Die folgenden beiden Grafiken zeigen den Ablauf.
Sobald sich der „Glukose-Tsunami“ aus einer Mahlzeit verzogen hat, wird der Treibstoff neu verteilt, um den restlichen Körper mit Energie zu versorgen. Das Leberglykogen kann bei Bedarf Glukose ins Blut abgeben. Das Muskelglykogen wird zu kurzen Kohlenstoffketten abgebaut, die vom Blut zur Leber transportiert und wieder in Glukose umgewandelt werden. Glykogen kann auch sofort genutzt werden, um den Muskel bei einer plötzlichen körperlichen Anstrengung mit Energie zu versorgen, doch für die meisten Menschen, die eine sitzende Lebensweise pflegen, ist der Muskel nur eine nützliche vorübergehende „Lagerhalle“ für das Glykogen. Der Grafik können Sie entnehmen, dass der Glykogenspiegel etwa fünf Stunden nach einer Mahlzeit sein Maximum erreicht; dann sinkt er durch die Neuverteilung des Treibstoffs ab.
Abbildung 2.5a: Veränderte Menge von Muskelglykogen nach dem Frühstück.
Abbildung 2.5b: Steigerung der Menge von Muskelglykogen im Laufe eines Tages bei drei Mahlzeiten – und Absinken während der Nacht.
Ich sage vorübergehende Lagerhalle, denn das wäre der Idealfall. In der westlichen Gesellschaft nehmen die Menschen aber normalerweise drei Mahlzeiten täglich zu sich, sodass dass das Glykogen durch die kurzen Abstände gar nicht verbraucht werden kann. Stattdessen kommt es – wie in der unteren Grafik gezeigt wird – zu einem weiteren Glykogenanstieg nach der zweiten und zu einem weiteren Anstieg nach der dritten Mahlzeit, wobei die Speicher den höchsten Tageswert erreichen.
Glukose, die nicht als Glykogen gespeichert werden kann, muss einen anderen Platz finden. Und die einzige Möglichkeit, die der Körper hat, ist die Umwandlung in Fett. Dieser Prozess geht in der Leber vor sich. Das neugebildete Fett kann bei Bedarf Energie für die Leber selbst liefern oder an irgendeine andere Stelle im Körper geschickt werden. Wird die Energie jedoch innerhalb von 24 Stunden nicht gebraucht, steigen die gespeicherten Mengen allmählich an. Wenn Sie zu fett oder zu kohlenhydratreich essen, wird sich das Fett in der Leber ansammeln.
Glukoseüberschuss wird zu Fett
Der Körper kann – kurzfristig – gut damit umgehen, wenn Sie zu viele Kohlenhydrate zu sich nehmen. Sind die Glykogenspeicher voll, muss die überschüssige Glukose, wie gesagt, irgendwo anders gespeichert werden. Das ist der Schlüssel zum Verständnis, warum ein Überangebot von Kohlenhydraten und Fett dasselbe Schicksal teilen. Unser Körper hat nur eine Möglichkeit mit diesem Überschuss umzugehen: er muss in Fett umgewandelt werden.
Dieser Prozess, also die Umwandlung von Glukose in Fett, geht nur in der Leber vonstatten. Wird dieses neugebildete Fett nicht für die Energieversorgung gebraucht, nimmt das in der Leber gespeicherte Fett immer mehr zu. Dieser Prozess ist für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes von zentraler Bedeutung, wie noch deutlich werden wird.
Und wo speichern Sie Ihr Fett?
Ich untertreibe nicht, wenn ich sage, dass unsere Fähigkeit, Energie als Fett zu speichern, das Geheimnis unserer Überlebensfähigkeit ist. Auf einer einsamen Insel gestrandet, kann der Durchschnittsmensch viele Wochen ohne Nahrung überleben. Zuerst greift der Körper auf Glykogen zurück – obwohl es eine geringere Rolle spielt, da diese Speicher nach etwa 48 Stunden erschöpft sind. Ist bis dahin noch immer kein Schiff am Horizont in Sicht, wendet er sich den Fettspeichern zu. Das Körperfett kann uns wochenlang mit all der Energie versorgen, die wir brauchen.
