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Ein spezifisches Verfassungsgerichtexistiert nicht. Dänische Gerichte haben sich bei der Berufung auf die Verfassung traditionell sehr zurückhaltend gezeigt. Die Verfassungstradition ist entscheidend von der Vorstellung geprägt, dass dem Gesetzgeber in Gestalt des Parlaments als – im Gegensatz zur Gerichtsbarkeit – vom Volk gewähltes Organ eine demokratische Legitimation als „autoritativer Verfassungsinterpret“ zukommt, die den Gerichten fehlt. 1999 wurde erstmalig ein Gesetz mit dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit belegt. Durch dieses Verfahren und das 1998 ergangene Urteil des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verfassungskonformität des Maastrichter-Vertrags (die vom højesteret bejaht wurde) mag allerdings etwas Bewegung hin zu einer verstärkten verfassungsrechtlichen Kontrolle nationaler Gesetze erfolgt sein.
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An der Spitze der hierarchisch strukturierten Staatsanwaltschaftsteht der Reichsadvokat (rigsadvokaten). Unter dem Reichsadvokaten sind die Staatsadvokaten (statsadvokater) und die Direktoren der Polizeikreise (politidirektører) tätig.
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Die WirtschaftDänemarks ist nach Jahren von Stabilität gegenwärtig von der Finanzkrise erfasst worden. Die Arbeitslosigkeit beträgt gegenwärtig ungefähr 6 %. Währungspolitisch ist anzumerken, dass Dänemark zwar den Euro nicht eingeführt hat, die dänische Krone (dkr) allerdings kursmäßig (innerhalb einer schmalen Schwankungsmarge) an den Euro gekoppelt ist (rund 7,46 dkr pro €).
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Das RechtssystemDänemarks ist Teil des nordischen Rechtskreises, der ursprünglich auf germanischen Rechtstraditionen beruht. Im Vergleich zum Recht der Staaten Mitteleuropas wurde der nordische Rechtskreis im Laufe der Zeit nur in begrenztem Maße von fremden Rechtssystemen beeinflusst. Allein der Hanse kommt eine entscheidende Bedeutung für die frühe Konzeption des Handels- und Seerechts zu. Es hat keine eigentliche Rezeption des römischen Rechtsstattgefunden. Eine Reihe von Prinzipien des römischen Rechts sowie naturrechtliche Vorstellungen flossen allerdings im 18. und 19. Jahrhundert in das nordische Rechtssystem mit ein.
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Die dänischen Gesetzesstrukturenunterscheiden sich erheblich von den deutschen. Es fehlt eine dem BGB und HGB vergleichbare zivilrechtliche Gesamtkodifikation. Stattdessen existiert eine große Zahl von Einzelgesetzen, die jeweils begrenzte Rechtsmaterien zum Gegenstand haben. Die Einzelgesetze zielen im Allgemeinen nicht darauf ab, das jeweilige Rechtsgebiet erschöpfend zu regeln. Neben den Gesetzesvorschriften beanspruchen allgemeine, ungeschriebene Rechtsgrundsätze ergänzende Geltung. Bei der Gesetzesauslegung werden des Weiteren oftmals Analogie- oder Umkehrschlüsse aus anderen Gesetzesbestimmungen und/oder aus von der Rechtsprechung entwickelten Prinzipien gezogen. Auch ungeschriebenes Recht(Gewohnheitsrecht), darunter Handelsbräuche, hat vielfach ein bedeutendes Gewicht bei der Rechtsfindung. Daneben ist die Rechtsprechung wesentlicher Faktor der Rechts(fort)bildung. Die Judikatur mag mit dem Stichwort „Elastizität“ gekennzeichnet werden. Zum einen werden Vorschriften oftmals vom Gesetzgeber ganz bewusst generell gehalten, um eine richterliche Interpretation, die den aktuellen gesellschaftlichen Vorstellungen und Gegebenheiten Rechnung tragen soll, zu ermöglichen. Zum anderen, und mit dieser Idee verknüpft, kommt Präjudizien jedoch keine absolut bindende Wirkung zu. Früher ergangene Urteile, insbesondere solche höherer Instanzen, sind aber tatsächlich von großer Bedeutung – vor allem vor dem Hintergrund der Prinzipien der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit. Ein Charakteristikum richterlicher Freiheit im dänischen Privatrecht besteht auch darin, dass (obgleich an sich nur wenige gesetzliche Formerfordernisse bestehen) die Gerichte der fehlenden Beachtung von Formerfordernissen oft keine wesentliche Bedeutung beimessen (und im Rahmen des Gerichtsverfahrens nur eine nachträgliche Erfüllung derselben verlangen). Es sei noch angemerkt, dass im Vergleich zu Deutschland relativ wenige Gerichtsverfahren geführt werden. Konfliktvermeidung und Schlichtung stehen im Vordergrund. Dänemark hat eine recht kleine, überschaubare Hochschullandschaft. Der juristischen Literatur undder rechtswissenschaftlichen Forschung und Lehrekommt allgemein eine große Bedeutung zu. Es besteht eine ausgeprägte gegenseitige Beeinflussung zwischen Rechtswissenschaft und Gerichtsbarkeit.
