Christina Falkenroth
„Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude …“
Die Passion Jesu im Kirchenlied
Herausgegeben von Hermann Kurzke in Verbindung mit dem Interdisziplinären Arbeitskreis Gesangbuchforschung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Hymnologie
A. Francke Verlag Tübingen
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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
ePub-ISBN 978-3-7720-0015-7
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Vorwort Diese Arbeit ist 2015 als Dissertation mit dem Titel „‚Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude …‘ (Ps 34,6). Die Passion Jesu Christi in den Liedern der evangelischen Kirche. Untersuchungen zur Theologie der Passion in Liedern des 16. und 17. Jh“ von der Kirchlichen Hochschule Wuppertal-Bethel angenommen worden. Allen voran danke ich Herrn Prof. Dr. Martin Ohst und Herrn Prof. Dr. Hellmut Zschoch: Sie haben meine Arbeit betreut und mich durch ihr Interesse an der Fragestellung in meinem Vorhaben bestärkt. Mein herzlicher Dank gilt auch Dr. Sven Arnold für seine Beratung im Schreibprozeß, Dr. Matthias Lotzmann in musikalischen Fragen, und darüber hinaus meiner Familie und den Wegbegleitern, die durch ihr treues Nachfragen mir stets neue Energie zur Weiterarbeit gegeben haben. Die Evangelische Kirche im Rheinland, die VELKD, der Kirchenkreis Wuppertal und die Gemeinde Wuppertal-Langerfeld haben die Veröffentlichung großzügig unterstützt. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich. Wuppertal, im Januar 2017 1 Einleitung 1.1 Der Untersuchungsgegenstand Passionslieder bilden einen wesentlichen Teil des Lebens der Kirche und der Christen in ihr. Sie haben einen Ort im liturgischen Jahr. Sie sind, vornehmlich in der Passionszeit, Teil des gefeierten Gottesdienstes. Sie haben darüberhinaus als Lieder, aber auch in ihrer Textfassung, einen Ort in der persönlichen Frömmigkeit. Sie sind ein Teil der Tradition, aus der die gegenwärtige Kirche hervorgegangen ist. Ihnen ist darüberhinaus eine starke Präsenz im Leben der evangelischen Kirche zueigen: Sie sind Teil der evangelischen Kirchenmusik, die sie vielfältig vertont und sie so im Bewußtsein der Christen verankert, die sich durch die kirchliche Verkündigung prägen lassen. Diese Prägung sucht sich einen eigenen Weg, über den Weg des gelehrten Glaubens hinaus: auf dem Weg des Hörens und des Singens, der Emotionen, der ästhetischen Wahrnehmung. Die Passion bildet die theologische Mitte der Kirche. Passionslieder blicken darum auf das Zentrum des christlichen und besonders des evangelischen Glaubens: Im Ereignis von Kreuz und Auferstehung nimmt die christliche Kirche ihren Anfang. Die reformatorische Theologie Martin Luthers findet hier ihre Mitte. Christologie, Soteriologie, Gotteslehre, Anthropologie, Hamartiologie, Sakramentstheologie sind durch die Passion Jesu Christi geprägt. Seit dem 4. Jh. hat sich das Passionsgedenken zu einem Teil der rituellen Handlungen der Kirche und Teil der individuellen Vollzüge des eigenen Glaubens entwickelt. In den Berichten der Pilgerin Egeria ist der Weg durch Jerusalem überliefert, unter Gebeten und Gesängen und unter Verlesung des Passionsberichtes nach Matthäus, zu den verschiedenen Stätten der Erinnerung an Christi Leben; der Ritus fand seinen Höhepunkt in der Verehrung des „Wahren Kreuzes“ durch Betrachtung und Kuß.1 Das Verständnis der Passion ist im Laufe der Zeit einem starken Wandel unterworfen gewesen. Nachdem in der Alten Kirche Christus am Kreuz als der triumphierende Weltenherrscher dargestellt worden war, verlagerte sich im Laufe des Mittelalters das Interesse auf sein Leiden, so daß die biblische Passionsgeschichte ausgestaltet wurde und z.B. einzelne Szenen wie das Gebet Jesu in