt die EKD für deren Ausbildung in Deutschland in einem der von ihr herausgegebenen und verantworteten Texte zur theologisch-religionspädagogischen Kompetenz (Band 96) fünf Kompetenzfelder, die sie zur Wahrnehmung des mit ihrem Auftrag in Kirche und Gesellschaft einhergehenden Lehramts im Laufe ihres Berufsbildungsprozesses vom Hochschulstudium bis hin zu den Fortbildungen in den ersten Berufsjahren schwerpunktmäßig ausprägen sollen. Im Einzelnen werden Reflexionskompetenz, Gestaltungskompetenz, Förderkompetenz, Entwicklungskompetenz sowie Dialog- und Diskurskompetenz angeführt.3 Die Förderung dieser Kompetenzen soll sowohl im Studium als auch im Vorbereitungsdienst erfolgen. Ein Blick auf die Kompetenzen zeigt bereits, dass es sich bei ihnen um solche handelt, die vor allem in kleinen Lerngruppen mit intensiver Betreuung durch die Lehrenden gefördert werden können. Dies steht jedoch in einer eklatanten Diskrepanz zur gegenwärtigen Situation an deutschen Universitäten und Hochschulen, insbesondere für Studierende, die sich auf das Lehramt in Regel- und Sonderschulen vorbereiten, wie unten weiter ausgeführt wird.
Stefan Fischer *1966, Dr. theol., ist Privatdozent und Lehrbeauftragter an der Ev.-Theol. Fakultät der Universität Wien. Außerdem ist er Forschungsmitarbeiter an der University of the Free State, Bloemfontein, Südafrika. Er lehrt seit 20 Jahren alttestamentliche Wissenschaft im deutsch- und englischsprachigen Bereich. Als Pfarrer der evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt steht er im steten Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis.
Thomas Wagner *1971, Dr. theol., ist Akademischer Rat an der Bergischen Universität Wuppertal und Privatdozent an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel. Neben seinen Studien zum Alten Testament beschäftigt er sich mit der Entwicklung von hochschuldidaktischen Konzepten zur Vermittlung exegetischer Methodik in den BA- und Lehramtsstudiengängen. Zusammen mit Kurt Erlemann legte er 2013 mit Leitfaden Exegese einen ersten Entwurf zur Gestaltung von Proseminaren für Studierende vor, deren Studiengänge keine Kenntnis biblischer Sprachen vorsehen.
Der Zugang zum Lehramt für Religion wird in den deutsch-sprachigen europäischen Ländern sehr verschieden gehandhabt. In Österreich wird das sechssemestrige Bachelorstudium zur Ausbildung von Religionslehrerinnen und -lehrern 2015/16 zum letzten Mal angeboten.4 Nunmehr wird an der ökumenisch verantworteten Kirchlich-Pädagogischen Hochschule (KPH) in Wien ein achtsemestriges ökumenisches Bachelorstudium angeboten (BEd). Als Besonderheit ist zu erwähnen, dass dort am Institut Ausbildung Religion Ausbildungslehrgänge für katholische, altkatholische, evangelische, orthodoxe, orientalisch-orthodoxe und freikirchliche Religion angeboten werden. Der Erwerb von Kompetenzen in den bibelwissenschaftlichen Fächern spielte im Rahmen dieser Studiengänge nur eine untergeordnete Rolle.5 An der Universität werden Studierende in neun Semestern ausgebildet. Hier sind die zu belegenden bibelwissenschaftlichen Fächer dieselben wie die des auf das Pfarramt zielenden Studiengangs Evangelische Theologie. Als zu erwerbende Kompetenzen werden für die Studiengänge folgende genannt: »Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Empathie, Toleranzbereitschaft, Kritikfähigkeit, Bewusstsein für Persönlichkeitsentwicklung und die Bedeutung personaler Glaubwürdigkeit, Fähigkeit zur Reflexion der eigenen Religiosität und Berufsrolle.«6
Die in den bibelwissenschaftlichen Fächern angestrebten Kompetenzen lassen sich dabei wohl allenfalls der Kritikfähigkeit zuordnen, denn sie zielen im Proseminar auf Kompetenzen der »Beherrschung des klassischen historisch-kritischen Methodenkanons und neuerer exegetischer Zugänge zur Auslegung biblischer Texte«7. Im Pflichtmodul Exegese des Alten Testaments soll ein »eigenständiges wissenschaftliches Arbeiten mit alttestamentlichen Texten eingeübt und die Fähigkeit zu selbständigem kritischem Urteilsvermögen erreicht werden«8.
Die Schweiz besitzt kein nach den einzelnen Berufszielen differenziertes Studiensystem. Das Theologiestudium befähigt zu allen theologischen Berufen. Ein verbindliches Regelstudium zum Religionslehrer fehlt, so dass die Ausbildungsgänge kantonal verschieden sind. Häufig erteilen Absolventen eines Theologie- oder Religionswissenschaftsstudiums den Schulunterricht, nachdem sie zusätzlich zum Abschluss des Fachstudiums ein Lehrdiplom für das Unterrichtsfach Religion für Maturitätsschulen erworben haben.9 Eine auf eine spätere berufliche Praxis bezogene Kompetenzorientierung kann daher im Theologiestudium nicht stattfinden und scheint auch nicht vorgesehen zu sein. Für die Primarschule wird häufig am Lehrer- und Lehrerinnenseminar die Fachdidaktik »Biblische Geschichte« gelehrt oder an der pädagogischen Hochschule Religion als ökumenischer Freiwahlkurs belegt. Alternativ gibt es für die Ausbildung zur Katechetin oder zum Katecheten einen kirchlichen, berufsbegleitenden dreijährigen Theologiekurs, der durch einen ebenfalls berufsbegleitenden zweijährigen pädagogischen Ausbildungsteil ergänzt wird, so dass es zwar eine klare pädagogische Kompetenzorientierung gibt, diese jedoch nicht mit dem Studium der Theologie verknüpft ist.10
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