Größere Blutgefäße können ebenso beeinträchtigt werden, genauso wie die Kapillaren selbst. Durch Fetteinlagerungen in den Gefäßwänden werden sie leichter blockiert und, wie Sie vielleicht wissen, verursachen Blockaden in den Blutgefäßen, die das Herz versorgen, Herzinfarkte, und jene, die das Gehirn versorgen, sind für Schlaganfälle verantwortlich. Daher kommen Herzinfarkte und Schlaganfälle bei Diabetikern häufiger vor. Es sind also nicht nur die Füße gefährdet.
Mit einem hohen Blutzuckerspiegel haben die Nieren nicht nur zu kämpfen, sondern es kann dadurch sogar zu einem totalen Funktionsverlust kommen. Liegen die frühesten Stadien erst einmal hinter einem, ist der Funktionsverlust tatsächlich unwiderruflich und beeinträchtigt die Gesundheit schwer. Etwa die Hälfte aller Menschen, die dreimal in der Woche zur Dialyse müssen, sind Diabetiker. Eine hohe Lebensqualität sieht anders aus.
Die Wahrscheinlichkeit schwerwiegender Komplikationen infolge von Typ-2-Diabetes hängt in hohem Maße von Ihrem Alter ab. Vielleicht widerspricht es der Logik, doch je jünger Sie bei der Diagnosestellung sind, desto größer ist das Risiko ernsthafter Probleme. Das Risiko schwerwiegender Folgekrankheiten ist bei einem jungen Menschen, der an Typ-2-Diabetes erkrankt, viel höher als bei einem Gleichaltrigen, der von Typ-1-Diabetes betroffen ist und Insulinspritzen braucht. Die Aussicht, aufgrund von Herzinfarkt, Schlaganfall oder schwerwiegender Probleme mit den Füßen nicht bis zum Renteneintrittsalter arbeiten zu können, beträgt bei einem 45-jährigen Mann mit einer frischen Diabetesdiagnose mehr als 50 Prozent. Und dieser 45-Jährige hat eine im Durchschnitt um sechs Jahre verkürzte Lebenserwartung, wohingegen bei einem Betroffenen, der die Diagnose mit über 70 Jahren bekommt, das Risiko für erhebliche Gesundheitsprobleme ähnlich ist wie bei gleichaltrigen Nichtdiabetikern.
Jährliche Kontrolluntersuchungen
Einer der großen Erfolge des modernen Diabetes-Managements im Vereinigten Königreich (und auch in anderen Ländern) ist, dass das Hauptübel der Krankheit – der Verlust des Augenlichts – gebannt werden konnte. Als ich 1985 zum Chefarzt ernannt wurde, gab es in meiner Klinik sechs Menschen unter 25 Jahren, die aufgrund von Diabetes erblindet waren. Heute gibt es keine mehr, und zwar hauptsächlich deshalb, weil jährliche Kontrolluntersuchungen mithilfe eines einfachen, wirksamen Tests seit den 1980er-Jahren Teil der routinemäßigen Gesundheitsvorsorge im Vereinigten Königreich sind. Bei rechtzeitiger Erkennung können bei den meisten Menschen solche Schäden durch eine fachärztliche Augenbehandlung verhindert werden.
Was man heute außerdem über Bluthochdruck bei Diabetes weiß, hat dazu geführt, dass eine frühzeitige Behandlung breitflächig empfohlen wird. Es ist inzwischen relativ einfach, den Blutdruck – im Gegensatz zum Blutzuckerspiegel – auf annehmbare Werte zu senken. Und die aktive Blutdruckbehandlung hat sich als äußerst wirksam erwiesen, insbesondere in Bezug auf die Senkung des glukosebedingten Nierenversagens. Eine einfache jährliche Urinuntersuchung warnt früh und zuverlässig vor möglichen Problemen.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Behandlung ist heutzutage die jährliche Kontrolle der Fußgesundheit! Ihr Arzt (oder ein Podologe, also ein Spezialist für medizinische Fußpflege, wenn einer zur Verfügung steht) sollte überprüfen, ob Ihre Nervenleitfähigkeit so gut ist, dass Sie eine mögliche Gefahr auch spüren können. In ähnlicher Weise muss auch die Blutzufuhr zu den Füßen untersucht werden. Man kann einfache und wirksame Maßnahmen ergreifen, wenn es zu Problemen kommt. Die Füße werden von allen Körperteilen tendenziell am meisten vernachlässigt und werden oft genug von Komikern zur Zielscheibe ihrer Scherze gemacht. Doch unsere Füße sind bemerkenswert und man sollte sie wertschätzen. Werfen Sie einen Blick auf Ihre Füße – was für großartige technische Wunderwerke sie doch sind! Bei jedem Schritt trägt der Vorderfuß klaglos etwa das Eineinhalbfache Ihres Körpergewichts. Sie sind es wert, dass man sie untersucht, und sie sind es wert, dass man sich um sie kümmert.