Gethsemane mit Inhalt gefüllt oder das Gespräch zwischen Pilatus und Jesus über die biblische Quelle hinaus breit ausgeführt wurde oder Legenden der Passionsdarstellung hinzugefügt wurden. Bezugnehmend auf die Leidensmystik des Bernhard von Clairvaux (1090–1153) und seinen Weg der Meditation der Wunden Jesu entstand seit dem 14. Jh. an verschiedenen geistlichen Zentren eine Methodik der Betrachtung des Leidens Christi. Dabei meditierte man in der Folge der monastischen Gebetszeiten verschiedene Leidensstationen. In der Reformationszeit wiederum lag der Schwerpunkt auf dem Auferstandenen und dem Dank für sein Leiden; später fand man im Mitleiden den Identifikationspunkt mit ihm. Die Passion hat so im Lauf der Entwicklung der Kirche und des christlichen Glaubens eine Vielfalt an Ausdrucksformen gefunden, in denen Menschen sich und ihre Existenz mit dem Sterben Christi verbinden. Doch ist das Wort vom Kreuz von Beginn an Stein des Anstoßes; Ärgernis den Juden, den Griechen eine Torheit und in der Gegenwart ruft es Kritik hervor: am Gottesbild, das die Kritiker dahinter vermuten, das einen strafenden und den Tod des Sohnes wollenden und herbeiführenden Gott vorstellt; an dem Paradox, daß Heil aus dem Unheil hervorgehen soll, daß in einem schmerzvollen, gewalttätigen, lebenzerstörenden Ereignis sich der liebende, lebenschaffende Gott offenbaren soll. Innerhalb der Theologie findet eine Debatte statt, die sich mit der in der biblischen Tradition begründeten Deutung des Todes Jesu als Opfer oder als Sühne oder mit dem Anselmschen Modell von dem satisfaktorischen Sterben Jesu auseinandersetzt2. Des Weiteren spielt auch die Schwierigkeit eine Rolle, über die Sünde in einer Weise zu reden, mit der sich Menschen in ihrem Selbstverständnis identifizieren können. Es wird oft eine Deutung des Kreuzes unter Absehung von den überlieferten Kategorien versucht.3 Diese Arbeit soll ein Beitrag sein, sich dem Verständnis der Passion Jesu und ihrer heilsstiftenden Bedeutung zu nähern. Das soll ausgehend von Passionsliedern geschehen. Lieder bilden als gesungener Glaube einen eigenen Zugang zu Passionstheologie und -frömmigkeit. Sie sind ein Teil des Glaubensvollzuges in Gottesdienst oder Andacht oder im individuellen Meditieren. Sie haben doppelte Wirkrichtung: Sie sind einerseits Ausdruck des Glaubens und prägen andererseits den in der Kirche und von den Einzelnen geglaubten Glauben. Sie sind Produkt menschlicher Frömmigkeit und sie gestalten den persönlichen Umgang von Menschen mit der Passion. Sie lehren und verkündigen, sie trösten und üben in den Glauben ein. Sie transportieren ihre Inhalte auf dem Weg der Musik und indem sie von Menschen selber zum Klang gebracht werden. So finden sie anders Eingang in Denken und Empfinden eines Menschen als ein katechetischer oder diskursiver Text. Passionslieder begleiten die Passionsfrömmigkeit von Menschen durch die Zeiten hindurch. Im Wandel der Frömmigkeit von Menschen mit den Zeiten bilden sie doch eine Kontinuität. Sie spiegeln den Umgang mit der Passion zu ihrer Entstehungszeit, denn sie sind Ausdruck des je zu ihrer Zeit Geglaubten4. Sie haben durch die Entwicklung der Kirche und der Theologie hindurch ihre Bedeutung gewahrt. Denn die hier behandelten Passionslieder sind i.d.R. immer Teil des Liedbestandes der gängigen Gesangbücher gewesen, wenn es auch häufig Umdichtungen der Texte, dem Zeitgeschmack entsprechend, gegeben hat. Sie sind auch heute von Bedeutung. Sie sind als Lieder des EG Teil der gegenwärtigen Liedkultur und darum in der Lage, das Singen, Glauben und Hoffen der gegenwärtigen Christen zu prägen. Aufgrund dieser Kontinuität haben sie eine besondere Beständigkeit in ihrer Präsenz im Leben der Glaubenden.
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