In der langen Kette von Kohlenstoffatomen, aus der ein Fettmolekül gebildet wird, stecken große Mengen Energie. In jedem Gramm Fett sind neun Kalorien eingeschlossen. Etwa 500 g Fett enthalten mehr als 4000 Kalorien (oder ein Kilogramm enthält 9000 Kalorien).
Beim Nahrungsfett ist es nicht anders, deshalb sind fetthaltige Nahrungsmittel zugleich hochkalorisch. Für das Fett in Ihrem Körper bedeutet der hochkalorische Gehalt eine wirksame Form der Energiespeicherung.
Fett wird hauptsächlich einfach unter der Haut gespeichert. Manche Menschen können im Unterhautfettgewebe große Mengen unterbringen, auch wenn das, mit den Augen des 21. Jahrhunderts betrachtet, nicht gerade wünschenswert aussehen mag. Doch für die meiste Zeit in der Geschichte des Menschen war es sogar sehr wünschenswert und bedeutete, dass jemand es sich leisten konnte, gut zu essen. Zugleich war es ein Hinweis auf den Erfolg und den hohen Sozialstatus der Menschen. Und es gibt noch einen weiteren, sehr wirkmächtigen Faktor, der schon vor langer Zeit erkannt wurde: Für die Fortpflanzungsfähigkeit bedarf es einer angemessenen Ernährung, schlecht ernährte Menschen sind weniger fruchtbar. Daher zeigen Bilder und Funde der von Menschenhand geschaffenen Objekte, die die Fruchtbarkeit symbolisieren, allesamt sehr dicke Figuren.
Abbildung 2.6: Schaut man sich den Körper von der Seite an, zeigen diese Bilder, was sich im unteren Teil des Rumpfes befindet. Die Wirbelsäule verläuft in der Mitte von oben nach unten. In der Bauchhöhle sind die Darmschleifen grau dargestellt und der Rest ist mit viszeralem Fett (weiß) gefüllt. Die linke Aufnahme zeigt einen Menschen mit Typ-2-Diabetes und einem Body-Mass-Index (BMI) von 35; die rechte Aufnahme zeigt denselben Menschen nach einem Gewichtsverlust von 15 Kilo. Die Originale der Kernspinaufnahmen können online angesehen werden unter: https://go.ncl.ac.uk/diabetes-reversal
Menschen hängen tendenziell einem sehr seltsamen Glaubensmodell an – die Rede ist von „viel hilft viel“ – eine Redensart, die aber nur selten der Wahrheit entspricht. Im Unterhautfettgewebe ist das Fett sicher verwahrt, und zwar in einer Form, die im übrigen Körper keinen Schaden anrichtet. Diese Wohlfühlschicht mag zwar an sich keine schlechte Sache sein, doch sie ist eventuell ein Hinweis darauf, dass auch anderswo schon zu viel davon vorliegen könnte (vgl. die folgenden Abbildungen in diesem Kapitel). Und die Menge, die ein Mensch in dieser sicheren, zweckorientierten Speicherschicht einlagern kann, variiert erheblich. Ist mehr Fett vorhanden als untergebracht werden kann, muss die zusätzliche Menge also irgendwo anders gespeichert werden, beispielsweise in der Bauchhöhle. Dort wird es als viszerales Fett bezeichnet und ist eine grobe Orientierung dafür, wie viel überschüssiges Fett der Körper mit sich herumschleppt. Je mehr viszerales Fett vorhanden ist, desto höher ist das Risiko für einen künftigen Herzinfarkt – und für Diabetes.
Abbildung 2.7: Diese Aufnahmen zeigen, was sich im unteren Teil des Rumpfes befindet, wie in Abbildung 2.6. Hier handelt es sich aber um einen Menschen mit einem BMI von 26. Wieder sind in der Bauchhöhle die Darmschleifen grau dargestellt und der Rest ist mit viszeralem Fett (weiß) gefüllt. Nach der Gewichtsabnahme (rechtes Bild) besteht die wichtigste Veränderung darin, dass das meiste viszerale Fett verschwunden ist, doch die Schicht unter der Haut nur mäßig abgenommen hat. Die Originale der Kernspinaufnahmen können online angesehen werden unter: https://go.ncl.ac.uk/diabetes-reversal
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