Und dennoch: Die Einführung jährlicher Kontrolluntersuchungen konnte zwar erfolgreich dazu beitragen, dass es seltener zu schwerwiegenden Problemen kommt – aber wie viel besser wäre es doch, wenn alle Probleme verhindert werden könnten, indem Diabetes vollständig rückgängig gemacht wird!
Ich hoffe, dieses Kapitel konnte mit einigen Mythen und Missverständnissen aufräumen, die sich tendenziell um Typ-2-Diabetes und seine Behandlung ranken. In den folgenden Kapiteln werde ich erklären, wie diese Krankheit entsteht und was Sie dagegen tun können. Doch damit das auch wirklich klappt, müssen wir uns zuerst mit der Funktionsweise des Körpers beschäftigen und uns ansehen, wie er Nahrung in Energie umwandelt …
• „Diabetes“ bedeutet, dass der Blutzuckerspiegel (Glukose im Blut) höher als normal ist.
• Typ-2-Diabetes wird durch die Insulin bildenden Zellen der Bauchspeicheldrüse (fachsprachlich: Pankreas) verursacht, die nicht ordnungsgemäß funktionieren.
• Er verschlimmert sich dadurch, dass der Körper nicht mehr normal auf Insulin anspricht.
• Die unmittelbar mit der Krankheit einhergehenden Probleme sind tendenziell Durst, erhöhte Urinausscheidung und Müdigkeit; die langfristigen Komplikationen können äußerst schwerwiegend sein.
• Die konventionelle Diabetesbehandlung, einschließlich der jährlichen Kontrolluntersuchung, senkt zwar das Risiko von Komplikationen, aber nur in geringem Maße.
KAPITEL 2
Energie fürs Leben: Der duale Kraftstoff
Seid gegrüßt, Ihr Zweibeiner auf Kohlenstoffbasis!
Diese Worte von Arthur C. Clarke treffen den Nagel auf den Kopf: Außerirdische Wesen würden sich wahrscheinlich bei dem Gedanken amüsieren, dass sich Körper auf zwei Beinen bewegen, und würden fasziniert feststellen, dass wir unsere Energie aus dem Element Kohlenstoff beziehen. Auf der Erde beruhen alle bekannten Lebensformen auf Kohlenstoff. Die gesamte Energie unserer Nahrung stammt aus Kohlenstoff. Jede Glukoseeinheit ist eine Kette aus sechs Kohlenstoffatomen; jede Fetteinheit wird aus Ketten von 40 bis 60 miteinander verknüpften Kohlenstoffatomen gebildet. Darin zeigt sich die schöne Einfachheit der Grundlagen des Lebens. Und darum geht es in diesem Kapitel.
Genauer gesagt geht es um die Energie, auf die wir angewiesen sind – sie wird in den Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen gespeichert. So wie ein Feuer Energie in Form von Hitze aus dem Kohlenstoff im Holz freisetzt, gewinnt unser Körper die Energie aus den Kohlenstoffbindungen in der Nahrung. Feuer braucht Sauerstoff, um den überschüssigen Kohlenstoff als Rauch in Form des Gases Kohlendioxid abzutransportieren. Ganz genauso braucht Ihr Körper Sauerstoff, um sich des überschüssigen Kohlenstoffs – ebenfalls in Form von Kohlendioxid – zu entledigen. Sie atmen es einfach über die Lunge aus und bemerken dabei gar nicht, dass dieses Kohlendioxid als Kartoffel in Ihren Körper gelangt ist. Oder als Linse. Oder als Olive. Sie benötigen den Kohlenstoff nicht mehr, denn Ihr kluger Körper hat die Energie, die sich in diesen chemischen Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen der Nahrung befand, bereits herausgeholt. Und da diese chemische Energie zum Teil als Wärme freigesetzt wird, fühlt sich der Körper bei Berührung warm an.
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