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Die Färöerhaben seit 1958 eine in weiten Bereichen von Dänemark unabhängige Selbstverwaltung (hjemmestyre). Darauf basiert ihr eigenes, vielfach autonomes Rechtssystem. Seit einiger Zeit wird auf den Färöern verstärkt die Frage einer Unabhängigkeit von Dänemark diskutiert. Grönlandwar seit 1397 (Kalmarer Union) eine dänische Kolonie. Erst 1953 änderte sich der Status. Grönland wurde eine Region Dänemarks und erlangte 1979 – wie die Färöer – Selbstverwaltung (hjemmestyre). Selbstverwaltung wurde Grönland und den Färöern insbesondere im Hinblick auf die kommunalen und lokalen Wirtschaftsverhältnisse sowie Steuern und kulturelle Angelegenheiten eingeräumt. Dies geschah jedoch jeweils unter dem Vorbehalt der Beachtung der grundsätzlichen verwaltungsrechtlichen Prinzipien Dänemarks. Die Selbstverwaltung auf Grönland und auf den Färöern wird durch das Landsting (Grönland) bzw. das Lagting (Färöer) als gewähltem Repräsentativorgan der Bürger sowie der Verwaltung (landsstyre), die vom Landsting/Lagting gewählt wird, ausgeübt. Im Jahre 2009 wurde auf Grönland eine erweiterte Selbstverwaltung (selvstyre) eingeführt, wonach sich die Landesvertretung Grönlands selbstständig sehr weitreichende Gesetzgebungs- und Exekutivkompetenzen zuerkennen kann. Allein die Außen- und Sicherheitspolitik bleiben Reichsangelegenheiten. Etwaige Rohstoffeinnahmen fallen Grönland zu. Dies führt parallel zu einer Reduktion der Zuschüsse des dänischen Staates. Der Weg in einen souveränen Staat ist angebahnt worden. Das Gesetz über Selvstyre ermächtigt das grönländische Volk, über die Frage einer etwaigen staatlichen Unabhängigkeit Grönlands selbst zu entscheiden. Allerdings wäre in diesem Falle auch noch eine nachträgliche Einwilligung des dänischen Parlaments erforderlich.
Auf immobiliarrechtliche Besonderheiten auf Grönland und den Färöern wird im Folgenden nicht näher eingegangen.
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Auf internationaler Bühne ist Dänemark u.a. Mitglied der Vereinten Nationen und der NATO. Eine nordische politisch-rechtliche Zusammenarbeit findet auf vielen Ebenen, vor allem im Rahmen des Nordischen Rats, statt. Dieser besitzt zwar keine gesetzgeberische Kompetenz, kann aber in gemeinsamen Anliegen Empfehlungen an die nationalen Regierungen aussprechen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts findet eine weitgehende internordische gesetzgeberische Zusammenarbeitstatt, die zu einem gewissen Gleichklang der nordischen Rechtsordnungen auf vielen Gebieten, vor allem innerhalb des Privatrechts, geführt hat.
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Zu erwartende Gesetzesreformen: Das dänische Immobilienrecht ist Gegenstand vieler, zum Großteil politisch motivierter Änderungen. Vor allem steuerrechtliche Aspekte stehen immer wieder auf der Tagesordnung des politischen Diskurses und es muss ständig mit Neujustierungen gerechnet werden. Fortwährend finden auch Korrekturen auf verbraucherschutzrechtlicher Ebene statt – ebenso wie eine Anpassung der Regelungen zur baulichen Verbesserung von Immobilien (bspw. durch Anordnung von Energiesparmaßnahmen). Das System eines Bausachverständigenberichts über den Zustand einer Immobilie im Zusammenhang mit dem Immobilienverkauf, verbunden mit dem Abschluss einer Versicherung gegen verdeckte Mängel, hat sich bewährt und ist im Jahre 2012 noch weiter ausgebaut worden.
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